Gesamtschulderischer Kredit nach Scheidung
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
27. 11. 1996
Aktenzeichen
XII ZR 43/95
Nach Scheitern der Ehe hat der Ehegatte, in dessen Alleineigentum das Familienheim steht, die gesamtschuldnerisch eingegangenen Finanzierungsdarlehen allein zu bedienen.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Der Streit der Parteien betrifft die Frage, wer in ihrem Innenverhältnis für die zum Bau des Familienheims gesamtschuldnerisch eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten aufzukommen hat. Nach § 426 I S. 1 BGB haften Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu gleichen Anteilen, wenn nicht ein anderes bestimmt ist. Eine anderweitige Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens ergeben
(vgl. BGHZ 87, 265, 268 = FamRZ 1983, 795; std. Rspr. des Senats, vgl. etwa Urteil v. 30. 11. 1994 - XII ZR 59/93 -, FamRZ 1995, 216 = NJW 1995, 652, 653, m.w.N.).
2. Die Kl. behauptet, die Parteien hätten anläßlich ihrer Trennung im September 1990 über die Bedienung der Darlehensverbindlichkeiten eine bestimmte Vereinbarung in dem Sinne getroffen, daß der Bekl. diese auf Dauer übernehme, während sie, die Kl., auf Aufstockungsunterhalt für sich selbst sowie auf Unterhaltsansprüche für die damals minderjährige Tochter verzichte.
Abgesehen davon, daß ein Unterhaltsverzicht für die Zukunft gemäß §§ 1361 IV S. 4, 1360a III, 1614 I BGB in beider Hinsicht unwirksam gewesen wäre, ist die insoweit beweisbelastete Kl. (vgl. Senatsurteil v. 30. 9. 1987 - IVb ZR 94/86 -, FamRZ 1987, 1239, 1241) mit diesem Vortrag beweisfällig geblieben, wie das OLG im einzelnen rechtsfehlerfrei dargelegt hat. Gegen eine solche Vereinbarung spricht auch, daß die Kl. mit Anwaltsschreiben v. 25. 6. 1993 den Bekl. u.a. aufgefordert hat, ab Juni 1993 einen monatlichen Unterhalt i.H. von mindestens 3.000 DM zu zahlen.
3. Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, daß eine anderweitige Bestimmung i. S. des § 426 I S. 1 BGB nicht nur aus einer Vereinbarung, sondern auch aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens folgen kann. Es hat dazu im wesentlichen erwogen: Zwar nutze die Kl. als Alleineigentümerin das Haus allein und ihr flössen auch die aus der Vermietung einer Einliegerwohnung resultierenden Mieteinnahmen von monatlich ca. 850 DM zu. Es handle sich aber um das von den Parteien gemeinsam geschaffene Familienheim. Auch der Bekl. habe es als wünschenswert angesehen, daß es der Kl. erhalten bleibe. Nach seinen Bekundungen im Rechtsstreit gehe er davon aus, daß ihm insoweit Ausgleichsansprüche zustünden. Deshalb sei es nicht gerechtfertigt, das Haus ausschließlich dem Vermögen der Kl. zuzuordnen. Die alleinige Nutzung des Hauses durch die Kl. könne erst dann für den Gesamtschuldnerausgleich entscheidende Bedeutung gewinnen, wenn die gegenseitigen Ansprüche vermögensrechtlicher und unterhaltsrechtlicher Art zum Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen oder gerichtlicher Entscheidungen gemacht worden seien, was noch nicht der Fall sei. Unerheblich sei auch, daß das Scheidungsverfahren mittlerweile rechtshängig geworden sei. Damit sei zwar gemäß § 1384 BGB der für die Berechnung des Zugewinnausgleichs maßgebliche Stichtag festgelegt, aber weitere Bedeutung komme diesem Umstand im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs nicht zu. Es habe bei dieser Sachlage bei der hälftigen Haftung der Parteien für die gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten nach der Regel des Gesetzes zu verbleiben.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Das Scheitern der Ehe der Parteien, das durch deren endgültige Trennung Mitte des Jahres 1992 und die Einreichung des Scheidungsantrags im August 1993 indiziert wird, führte zu einer Änderung auch solcher Rechtsverhältnisse, die vorher durch die Besonderheiten der ehel. Lebensgemeinschaft bestimmt waren. Im allgemeinen wird derjenige Ehegatte, in dessen Alleineigentum das Familienheim steht und der es nach dem Scheitern der Ehe allein nutzt, auch für die Bedienung der gesamtschuldnerisch eingegangenen Finanzierungsverbindlichkeiten allein aufkommen müssen
(vgl. OLG Köln, FamRZ 1992, 318; MünchKomm/Selb, BGB, 3. Aufl., § 426 Rz. 6; s. auch Senatsurteil v. 13. 1. 1993 - XII ZR 212/90 -, FamRZ 1993, 676, 678).
Das gilt auch im vorliegenden Fall, in dem die Kl. zudem über Erwerbseinkünfte verfügt und Einnahmen aus der Vermietung einer Einliegerwohnung erzielt. Entgegen der Auffassung des OLG ist der Stichtag des § 1384 BGB auch im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs von Bedeutung. Denn an Werterhöhungen des Familienheims, die auf der Tilgung von Finanzierungsverbindlichkeiten nach diesem Stichtag beruhen, nimmt hier der Bekl., der nicht Eigentümer ist, im Wege des Zugewinnausgleichs nicht mehr teil. Für ihn besteht aber kein Anlaß mehr, durch Tilgungsleistungen nach diesem Zeitpunkt der Kl. eine weitere Vermögensmehrung zukommen zu lassen. Bei dieser Sachlage ist seit der endgültigen Trennung der Parteien in deren Innenverhältnis allein die Kl. zur Bedienung der Finanzierungsverbindlichkeiten als verpflichtet anzusehen.
b) Soweit der Bekl. nach der endgültigen Trennung noch Zahlungen auf die Darlehensverbindlichkeiten erbracht hat, hat er durch das Schreiben v. 27. 5. 1992 zum Ausdruck gebracht, hierdurch Leistungen auf dem Grunde nach anerkannte Unterhaltsforderungen aus §§ 1361, 1601 BGB erbringen zu wollen, deren Höhe noch nicht endgültig feststehe. Gemäß § 362 II BGB ist es rechtlich möglich, zum Zwecke der Erfüllung einer Schuld an einen Dritten zu leisten, sofern der Gläubiger zustimmt. Es kann offenbleiben, ob im vorliegenden Fall die erforderliche Zustimmung der Kl., von der insbesondere die Erfüllungswirkung abhängt (vgl. Soergel/Zeiss, BGB, 12. Aufl., § 362 Rz. 14), angenommen werden kann. Jedenfalls kann aus dem Verhalten des Bekl. nicht auf eine Gestaltung des tatsächlichen Geschehens geschlossen werden, die im Rahmen des § 426 I S. 1 BGB relevant wäre und aus der dessen weitere Mithaftung für die Finanzierungsverbindlichkeiten des Hauses hergeleitet werden könnte. Soweit der Kl. für die Zeit ab Mitte 1992 noch Ansprüche gegen den Bekl. zustehen sollten, können es nur Unterhaltsrückstände sein, die aber nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind. Ihre Zahlungen auf die Finanzierungsverbindlichkeiten, für die sie Erstattung verlangt, betreffen diese Zeit. Keine Grundlage hat eine Freistellungsverpflichtung des Bekl. für künftige Zeiten. Das klageabweisende Urteil der ersten Instanz ist nach allem wiederherzustellen.
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