Änderung eines nachehelichen Unterhaltsvergleichs
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
15. 03. 1995
Aktenzeichen
XII ZR 257/93
Zur Möglichkeit der zeitlichen Begrenzung eines durch Prozeßvergleich titulierten Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Abänderung eines Prozeßvergleichs über nachehel. Unterhalt. Die 1934 geborene Kl. und der 1948 geborene Bekl. heirateten am 7. 12. 1979. Ihre kinderlos gebliebene Ehe wurde am 13. 12. 1985 geschieden.
Am 3. 1. 1980 schlossen die Parteien einen notariell beurkundeten Ehe- und Erbvertrag, in dem es unter I B heißt:
1. Wir schließen hiermit gegenseitig den Versorgungsausgleich aus. Auf die Bestimmungen des § 1408 II BGB wurden wir hingewiesen und entsprechend belehrt, insbesondere auch über die Tragweite des Versorgungsausgleichsausschlusses. Uns ist bekannt, daß durch den Ausschluß des Versorgungsausgleiches Gütertrennung eintritt.
2. Für den Fall der Scheidung und des Getrenntlebens - soweit dies vom Ehemann zu vertreten ist -, zahlt der Ehemann 20 % - 20 vom Hundert - seines Nettoeinkommens monatlich an die Ehefrau als Unterhalt . . .
Im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens vereinbarten die Parteien am 13. 12. 1985 zu Protokoll des Gerichts u. a. folgendes:
I. Der ASt. zahlt an die AGg. einen monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbetrag von 650 DM gemäß der notariellen Vereinbarung vom 3. 1. 1980, Notar Dr. D. . . .
II. Die Parteien gehen hierbei von einem bereinigten Nettoeinkommen des ASt. von 3250 DM (nach Abzug von 5 % berufsbedingten Aufwendungen) und der AGg. von 1283 DM (vor Abzug von 5 % berufsbedingten Aufwendungen) aus.
III. Die Parteien vereinbaren ergänzend, daß ein Unterhalt des ASt. nicht mehr geschuldet ist, wenn die AGg. das Doppelte des jetzigen Nettoeinkommens verdient (2566 DM).
Bei einem Nettoverdienst von mehr als 1916 DM ist dieser auf den geschuldeten Unterhalt anrechenbar.
Die Beträge von 1916 DM und 2566 DM erhöhen sich um den jährlichen Erhöhungsbetrag des Lebenshaltungskostenindex für einen mittleren Vier-Personen-Haushalt mit mittlerem Einkommen (des statistischen Bundesamts, Stand 1980 = 100). Dieser Betrag, erhöht gemäß obiger Vereinbarung, soll der Antragsgegnerin in jedem Fall als anrechnungsfreier Betrag verbleiben.
IV. Im übrigen verbleibt es bei den gesetzlichen Vorschriften über die Abänderbarkeit von beiden Seiten.
Ein von der Kl. betriebenes Abänderungsverfahren beendeten
die Parteien durch Prozeßvergleich v. 9. 5. 1988 mit folgendem
Inhalt:
1. Der Bekl. verpflichtete sich, in Abänderung der Scheidungsvereinbarung des AmtsG v. 13. 12. 1985 . . . einen monatlichen Unterhalt von 766 DM, sowie ab 1. 1. 1989 von monatlich 800 DM zu zahlen.
Hierbei wird von einem bereinigten Nettoeinkommen des Bekl. für 1987 von 4041 DM und einer zusätzlichen steuerlichen Belastung von monatlich 210 DM . . . ausgegangen; für 1989 . . . wird von einem erhöhten Einkommen von ca. 200 DM ausgegangen.
Die Parteien sind sich darüber einig, daß es im übrigen bei den Grundlagen des Prozeßvergleichs v. 13. 12. 1985 und der notariellen Urkunde v. 3. 1. 1980 verbleibt.
2. Die Parteien sind sich darüber einig, daß dieser Vergleich vor dem 1. 1. 1990 nicht abänderbar ist.
3. Der Bekl. verpflichtet sich bis 31. 1. 1990 der Kl. zu Händen des Kl.-Vertreters seine Jahresnettogehaltsbescheinigung 1989 vorzulegen, wobei sie sich ferner einig sind, daß eine neue Berechnung ab 1. 1. 1990 stattfindet . . .
Mit der im Februar 1993 erhobenen Abänderungsklage begehrte die Kl., den vom Bekl. geschuldeten Unterhalt ab 1. 10. 1992 auf monatlich 1334 DM anzuheben. Das monatliche Nettoeinkommen des Bekl. ist auf 6670 DM angestiegen; er ist wiederverheiratet und hat ein Kind aus der neuen Ehe. Die Kl. hatte ein Nettoeinkommen von monatlich 1576,85 DM; seit August 1993 ist sie arbeitslos und bezieht Arbeitslosengeld i. H. von wöchentlich 220,80 DM.
Das AmtsG - FamG - sprach der Kl. die begehrte erhöhte Unterhaltsrente ab 1. 11. 1992 zu. Hiergegen legte der Bekl. Berufung ein, mit der er sein Klageabweisungsbegehren weiterverfolgte und im Wege der Widerklage beantragte, seine Unterhaltsverpflichtung mit dem 28. 9. 1993 ganz entfallen zu lassen. Das OLG bestätigte zwar die Anhebung der Unterhaltsrente, erkannte aber zugleich dahin, daß die Verpflichtung des Bekl. zur Zahlung von Unterhalt mit Ablauf des 31. 12. 1995 entfällt.
Mit der zugelassenen Revision wendet sich die Kl. gegen das Berufungsurteil, soweit über die Widerklage zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Das OLG hält es aufgrund des § 1573 V BGB für gerechtfertigt, die Unterhaltsverpflichtung des Bekl. am 31. 12. 1995 auslaufen zu lassen.
Dazu hat es ausgeführt: Eine wesentliche Änderung der für den Vergleichsabschluß v. 9. 5. 1988 maßgeblichen Verhältnisse i. S. von § 323 I i. V. mit Abs. IV ZPO sei dadurch eingetreten, daß seit Zustellung des Scheidungsantrags am 2. 9. 1985 ein erheblicher Zeitraum verstrichen sei, der in Anbetracht der relativ kurzen und kinderlosen Ehe die zeitliche Begrenzung der Unterhaltsverpflichtung des Bekl. nach sich ziehe. Dem stehe nicht entgegen, daß § 1573 V BGB im Zeitpunkt des abzuändernden Prozeßvergleichs bereits gegolten habe, weil seinerzeit einschlägige Rspr. des BGH noch nicht vorgelegen habe und der Bekl. deswegen keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, wenn er sich bereits damals auf diese Vorschrift berufen hätte. Mit ihrer Behauptung, durch den notariellen Vertrag v. 3. 1. 1980 sei ihr eine unbefristete Unterhaltsgewährung verbrieft worden, sei die Kl. beweisfällig geblieben. Unter Würdigung aller Umstände erscheine eine zeitliche Begrenzung bis Ende 1995 geboten. Zwar sei die Kl. 14 Jahre älter als der Bekl. und in ihrer Gesundheit beeinträchtigt - i. J. 1987 sei eine Behinderung von 30 % i. S. des Schwerbehindertengesetzes festgestellt worden, die sich 1992 auf 50 % erhöht habe -, aber diese Umstände rechtfertigten es nicht, von einer zeitlichen Begrenzung der Unterhaltsverpflichtung des Bekl. ganz abzusehen, sondern nur, die zeitliche Begrenzung über das normale Maß hinauszuschieben. Schon im Zeitpunkt der Scheidung habe die damals 52 Jahre alte Kl., die keine Kinder zu erziehen gehabt habe, aufgrund des in § 1569 BGB statuierten Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit davon ausgehen müssen, in Zukunft für sich selbst sorgen zu müssen.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Wenn es sich bei dem abzuändernden Titel wie hier um einen Prozeßvergleich handelt, erfolgt die in § 323 IV i. V. mit § 794 I Nr. 1 ZPO vorgesehene Anpassung an veränderte Verhältnisse allein nach den Regeln des materiellen Rechts. § 323 I ZPO hat keine praktische Bedeutung. Mangels besonderer Vereinbarungen über die Abänderbarkeit, die zulässig sind, sind die aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsätze über den Fortfall der Geschäftsgrundlage maßgebend (vgl. BGHZ - GSZ - 85, 64, 73 = FamRZ 1983, 22; std. Rspr. des Senats).
Ob eine Störung der Geschäftsgrundlage eingetreten ist, bestimmt sich nach dem der Einigung zugrunde gelegten Parteiwillen. Dieser ist Geltungsgrund der Vereinbarung, und er allein entscheidet, welche Verhältnisse zur Grundlage des Vergleichs gehören und wie die Parteien diese Verhältnisse bewertet haben. Außer einer Veränderung der individuellen Verhältnisse können auch Änderungen einer gefestigten höchstrichterlichen Rspr. oder der Rechtslage zu Störungen einer vertraglichen Vereinbarung führen, die nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Wege der Anpassung zu bereinigen sind. Grundlage der Beurteilung in diesen Fällen ist, daß beim Abschluß einer Vereinbarung ein beiderseitiger Irrtum über die Rechtslage das Fehlen der Geschäftsgrundlage bedeuten kann, wenn die Vereinbarung ohne diesen Rechtsirrtum nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen worden wäre. Gleiches gilt, wenn der Geschäftswille der Parteien auf der gemeinschaftlichen Erwartung vom Fortbestand einer bestimmten Rechtslage aufgebaut war (vgl. Senatsurteile v. 26. 1. 1983 - IVb ZR 344/81 -, FamRZ 1983, 569, 573, und v. 2. 2. 1994 - XII ZR 191/92 -, BGHR, ZPO § 323 DDR-Unterhaltstitel 4 = FamRZ 1994, 562, 564). Im Wege der Auslegung ist zu ermitteln, welche Verhältnisse die Parteien zur Grundlage ihrer Einigung gemacht haben. Erst auf der Grundlage des Ergebnisses dieser Auslegung kann beurteilt werden, welche Auswirkungen sich aus Umständen ergeben, die sich anders als erwartet entwickelt haben (vgl. Senatsurteil v. 29. 1. 1992 - XII ZR 239/90 -, BGHR, ZPO § 323 I Prozeßvergleich 2 = FamRZ 1992, 539).
b) Im vorliegenden Fall sind in den Prozeßvergleichen v. 13. 12. 1985 und 9. 5. 1988 für die Kl. zeitlich unbefristete Unterhaltsrenten festgelegt worden. Die getroffenen Regelungen einer künftigen Abänderbarkeit knüpfen ausschließlich an Veränderungen der beiderseitigen Einkommen an, ohne die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1573 V BGB zu berühren. Das OLG scheint davon auszugehen, mit der Einführung dieser Vorschrift durch das UÄndG v. 20. 2. 1986 (BGBl I 301) sei die Geschäftsgrundlage für die Festlegung unbefristeter Unterhaltsrenten für die Kl. entfallen. Hierfür fehlen jedoch ausreichende Feststellungen, wie die Revision zu Recht rügt.
Der Bekl. hat zwar u. a. vorgebracht, bei Abschluß der Unterhaltsvereinbarungen sei eine zeitliche Begrenzung des Unterhalts im Gesetz noch nicht vorgesehen gewesen, und aus diesem Grunde sei über diesen Punkt keine vertragliche Regelung getroffen worden. Die Kl. hat dies jedoch bestritten; nach ihrem Vortrag hat der Bekl. anläßlich des Abschlusses der notariellen Vereinbarung v. 3. 1. 1980 versichert, sie sei mit 20 % seines Nettoeinkommens ,,für die Zukunft abgesichert'', was sie als ,,Gegenwert'' ihres Verzichts auf den Versorgungsausgleich und den damit verbundenen Eintritt der Gütertrennung verstanden habe. Unter diesen Umständen mußte der Bekl. beweisen, daß das Fehlen einer gesetzlichen Regelung über die zeitliche Begrenzung von Ansprüchen auf nachehel. Unterhalt Geschäftsgrundlage für die Vereinbarung zeitlich unbefristeter Unterhaltsrenten zugunsten der Kl. war; denn wer sich auf den Fortfall der Geschäftsgrundlage beruft, trägt die Beweislast für die dazu erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen (vgl. Baumgärtel/ Strieder, Beweislast, 2. Aufl., Bd. 1, § 242 BGB Rz. 17). Demgemäß trägt der Abänderungskläger die Beweislast für einen Abänderungsgrund (vgl. Senatsurteil v. 15. 10. 1986 - IVb ZR 78/85 -, FamRZ 1987, 259, 260; Schwab/Maurer, Handbuch des Scheidungsrechts, 2. Aufl., Teil I, Rz. 1041). Dies hat das OLG verkannt, soweit es ausgeführt hat, die Kl. sei mit ihrem Vortrag
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