Fristlose Kündigung bei Belastung des Mietobjekts mit Schimmelpilz
Gericht
LG Verden
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
26. 01. 2001
Aktenzeichen
1 S 48/00
Die hohe Belastung einer Wohnung mit Schimmelpilzen kann zur fristlosen Kündigung berechtigen, wenn objektiven die Gesundheit der Mieter gefährdet ist (Schimmelpilze im Blut).
Die Bekl. waren Mieter im Hause des Kl. Der Mietvertrag lief bis 31. 1. 2000. Nach ihrer fristlosen Kündigung, die auf § 544 BGB beruhte, räumten die Bekl. die Wohnung im Januar 1999. In den Monaten Februar bis Juni 1999 zahlten sie keine Miete. Die Miete betrug 1000 DM monatlich. Wie der Kl. in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, wurde das Anwesen im Herbst 1999 veräußert.
Mit der Klage forderte der Kl. die Miete für die Monate Februar bis Juni 1999.
Das AG gab der Klage statt. Die dagegen gerichtete Berufung der Bekl. hatte Erfolg.
I. Die zulässige Berufung ist auch begründet.
Die Bekl. sind nicht zur Zahlung des Mietzinses i.H. von insgesamt 5000 DM verpflichtet. Den Bekl. stand ein Kündigungsrecht gem. § 544 BGB zu. Die Belastung des Mietobjekts mit Schimmelpilzen berechtigte die Bekl. zur fristlosen Kündigung.
1. Auf Grund der Beweisaufnahme ist die Kammer überzeugt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung, Ende Dezember 1998, das Mietobjekt mit Schimmelpilzen belastet war.
Zwar liegt kein Gutachten für diesen Zeitraum vor. Der Sachverständige R hat aber ausgeführt, bei seiner ersten Besichtigung des Mietobjekts im Juli 1998 seien im Arbeits-, Schlaf- und Wohnzimmer Schimmelpilze vorhanden gewesen. Das Gästezimmer habe er nicht gesehen. Bei seiner zweiten Begutachtung im November 1999, bei der das Haus nicht bewohnt war, habe er alle Räume besichtigt. Im Arbeitszimmer sei kein Schimmel mehr vorhanden gewesen. Im Schlafzimmer sei an der Außenwand schwarzer Schimmel gefunden worden. Er hätte sogar erkennen können, wo die Betten gestanden hätten. Auch der unbeheizbare Abstellraum neben dem Schlafzimmer sei durch dieses belastet worden. Im Gästezimmer, in dem der Einbauschrank nicht gedämmt war, seien Wasserspuren am Schrank festgestellt worden. Im Gutachten vom 15. 12. 1999 hat der Sachverständige R ausgeführt, die fehlende Dämmung des Einbauschrankes führe in Verbindung mit relativer Luftfeuchtigkeit zur Entstehung von Schimmelpilzen. Schließlich hat der Sachverständige bekundet, die bei seiner zweiten Besichtigung festgestellte Schimmelpilzbelastung müsse über einen längeren Zeitraum entstanden sein.
Auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen R hat die Kammer keinen Zweifel, dass in mehreren Räumen des Mietobjekts auch im Dezember 1998 Schimmelpilze vorhanden waren.
Da auf Grund der Beweisaufnahme feststeht, dass mehrere Räume des Mietobjekts mit Schimmelpilzen belastet waren, braucht nicht darauf abgestellt zu werden, welche Bedeutung die Räume für die Benutzbarkeit der Wohnung insgesamt hatten (Voelskow, in: MünchKomm, BGB, 4. Aufl., § 544 Rdnr. 6; Staudinger/Emmerich, BGB, 13. Bearb., § 544 Rdnr. 16).
2. Auch lag eine Gesundheitsgefährdung i.S. des § 544 BGB vor. Ob eine Gesundheitsgefährdung vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden (Voelskow, in MünchKomm, § 544 Rdnr. 7). Dabei muss die Gesundheitsgefährdung zwar nicht lebensbedrohlich, aber erheblich sein. Ein bloßes vorübergehendes Unbehagen reicht für § 544 BGB nicht aus (Staudinger/Emmerich, § 544 Rdnr. 10). Hier lag eine erhebliche Gesundheitsgefährdung der Bekl. vor, da bei beiden Bekl. im Blut eine Schimmelpilzkonzentration festgestellt wurde und zumindest bei der Bekl. zu 1 kam es zu einer schimmelpilzbedingten Erkrankung. Zwar ist es für eine Gesundheitsgefährdung i.S. von § 544 BGB nicht ausreichend, dass Schimmelpilzsporen nur bei einer besonderen subjektiven Empfindlichkeit der Bewohner Allergien bewirken können (LG Berlin, ZMR 1999, 27; Franke, ZMR 1999, 83 [88]). Auf Grund der Beweisaufnahme steht aber fest, dass die Bekl. zu 1 auf Grund der Dauerbelastung mit Schimmelpilzen bzw. deren Eiweiße erkrankte, so dass es zu einem beginnenden Asthma kam.
Der sachverständige Zeuge Dr. P hat durch eine Blutuntersuchung festgestellt, dass beide Bekl. Antikörper gegen verschiedene Schimmelpilze gebildet hatte, die das übliche Maß übersteigen. Dieser Befund könnte nur bei einer Dauerbelastung mit Schimmelpilzen auftreten. Da es nicht in Betracht gekommen sei, dass die Bekl. beruflich mit Schimmelpilzen in Kontakt kommen, sei nur die häusliche Umgebung als Ursache möglich gewesen. Daher habe er dem Bekl. zu 2 Pilzplatten mitgegeben, die dieser jeweils 10 Minuten in den Räumen geöffnet habe. Bei der anschließenden Untersuchung seien die Platten im Vergleich zu einer Kontrollplatte erheblich mit Schimmelpilzen bewachsen gewesen und die auf den Platten gefundenen Pilze hätten mit dem im Blut der Bekl. festgestellten Schimmelpilzen übereingestimmt. Zudem kämen andere Möglichkeiten des Kontakts mit Schimmelpilzen im Mietobjekt - wie z.B. durch Pflanzen oder Tiere - nicht in Betracht, da dann andere Schimmelpilze verursacht würden. Dies alles habe nach monatelanger Behandlung im Dezember 1998 schließlich festgestanden. Aus ärztlicher Sicht habe er daher den Bekl. geraten, dem ungesunden Klima auszuweichen. Nach den in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des sachverständigen Zeugen Dr. P steht für die Kammer fest, dass eine erhebliche Gesundheitsgefährdung durch das Mietobjekt vorlag.
3. Die Ursache für die Gesundheitsbeeinträchtigung ist unerheblich. Die Regelung des § 544 BGB hat einen sozialpolitischen Zweck. Sie soll helfen, die Wohnverhältnisse in hygienischer Hinsicht zu verbessern und wegen ihrer bloßen Existenz auf den Vermieter einen gewissen Druck ausüben (Franke, ZMR 1999, 83 [87]). Es kommt daher nicht darauf an, ob der Vermieter sie verschuldet oder verursacht hat. Die Ursache kann in baulichen Mängeln liegen, aber auch auf äußeren Einflüssen beruhen (Franke, ZMR 1999, 83 [88]). Gleichwohl obliegt es grundsätzlich dem Vermieter gegebenenfalls für Abhilfe zu sorgen.
4. Die Kündigung ist formgerecht nach § 564a BGB von der Bekl. schriftlich erklärt worden.
5. Schließlich ist das Kündigungsrecht der Bekl. auch nicht ausgeschlossen. Ihnen kann kein eigenes schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden.
a) Die Bekl. sind unstreitig erst vier Wochen nach Ausspruch der Kündigung ausgezogen. Da es aber einem Mieter, der zu zumutbaren Bedingungen keine bessere Wohnung zu finden vermag, nicht vorgeworfen werden kann, dass er zunächst in der bisherigen Wohnung verbleibt (Staudinger/Emmerich, § 544 Rdnr. 5), wirkt sich dieser Umstand nicht auf ein mögliches Kündigungsrecht nach § 544 BGB aus.
b) Zwar ist, wie der Sachverständige R in seinem Gutachten vom 15. 12. 1999
festgestellt hat, in einem Raum die Schimmelpilzbildung auf das Lüftungs- und
Heizverhalten der Bekl. zurückzuführen. Da aber, wie oben erläutert, hier
grundsätzlich nicht auf ein Verschulden abgestellt wird, schadetdem Mieter nur
eine grob fahrlässige Unkenntnis, wenn er also das jedermann Naheliegende
ignoriert, was zudem der Vermieter zu beweisen hätte (Franke, ZMR 1999, 83
[89]).
Dass die Bekl. ihre Räume gar nicht gelüftet und geheizt haben, ist
vom Kl. nicht bewiesen worden. Darüber hinaus waren die Bekl. nicht
verpflichtet, in einem besonderen Maße für einen Luftaustausch zu sorgen. Die
Bekl. konnten auch ihr Bett an die Wand stellen. Ein Mieter ist nämlich nicht
verpflichtet, bauphysikalische Sachschwächen der angemieteten Wohnung durch
Abstriche von der allgemein üblichen Möblierung, auszugleichen (vgl. LG München,
NJW-RR 1991, 975 [976]).
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