Mietzinsminderung bei Baulärm vom Nachbargrundstück

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Rechtsentscheid


Datum

04. 02. 1987


Aktenzeichen

RE-Miet 2/86


Leitsatz des Gerichts

  1. Bei der Prüfung, ob die vorgelegte Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, sind die im Vorlagebeschluß vertretene Rechtsauffassung und die zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung und -würdigung maßgebend, es sei denn, sie wären unhaltbar.

  2. Hat das vorlegende Landgericht eine Rechtsfrage übersehen oder nicht erkannt, von deren Beantwortung die Entscheidungsreife ohne Rücksicht auf die vorgelegte Rechtsfrage abhängt, so ist ein Rechtsentscheid unzulässig.

  3. Der Anspruch des Mieters von Wohnraum, wegen eines vom Nachbargrundstück ausgehenden Baulärms den Mietzins zu mindern, wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Vermieter als Eigentümer die Lärmbeeinträchtigung ohne Anspruch auf Ausgleichszahlung dulden muß.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. sind seit 1. 4. 1980 Mieter einer Wohnung der Bekl. ist Vermieter. Auf einem Nachbargrundstück begannen am 26. 6. 1985 Bauarbeiten. Die Kl. machen wegen ruhestörenden Baulärms Mietzinsminderung geltend. Das AG München hat die Klage abgewiesen. Es hat unterstellt, daß der Vortrag der Kl. einen Fehler der Mietsache begründe, den Anspruch aber „nach den Grundsätzen von Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB“ für ausgeschlossen gehalten, denn dem Bekl. stünden gegen den Baulärm keine Abwehrmöglichkeiten aus § 906 I BGB i. V. mit § 1004 BGB zur Verfügung, weil es sich um eine ortsübliche Bebauung handle. Die Kl. haben Berufung eingelegt und das LG hat zum Rechtsentscheid folgende Frage vorgelegt: „Kann bei Wohnraummiete der Mieter den Mietzins mindern, wenn von einem benachbarten Grundstück erheblicher Baulärm ausgeht, den der Eigentümer des Mietgrundstückes nach § 906 II BGB dulden muß, ohne eine Entschädigung verlangen zu können?" In einer den Parteien mitgeteilten Verfügung des Vorsitzenden vom 25. 7. 1986 wird darauf hingewiesen, es werde nicht als entscheidungserheblich angesehen, daß bei Abschluß des Mietvertrags die Bebauung des Nachbargrundstücks für die Kl. nicht vorhersehbar gewesen sei; es komme nicht darauf an, ob auf einem anderen benachbarten Grundstück mit einem Bau habe gerechnet werden müssen.

Das Gericht hat die Vorlagefrage wie aus dem Leitsatz ersichtlich entschieden.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

...

2. Die Vorlage ist zulässig.

a) Die im Vorlagebeschluß formulierte Frage ist genügend bestimmt. Sie ist eine Rechtsfrage; denn ob ein Minderungsanspruch des Mieters immer dann entfällt, wenn der Vermieter als Eigentümer die Lärmbelästigung infolge von Bauarbeiten dulden muß, ohne aufgrund des § 906 II 2 BGB einen Geldausgleich verlangen zu können, ist keine Tatfrage, die den Erlaß eines Rechtsentscheids hindern würde (BayObLGZ 1983, 50 (53)). Das LG hat in der Vorlagefrage nicht darauf abgestellt, ob der behauptete Baulärm einen Fehler der Mietsache (§ 537 I 1 BGB) darstellt oder ob die Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs in Geld (§ 906 II 2 BGB) im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind. Die vorgelegte Frage zielt allein auf eine abstrakte Rechtsfolge, nämlich ob ein an sich gegebener Mietminderungsanspruch dann ausgeschlossen ist, wenn ein Ausgleichsanspruch des Vermieters nicht besteht.

b) Die Rechtsfrage ist entscheidungserheblich. Dies wird vom Senat in ständiger Rechtsprechung für die Zulässigkeit eines Rechtsentscheids gefordert (BayObLGZ 1980, 360 (363) = NJW 1981, 580 m. w. Nachw.; BayObLGZ 1981, 1 (3) = NJW 1981, 1275; BayObLGZ 1983, 30 (32); 1984, 279 (281) = NJW 1985, 980 L; BayObLGZ 1985, 88 (91)).

aa) Bei der Prüfung, ob die Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, müssen nach herrschender Rechtsprechung mehrerer OLGe die vom LG im Vorlagebeschluß vertretene und niedergelegte Rechtsauffassung, Tatsachenfeststellung und -würdigung zugrundegelegt werden, es sei denn, sie wären unhaltbar (OLG Oldenburg, RES Bd. I 3. MietRÄndG Nr. 1; OLG Karlsruhe, OLGZ 1981, 354; NJW 1982, 1290; OLG Celle, ZMR 1984, 318; OLG Hamm, ZMR 1984, 14; OLG Koblenz, ZMR 1984, 30; OLG Schleswig, ZMR 1984, 95; KG, ZMR 1985, 406; OLG Hamburg, ZMR 1985, 410). Auch im Schrifttum wird diese Ansicht vertreten (Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 45. Aufl., Anh. zu § 544 Anm. 3; Landfermann, WuM 1981, 217 (220); Köhler, Die Rechtsentscheide zur Wohnraummiete, S. 13; Landfermann-Heerde, RES Bd. V S. 20). Das BayObLG hat sich bisher dieser Meinung noch nicht ausdrücklich angeschlossen, im Ergebnis aber diese Ansicht geteilt und schon in BayObLGZ 1971, 363 (366) = NJW 1972, 685 ausgesprochen, daß für die Beurteilung der Vorfragen grundsätzlich die Ansicht des vorlegenden Gerichts maßgebend sei. Der Senat schließt sich nunmehr ausdrücklich der herrschenden Rechtsprechung an, weil es nicht dem Zweck des Rechtsentscheids entspricht, daß das Obergericht den zugrundeliegenden Rechtsstreit an Stelle des BerGer. beurteilt. Außerdem wäre das LG bei seiner Entscheidung über die nicht vorgelegten, von ihm aber als erheblich angesehenen Rechtsfragen ohnehin an die Rechtsansicht des Obergerichts nicht gebunden, wenn ein Rechtsentscheid über die vorgelegte Rechtsfrage erlassen oder abgelehnt wird. Hat allerdings das LG bei der Vorlage eine Rechtsfrage übersehen oder nicht erkannt, die für den Rechtsstreit in der Weise erheblich ist, daß er entscheidungsreif wäre (§ 300 ZPO) ohne Rücksicht darauf, so würde dies dazu führen, daß die Entscheidungserheblichkeit verneint und der Erlaß eines Rechtsentscheids abgelehnt werden müßte (OLG Oldenburg, RES Bd. I 3. MietRÄndG Nr. 1). Gegebenenfalls müßte das LG dann die Rechtsfrage erneut vorlegen, wenn es die übersehende Rechtsfrage so beurteilt, daß es auf die erfolglos vorgelegte Frage doch ankommt (OLG Oldenburg, RES Bd. I 3. MietRÄndG Nr. 1).

bb) Der Vorlagebeschluß läßt erkennen, daß die vorgelegte Rechtsfrage aus der Sicht des LG entscheidungserheblich ist. Das LG hat ausdrücklich einen Ausschluß der Gewährleistung aufgrund des § 539 BGB verneint, eine entschädigungslose Duldungspflicht gemäß § 906 II BGB angenommen und hinreichend zum Ausdruck gebracht, daß es die tatsächlichen Voraussetzungen eines Fehlers i. S. des § 537 BGB für schlüssig vorgetragen hält. Eine Beweisaufnahme hat das LG bisher mit Recht unterlassen, weil sie überflüssig wäre, wenn die Vorlagefrage dahin beantwortet werden würde, daß der Anspruch auf Minderung (§ 537 BGB) entfällt, wenn dem Vermieter als Eigentümer kein Ausgleichsanspruch (§ 906 II BGB) zusteht. Die Entscheidungserheblichkeit darf aber nicht deshalb verneint werden, weil das Beweisergebnis noch ungewiß ist und die Rechtsfrage sich wieder stellen würde, wenn das LG zu dem Ergebnis käme, die Kl. hätten die bestrittenen tatsächlichen Voraussetzungen bewiesen (BayObLGZ 1984, 279 (281) m. w. Nachw.). Das LG hat im Vorlagebeschluß seine rechtliche und tatsächliche Würdigung ausreichend dargestellt. Dem steht nicht entgegen, daß das LG seine Rechtsansichten nur zum Teil im Vorlagebeschluß niedergelegt hat und sie im übrigen nur der Verfügung vom 25. 7. 1986 zu entnehmen sind, die allein der Vorsitzende der Berufungskammer erlassen hat; denn die Kammer hat durch den Vorlagebeschluß die in der Verfügung enthaltenen Rechtsansichten erkennbar übernommen und sich zu eigen gemacht. Damit genügt der Vorlagebeschluß inhaltlich den Anforderungen, die nach herrschender Rechtsprechung an ihn gestellt werden (OLG Oldenburg, RES Bd. I 3. MietRÄndG Nr. 1; OLG Celle, ZMR 1984, 317; OLG Hamburg, ZMR 1985, 410).

c) Auch die übrigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Rechtsentscheids sind gegeben. Die Rechtsfrage ist von grundsätzlicher Bedeutung; denn bei der Häufigkeit von ruhestörendem Baulärm ist zu erwarten, daß die Frage auch in Zukunft wiederholt auftritt und unterschiedlich beurteilt wird (BayObLGZ 1981, 105). Soweit zu ersehen ist, wurde die Rechtsfrage bisher noch nicht durch Rechtsentscheid beantwortet. Hierbei wird auf den Inhalt der gestellten Vorlagefrage abgestellt (BayObLG, ZMR 1984, 317).

3. Die vorgelegte Rechtsfrage wird so beantwortet, wie der Entscheidungssatz lautet.

a) Bei Wohnraum stellt Baulärm, der vom Nachbargrundstück ausgeht, einen Fehler der Mietsache dar (§ 537 I BGB), wenn er so erheblich ist, daß die Tauglichkeit für den vertragsgemäßen Gebrauch als Wohnung gemindert ist (allg. M.; z. B. Emmerich-Sonnenschein, Mietrecht, § 537 Rdnr. 29; Soergel, BGB, 11. Aufl., § 537 Rdnr. 14 m. w. Nachw.; Palandt-Putzo, BGB, 46. Aufl., § 537 Anm. 2d). In Ausnahmefällen kann die Tauglichkeit zum Wohnen auch ganz aufgehoben sein. Da für die Tauglichkeit auf den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache abzustellen ist, scheidet für die Minderung derjenige Lärm aus, der bei Abschluß des Mietvertrags bereits vorausgesetzt wurde, und beim vereinbarten Mietzins ermäßigend berücksichtigt werden konnte. Unabhängig davon kann eine Minderung aufgrund des § 539 BGB ausgeschlossen sein. Das auf der Gewährleistungspflicht des Vermieters beruhende Minderungsrecht ergibt sich aus dem Mietvertrag. Es folgt aus den schuldrechtlichen Beziehungen zwischen den Vertragsparteien und besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob der Vermieter für den teilweisen Mietausfall von einem Dritten Ersatz erlangen kann oder nicht. Dieses aus der Mängelgewährleistung folgende Risiko trägt im Verhältnis zum Mieter allein der Vermieter. Tatfrage bleibt, ob im Einzelfall der Lärm so erheblich ist, daß er die Tauglichkeit des Wohnraums mindert (oder sogar aufhebt) und in welchem Umfang eine solche Minderung den Mieter von der Mietzahlungspflicht befreit.

b) Geht die Störung durch Lärm nicht vom Vermieter aus und ist er nicht in der Lage, den Lärm zu unterbinden, so verbleibt dem Mieter, abgesehen von seinen Rechten aus der Mängelgewährleistung (§§ 537, 538 BGB) die Möglichkeit, gegen den Verursacher des Lärms mit Unterlassungsansprüchen vorzugehen, wenn die Voraussetzungen des § 823 BGB erfüllt sein sollten (vgl. Palandt-Thomas, BGB, Einf. 8 vor § 823) oder wenn er als Besitzer gem. § 862 BGB beeinträchtigt ist.

c) Ungeklärt und umstritten ist, ob und wie sich im Verhältnis Mieter zu Vermieter eine entschädigungslose Duldungspflicht auswirkt, wenn durch sogenannte Immissionen, insbesondere durch „Geräusch“ (vgl. § 906 I „Geräusch“;rm, der Mieter im Gebrauch der gemieteten Wohnung beeinträchtigt wird.

(1) Ein Minderungsrecht wird verneint, wenn sich die Beeinträchtigungen im Rahmen des § 906 BGB halten, also vom Eigentümer geduldet werden müssen. Dies wird mit einer sinngemäßen Anwendung dieser Vorschrift auf das Verhältnis Mieter zu Eigentümer begründet (Emmerich-Sonnenschein, § 537 Rdnr. 29 m. w. Nachw.; Soergel, §§ 535, 536 Rdnr. 215). Der BGH (LM § 906 BGB Nr. 1) hat die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auch im Verhältnis von Mieter zu Mieter im selben Hause bejaht. Auf die Duldungspflicht des Vermieters gem. § 906 BGB wird für die Frage abgestellt, ob die äußere Einwirkung auf die Mietsache einen Fehler i. S. des § 537 I BGB begründet (Palandt-Putzo, § 537 Anm. 2d). Das gleiche Ergebnis wird auch durch eine Anwendung des § 242 BGB erzielt und ein Minderungsrecht verneint, wenn der Mieter, falls er Eigentümer wäre, die Belästigung aufgrund des § 906 BGB zu dulden hätte (OLG Frankfurt, ZMR 1964, 271). § 242 BGB wird auch angewendet, um einen Minderungsanspruch wegen Straßenverkehrslärm zu verneinen (Speiser, NJW 1978, 19).

(2) Nach anderer Ansicht ist eine analoge Anwendung des § 906 BGB zu verneinen, weil das Risiko einer beeinträchtigten Gebrauchstauglichkeit nicht auf den Mieter verlagert werden dürfe (LG Göttingen, NJW 1986, 1112). Auch bei anderen „Umweltfehlern“ als Lärm wird angenommen, daß unvorhergesehene dauernde Störungen zu Lasten des Vermieters gehen müßten (Koller, NJW 1982, 211). Dieser Ansicht liegt erkennbar die Erwägung zugrunde, daß wegen der Gewährleistungspflicht des Vermieters dieser im Verhältnis zum Mieter das Risiko zu tragen hat, wenn die Mietsache durch äußere Einwirkungen, insbesondere auch solche, die von dritten Personen verursacht werden, in ihrer Tauglichkeit beeinträchtigt wird.

d) Bei Beantwortung der vorgelegten Rechtsfrage geht der Senat von folgenden Erwägungen aus:

(1) Von vornherein zu trennen ist einerseits das Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter mit den daraus folgenden Gewährleistungsansprüchen aus § 537 und § 538 BGB, andererseits das durch § 906 BGB begründete gesetzliche Schuldverhältnis zwischen dem Vermieter als Grundstückseigentümer und demjenigen, der die Beeinträchtigung durch Lärm oder andere Geräusche verursacht hat. Nach allgemeinen schuldrechtlichen Regeln sind Voraussetzung und Umfang der gesetzlich geregelten Mängelgewährleistung nicht davon abhängig, ob der Vermieter gegen einen Dritten, der den Mangel der Mietsache verursacht hat, einen Ausgleichs- oder Schadensersatzanspruch erlangt oder ob er ihn verwirklichen kann. Dies liegt allein im Risikobereich des Vermieters.

(2) Zwischen dem Minderungsanspruch des Mieters aus § 537 I BGB und dem Ausgleichsanspruch des Eigentümers, der zugleich Vermieter ist, aufgrund des § 906 II 2 BGB besteht indessen ein Zusammenhang: Ist der Mieter wegen der vom Vermieter als Eigentümer gem. § 906 II 1 BGB zu duldenden Einwirkung berechtigt, den Mietzins zu mindern, weil die Einwirkung so erheblich ist (vgl. § 537 I 2 BGB), daß sie einen Fehler der Mietsache i. S. des § 537 I 1 BGB begründet, so steht dem Vermieter ein Ausgleichsanspruch grundsätzlich dann zu, wenn der Mieter gegenüber dem Vermieter mit der Minderung durchdringt, insbesondere ein rechtskräftiges Urteil erwirkt. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Ertrag des Grundstücks nicht über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt wird (§ 906 II 2 Alt. 2 BGB). In diesem Rahmen muß dem Vermieter einer Wohnung als bestimmungsgemäßer Ertrag die Miete auch dann erhalten bleiben, wenn ein Grundstücksnachbar vorübergehend Baulärm verursacht, um sein Grundstück zu bebauen. Ob diese Benutzung als ortsüblich i. S. des § 906 II 1 BGB anzusehen ist, stellt im Einzelfall eine Tatfrage dar (Palandt-Bassenge, § 906 Anm. 4 c), dürfte bei Baulärm in der Regel aber schon aus der öffentlichrechtlichen Ausweisung als Baugrundstück im Wohngebiet zu bejahen sein. Der Ausgleichsanspruch aus § 906 II 2 BGB wird nach Enteignungsgrundsätzen bemessen (h. M.; BGHZ 85, 375 = NJW 1983, 872; Palandt-Bassenge, § 906 Anm. 4 m. w. Nachw.). Hier wird sowohl die vorübergehende Beeinträchtigung der Nutzung des selbstbewohnten Hauses gerechnet wie der erlittene Mietausfall (BGHZ 91, 20 (30 f.) = NJW 1984, 1876). Daraus folgt, daß Bestehen und Umfang des Ausgleichsanspruchs grundsätzlich davon abhängen, ob der Mieter zur Mietzinsminderung berechtigt ist und diesen Anspruch gegen den Vermieter durchsetzen kann. Umgekehrt hat der Vermieter mangels einer Einbuße an Mietertrag keinen Ausgleichsanspruch, wenn der Mieter mit einem behaupteten und geltendgemachten Minderungsanspruch gegen den Vermieter nicht durchdringt. Der Vermieter kann daher gegenüber dem Mieter nicht einwenden, ihm stünde ein Ausgleichsanspruch aus § 906 II 2 BGB nicht zu und der Minderungsanspruch sei deshalb unbegründet. Statt dessen hängt der Ausgleichsanspruch des Vermieters neben den Voraussetzungen der Duldungspflicht gem. § 906 II 1 BGB davon ab, daß er einen über das zumutbare Maß hinausgehenden Mietausfall aufgrund seiner Gewährleistungspflicht (§§ 537, 538 BGB) hinnehmen muß.

(3) Die anderen unter c) aufgeführten Lösungen der Rechtsfrage hält der Senat für verfehlt: Eine analoge Anwendung des § 906 BGB im Verhältnis Mieter zu Vermieter dürfte sich schon deshalb verbieten, weil die Gewährleistungspflicht des Vermieters nicht der Interessenlage entspricht, die § 906 BGB im Verhältnis Eigentümer zu Dritten voraussetzt. Es fehlt vor allem an einer Gesetzeslücke; denn § 537 BGB regelt den Fall unverschuldeter Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache erschöpfend. Eine Anwendung von § 242 BGB mag im Einzelfall gerechtfertigt sein. Allgemein kann nicht gesagt werden, es stelle eine unzulässige Rechtsausübung des Mieters dar, wenn er Minderung verlangt, obwohl der Vermieter für den von Dritten verursachten Mangel einen Schadensausgleich nicht erlangen kann. Nur ein solcher Anwendungsfall des § 242 BGB (vgl. Palandt-Heinrichs, § 242 Anm. 4 C) wäre denkbar. Insbesondere verbietet es sich auch, Wegfall oder Änderung der Geschäftsgrundlage anzunehmen, weil bei Fehlern der Mietsache die §§ 537, 538 BGB als gesetzliche Sonderregelung vorgehen (h. M.; vgl. BGH, NJW 1981, 2406 (2407)).

(4) Die getroffene Entscheidung birgt für den risikobelasteten Vermieter zwar die Gefahr, daß er infolge widersprechender gerichtlicher Entscheidungen sowohl gegen den Mieter als auch gegen den Verursacher der Grundstücksbeeinträchtigung unterliegt. Dem kann er aber jedenfalls in bezug auf den Minderungsanspruch dadurch begegnen, daß er durch Streitverkündung (§ 72 ZPO) die Nebeninterventionswirkung (§§ 68, 74 I ZPO) herbeiführt. Sollte er im Mietminderungsprozeß unterliegen, kann dann jedenfalls der als Ersatzpflichtige verklagte Verursacher gegen den Anspruch aus § 906 II 2 BGB nicht einwenden, die Mietminderung sei unberechtigt gewesen, weil die Tauglichkeit der Mietsache zum Zwecke des Wohnens nur unerheblich oder gar nicht beeinträchtigt gewesen sei.

Rechtsgebiete

Mietrecht