Unterhalt: keine Anrechnung von Pflegegeld
Gericht
OLG Koblenz
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
15. 11. 1999
Aktenzeichen
13 UF 172/99
Seit dem Inkrafttreten des 4. Gesetzes zur Änderung des XI. Buches SGB zum 1. 8. 1999 kann Pflegegeld, das an eine Pflegeperson weitergeleitet wird - entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Senats - nicht mehr als Einkommen auf den Unterhaltsbedarf der Pflegeperson angerechnet werden, wenn der Pflegebedürftige mit dem Unterhaltspflichtigen in gerader Linie verwandt ist.
Auszüge aus den Gründen:
Zum 1. 8. 1999 ist das 4. Gesetz zur Änderung des SGBXI in Kraft getreten. Durch den hiermit neu eingeführten § 13 VI SGBXI wird geregelt, daß (ab Inkrafttreten, eine Rückwirkung ist nicht vorgesehen) Pflegegeld, das an eine Pflegeperson weitergeleitet wird, „bei der Ermittlung von Unterhaltsansprüchen und Unterhaltsverpflichtungen der Pflegeperson unberücksichtigt" bleibt. Diese ihrem Wortlaut nach eindeutige Regelung trifft auf den vorliegenden Fall zu. Die Bekl. pflegt die gemeinsame behinderte Tochter der Parteien; das der Tochter gezahlte Pflegegeld wird an sie weitergeleitet. Das Pflegegeld darf deshalb jetzt nicht mehr als Einkommen auf ihren Unterhaltsbedarf angerechnet werden. Das ergibt sich auch aus der Begründung (BT-Drucks. 103/99) zur Gesetzesänderung. Danach soll durch die Neuregelung sichergestellt werden, daß das Pflegegeld nicht nur dem Pflegebedürftigen selbst, sondern auch der Pflegeperson, die die häusliche Pflege übernommen hat, möglichst ungeschmälert erhalten bleibt. Ausdrücklich wird in diesem Zusammenhang auf die bisherige zivilrechtliche Rspr. zum Pflegegeld Bezug genommen, die das weitergeleitete Pflegegeld zu einem erheblichen Teil als „Vergütungsanteil" der Pflegeperson bewertet und demzufolge unterhaltsrechtlich als Einkommen der Pflegeperson berücksichtigt (wie es auch der Senat in der Vergangenheit regelmäßig getan hat). Dies wird für nicht vereinbar mit dem sozialpolitischen Anliegen gehalten, die Bereitschaft zur häuslichen Pflege zu fördern. Sodann wird als Zweck der Neuregelung der Beispielsfall angeführt, daß „bei einer geschiedenen Ehefrau nicht mehr der Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehemann gemindert wird, wenn sie für die Pflege des gemeinsamen behinderten pflegebedürftigen Kindes Pflegegeld erhält". Hierdurch wird klargestellt, daß die Regelung nicht nur - wie der Bekl. meint - die Anrechnungsfreiheit des Pflegegeldes im Hinblick auf sonstige Sozialleistungen (Sozialhilfe o. ä.) regeln will. Hierfür spricht der nach der Ansicht des Senats eindeutige Wortlaut der Neuregelung, insbesondere wenn man den neugeschaffenen Abs. VI mit dem vorangehenden Abs. V des § 13 SGBXI vergleicht. Nach § 13 V SGBXI bleibt das Pflegegeld beim Pflegebedürftigen selbst „bei Sozialleistungen, deren Gewährung von anderen Einkommen abhängig ist, unberücksichtigt". Dieser Zusatz „bei Sozialleistungen" findet sich im neueingefügten Abs. VI gerade nicht, hier ist vielmehr ausdrücklich die Rede von (zivilrechtlichen) Unterhaltsansprüchen und Unterhaltsverpflichtungen. Dem entspricht die Begründung, die ausdrücklich nur auf die zivilgerichtliche Rspr. Bezug nimmt. Dies erscheint auch von daher nachvollziehbar, als das BVerwG (MDR 1993, 396 = FamRZ 1993, 183 [LS.]) schon 1992 (allerdings noch zu § 69 BSHG) entschieden hatte, daß Pflegegeld, das der Pflegebedürftige bestimmungsgemäß einer ihm nahestehenden Pflegeperson zugewendet hat, von dieser grundsätzlich nicht als Einkommen i. S. des BSHG einzusetzen sei (ebenso Hess. VGH, FamRZ 1996, 976 zu §§ 37, 13 BSHG). Sozialhilferechtlich war das Problem deshalb bereits (weitgehend) geklärt; im übrigen hätte es insoweit nur eines kurzen Zusatzes in § 13 V SGBXI bedurft, daß diese Regelung entsprechend für Pflegepersonen gelten soll, an die das Pflegegeld weitergeleitet wird. Dies ist aber gerade nicht geschehen, sondern ein eigener neuer Absatz geschaffen worden, der dem § 9 BErzGG nachgebildet ist und - ähnlich wie dieser - uneingeschränkt die Berücksichtigung des Pflegegeldes bei der Ermittlung von Unterhaltsansprüchen und Unterhaltsverpflichtungen der Pflegeperson regelt.
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