Personenmehrheit auf Vermieterseite - Wirksamkeit von Abmahnung und Kündigung
Gericht
LG Heidelberg
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
09. 06. 2000
Aktenzeichen
5 S 22/00
Abmahnungen und Kündigungen müssen von sämtlichen Vermietern unterschrieben werden.
Die Kl. zu 1 u. 2 haben an die Bekl. eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet. Nach vorangegangener Kündigung des Mietvertrags durch den Kl. zu 2 erhoben die Kläger Räumungsklage. Sie tragen vor, es sei im Hause zu erheblichen Ruhestörungen durch die Bekl. gekommen, so dass sich andere Bewohner beschwerten. Der Kl. zu 2 hatte die Bekl. mit Schreiben vom 3. 9. 1999 abgemahnt. Nach angeblichen weiteren Ruhestörungen, hat er dann mit Schreiben vom 24. 9. 1999 fristlos gekündigt. Mit Erhebung Räumungsklage mit Anwaltsschriftsatz vom 27. 10. 1999 wurde vorsorglich für beide Kl. erneut die fristlose Kündigung erklärt.
Das AG hat dem Klagebegehren stattgegeben. Das LG hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Kl. können von der Bekl. nicht die Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung verlangen. Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist weder durch die Kündigung des Kl. zu 2 vom 24. 9. 1999 noch durch die hilfsweise in der Klageschrift erklärte Kündigung beendet worden. Die Kündigung vom 13. 4. 2000 ist nicht in zulässiger Weise in den Rechtsstreit eingeführt worden.
1. Die Kündigung des Kl. zu 2 vom 24. 9. 1999 ist formell unwirksam. Denn sie wurde lediglich von einem der zwei Vermieter abgegeben. Bei Personenmehrheiten auf der Mieter- oder Vermieterseite müssen jedoch grundsätzlich alle Personen der jeweiligen Seite das Mietverhältnis betreffende Willenserklärungen, wie beispielsweise Kündigungen oder Mieterhöhungserklärungen abgeben (Sternel, MietR, 3. Aufl., I Rdnr. 9). Eine in einer derartigen Situation nur von einer Person abgegebene Erklärung ist unwirksam. Ausweislich des zwischen den Parteien zu Stande gekommenen Mietvertrags vom 6. 12. 1998 ist Vermieter nicht lediglich der Kl. zu 2, sondern auch die Kl. zu 1. Sie ist ausdrücklich im Rubrum des Vertrags als Vermieterin mit aufgeführt und hat den Vertrag mit unterzeichnet. Die Kündigung vom 24. 9. 1999 wurde jedoch lediglich vom Kl. zu 2 ausgesprochen. Er trat hierbei auch ausschließlich in eigenem Namen auf. Seiner Erklärung ist nicht ansatzweise zu entnehmen, dass er auch die Kl. zu 1 vertreten wollte.
2. Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist auch nicht durch die in der Klageschrift vom 27. 10. 1999 hilfsweise ausgesprochene Kündigung beendet worden. Sie genügt weder den Anforderungen des § 553 BGB noch kann sie auf § 554a BGB gestützt werden. Denn es fehlt an einer vor Ausspruch der Kündigung erfolgten wirksamen Abmahnung der Bekl. Zwar hat der Kl. zu 2 die Bekl. mit Schreiben vom 3. 9. 1999 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie gemäß dem Mietvertrag verpflichtet ist, keine störenden Geräusche nach 22 Uhr zu verursachen. Auch mit dem - unwirksamen - Kündigungsschreiben vom 24. 9. 1999, welches grundsätzlich in eine Abmahnung umgedeutet werden könnte, weist der Kl. zu 2 die Bekl. auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Hausordnung hin. Beide Schreiben stellen jedoch keine wirksame Abmahnung i.S. des § 553 BGB dar. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob, wofür einiges spricht, in diesem Schreiben bereits deshalb keine wirksame Abmahnung gesehen werden kann, weil der Kl. zu 2 darin nicht die Kündigung des Mietverhältnisses angedroht hat (so genannte qualifizierte Abmahnung, vgl. hierzu LG Hamburg, WM 1986, 338; LG Berlin, MDR 1985, 586). Denn die Schreiben des Kl. zu 2 vom 3. 9. bzw. 24. 9. 1999 genügen bereits deshalb nicht den Anforderungen an eine Abmahnung, da sie lediglich von einem von zwei Vermietern verfasst wurden.
Die Abmahnung ist eine rechtsgeschäftsähnliche, dem Schutz des Mieters dienende, einseitige und empfangsbedürftige Erklärung, auf die die Vorschriften über Willenserklärungen entsprechend anzuwenden sind (Grapentin, in: Bub/Treier, Hdb.d. Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., IV Rdnr. 167; Voelskow, in: MünchKomm, BGB, 3. Aufl., § 550 Rdnr. 7). Das Mietverhältnis betreffende Willenserklärungen müssen jedoch, wie bereits unter 1. ausgeführt, bei Personenmehrheiten auf Mieter- oder Vermieterseite von allen Personen der entsprechenden Seite abgegeben werden. Gibt nur eine dieser Personen die Erklärung ab, ist sie unwirksam (Sternel, I Rdnr. 9; siehe auch Schmidt-Futterer/Blank, MietR, 7. Aufl., § 553 Rdnr. 12 zum umgekehrten aber entsprechend zu behandelnden Fall des Ausspruchs einer Abmahnung gegenüber mehreren Mietern). Die Besonderheiten der Abmahnung, insbesondere der Umstand, dass auf sie die Vorschriften über Willenserklärungen nur entsprechend anzuwenden sind, führen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar mag bei erster Betrachtung dieser Frage der Eindruck entstehen, dass der Zweck der Abmahnung auch erreicht wird, wenn sie lediglich von einer Person auf Vermieterseite ausgesprochen wird. Denn durch die Abmahnung soll ein Verhalten des Mieters beanstandet werden, welches in seiner Einflusssphäre liegt, vertragswidrig ist und veränderbar ist. Die Abmahnung hat damit einerseits eine Rüge, andererseits eine Warnung zum Inhalt, welche grundsätzlich auch einer lediglich von einem von mehreren Vermietern abgegebenen Erklärung entnommen werden können. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass auch bei der Abmahnung von dem oben geschilderten Grundsatz der Notwendigkeit der Abgabe einer Erklärung seitens aller Personen der Mieter- bzw. Vermieterseite ausgegangen werden muss. Denn die Abmahnung muss vom Vermieter ausgesprochen werden. Sie soll dem Mieter vor Augen führen, dass der Vermieter mit einem bestimmten vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache nicht einverstanden ist. Dies erscheint bereits deshalb unentbehrlich, da in einem Dauerschuldverhältnis ständig eine Fülle von Pflichten zu erfüllen sind, die Parteien eines Mietvertrags jedoch sehr unterschiedlich auf Pflichtverletzungen reagieren können. Sie können auf einer rechtlich präzisen Erfüllung bestehen oder die Rechte und Pflichten faktisch auch großzügiger handhaben. Bei einer Personenmehrheit auf Vermieterseite erscheint es durchaus denkbar, dass sich eine Person am vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache seitens des Mieters stört und diesen deshalb abmahnen möchte, während die andere Person die Pflichtverletzung für nicht gravierend und abmahnungswürdig hält. Für den Mieter muss jedoch klar erkennbar sein, ob sein Verhalten lediglich von einem von mehreren Vermietern oder von allen Vermietern ernsthaft beanstandet wird. Denn nur dann wird ihm die Bedeutung seiner Pflichtverletzung mit der erforderlichen Klarheit vor Augen geführt, so dass er die möglicherweise drohende Konsequenz einer Kündigung des Mietverhältnisses erkennen kann. Denn diese setzt spätestens eine Übereinstimmung auf Vermieterseite voraus. Sie ist, wie bereits unter 1. ausgeführt, nur wirksam, wenn sie von allen Personen auf der Vermieterseite erklärt wurde.
Die Vermieter werden durch diese Rechtsauffassung auch nicht über Gebühr belastet. Sie haben es in der Hand, für eindeutige Verhältnisse zu sorgen. Wenn sie nicht alle gemeinsam gegenüber dem Mieter eine Abmahnung aussprechen wollen, können sie ohne weiteres einen von ihnen bevollmächtigten, sie bei Abgabe der Erklärung zu vertreten. Der Handelnde muss dann lediglich gem. § 164 BGB erkennbar auch für die übrigen Vermieter auftreten. Von diesen Möglichkeiten haben die Kl. jedoch keinen Gebrauch gemacht. Sowohl die Erklärung vom 3. 9. 1999 als auch die vom 24. 9. 1999 hat der Kl. zu 2 ausschließlich in eigenem Namen abgegeben. Den Erklärungen ist nicht ansatzweise zu entnehmen, dass er hierbei auch für die Kl. zu 1 handeln wollte.
Die Abmahnung war auch nicht entbehrlich. Auf eine Abmahnung kann angesichts ihrer zentralen Bedeutung grundsätzlich nicht verzichtet werden. Eine Ausnahme kommt nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 326 II BGB entsprechend erfüllt sind oder wenn eine Änderung des vertragswidrigen Gebrauchs unter keinen Umständen zu erwarten ist. An den Verzicht auf die Abmahnung sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen (BGH, MDR 1975, 572; OLG Koblenz, NZM 1998, 229 = NJW-RR 1998, 659 = ZMR 1997, 578; Schmidt-Futterer/Blank, § 553 Rdnr. 17 m.w. Nachw.). Eine derartige Ausnahmekonstellation ist vorliegend nicht gegeben. Die Bekl. hat vor Ausspruch der Kündigung vom 27. 10. 1999 die Erfüllung der ihr obliegenden Pflichten nicht ernsthaft und eindeutig verweigert. Sie hat insbesondere nicht erklärt, sich an die Hausordnung auch in Zukunft nicht halten zu wollen. Es erschien auch nicht ausgeschlossen, dass die Bekl. die nächtlichen Störungen einstellen werde. Bei der Frage, ob eine Änderung des vertragswidrigen Gebrauchs durch den Mieter unter keinen Umständen zu erwarten ist, ist nicht auf eine ex-post, sondern auf eine ex-ante Betrachtung abzustellen. Dies bedeutet, dass es maßgeblich auf die Verhältnisse vor bzw. zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ankommt. Im Oktober 1999 stand es jedoch keineswegs fest, dass die Bekl. sich auch eine wirksame Abmahnung der Kl. nicht als Warnung würde gereichen lassen. Insbesondere war die psychische Erkrankung der Bekl., auf die ihr ruhestörendes Verhalten offensichtlich zurückzuführen war, noch nicht bekannt.
Die Kündigung kann auch nicht auf § 554a BGB gestützt werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob § 553 BGB lex specialis gegenüber § 554a BGB ist mit der Folge, dass die zuletzt genannte Bestimmung neben § 553 BGB auch dann keine Anwendung findet, wenn der vertragswidrige Gebrauch der gemieteten Sache zugleich eine Pflichtverletzung i.S. des § 554a BGB darstellt (so die h.M., insbesondere OLG Koblenz, NZM 1998, 229 = NJW-RR 1998, 659 = ZMR 1997, 578; OLG Düsseldorf, ZMR 1990, 57; Sternel, IV Rdnrn. 375 u. 502). Denn die Voraussetzungen des § 554a BGB sind nicht erfüllt. Auch nach dieser Bestimmung ist eine Kündigung wegen Lärmstörungen nur nach vorheriger Abmahnung zulässig. Zwar wird eine Abmahnung nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht gefordert. Bei Vertragsverletzungen, die zugleich unter § 553 BGB fallen, ist jedoch eine Kündigung erst nach vorheriger Abmahnung zulässig (Schmidt-Futterer/Blank, § 554a Rdnrn. 16, 34; LG Berlin, GE 1991, 573, 879). Zumindest in Fällen wie dem vorliegenden gewinnt die Vertragsverletzung ihr erforderliches Gewicht erst durch ihre Fortsetzung trotz Abmahnung.
Die Kammer hatte keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung im Hinblick auf den Schriftsatz der Kl. vom 22. 5. 2000 wiederzueröffnen. Denn die darin enthaltene Behauptung, dass auch der Verwalter die Bekl. bereits im September 1999 auf ihr ungebührliches Verhalten hingewiesen und sie abgemahnt habe, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung. Wie bereits oben ausgeführt, muss die Abmahnung vom Vermieter ausgehen. Die Kl. haben nicht dargetan, aus welchem Grund ihnen die Äußerung des Verwalters zuzurechnen ist. Sie haben weder behauptet, den Verwalter mit der Abmahnung bevollmächtigt zu haben, noch, dass er in ihrem Namen aufgetreten ist. Da der Verwalter nicht allein von den Kl. eingesetzt wurde, sondern von der Wohnungseigentümergemeinschaft spricht hierfür auch keine Vermutung.
3. Die auf Zahlungsverzug gestützte Kündigung vom 13. 4. 2000 haben die Kl. nicht ordnungsgemäß in den Rechtsstreit eingeführt. Die mit Schriftsatz vom 4. 5. 2000 im Hinblick auf diese Kündigung erklärte hilfsweise Klageänderung ist gem. den §§ 523, 263 ZPO unzulässig. Sie ist nicht sachdienlich. Denn die nach dem Ausspruch einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs gem. § 554 II Nr. 2 BGB vor Erlass einer Entscheidung zu beachtende Schonfrist von einem Monat nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 12. 5. 2000 noch nicht abgelaufen.
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