Eigenbedarfskündigung wegen Verkaufs der Eigentumswohnung
Gericht
LG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
15. 10. 1991
Aktenzeichen
24 S 328/91
Ist der Vermieter durch das Mietverhältnis am Verkauf seiner Wohnung gehindert, so ist eine Eigenbedarfskündigung des Mietverhältnisses über seine Eigentumswohnung gerechtfertigt, wenn der Vermieter den Verkaufserlös benötigt, um einen infolge der Zinsentwicklung stark verteuerten Kredit für das von ihm bewohnte Eigenheim zurückführen zu können.
Der Bekl. ist Mieter einer Eigentumswohnung der Kl. Die Kl. haben das Mietverhältnis gekündigt. Sie tragen vor, daß sie durch die Fortführung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der Wohnung gehindert seien. Der Verkauf der Wohnung scheitere daran, daß diese an den Bekl. vermietet sei. Der Verkauf sei erforderlich, um ihnen entstehende wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden. Die Finanzierung des gegenwärtig von ihnen bewohnten Einfamilienhauses, welche seinerzeit zu einem Zinssatz von 6 % abgeschlossen worden sei, laufe zum 31.7.1991 aus; angesichts des erheblich gestiegenen Zinsniveaus würden ab August 1991 erheblich höhere Zinsen anfallen, wenn nicht die vom Bekl. bewohnte Wohnung veräußert und damit die auf dieser ruhenden Belastungen ganz und die Belastung für ihr Haus teilweise zurückgeführt werden könnte. Im Falle der Beibehaltung der vom Bekl. bewohnten Wohnung bestünde ab August 1991 eine monatliche Mehrbelastung von 800 bis 1000 DM, was für sie eine unzumutbare wirtschaftliche Härte darstellen würde.
Die Räumungsklage hatte in beiden Instanzen Erfolg.
Den Kl. steht gegen den Bekl. ein Anspruch auf Herausgabe der von diesem mit Vertrag vom 7.7.1986 gemieteten Räumlichkeiten aus §§ 556 I, 985 BGB zu, da das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis durch das Kündigungsschreiben vom 28.11.1990 wirksam zum 28.2.1991 beendet worden ist.
Die Kl. sind zur Kündigung gem. § 564b I, II Nr. 3 BGB berechtigt. Danach liegt ein zur ordentlichen Kündigung berechtigendes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses vor, wenn ein Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde.
Zur wirtschaftlichen Verwertung eines Grundstückes gehört grundsätzlich auch dessen Verkauf (Emmerich-Sonnenschein, Miete, 5. Aufl. (1989), § 564b BGB Rdnr. 56 m. w. Nachw.; Sternel, MietR, 3. Aufl. (1988), IV Rdnr. 148). Die Auffassung des Bekl., wonach die im Verkauf liegende wirtschaftliche Verwertung einer Eigentumswohnung keine wirtschaftliche Verwertung „des Grundstückes“ sei, ist unzutreffend. Denn zum einen ist Bestandteil des Wohnungseigentums, das die Kl. vorliegend zu veräußern beabsichtigen, auch der Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück, auf dem das Gebäude errichtet ist, in dem sich die Eigentumswohnung befindet (vgl. § 1 II, V WEG). Zum anderen fände, die Lesart des § 564b II Nr. 3 BGB des Bekl. zugrundegelegt, diese Vorschrift in Fällen, in denen in einem Gebäude mehrere Eigentumswohnungen verschiedener Eigentümer belegen sind, auf die einzelnen Eigentumswohnungen überhaupt keine Anwendung. Ferner ergibt sich die Anwendbarkeit dieser Regelung auch aus der Ausnahmevorschrift des § 564b II Nr. 3 S. 3, wonach eine Veräußerung der Mieträume, d. h. also nicht notwendigerweise des gesamten Grundstückes, als eine wirtschaftliche Verwertung des Grundstückes angesehen werden.
Angemessen ist eine Verwertung, die von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen des Vermieters/Eigentümers getragen ist (vgl. BVerfG, NJW 1989, 970). Der vom Gesetz nicht näher erläuterte Begriff der „Angemessenheit“ einer wirtschaftlichen Verwertung ist unter Berücksichtigung sowohl der sozialen Funktion der Wohnung als Lebensmittelpunkt der Mieter als auch unter Berücksichtigung des in Art. 14 I GG gewährten Grundrechtes auf Privateigentum zu bestimmen (vgl. Emmerich-Sonnenschein, Miete, § 564b BGB Rdnr. 58). Kern der grundrechtlichen Gewährleistung des Eigentums ist insbesondere die Privatnützigkeit sowie die Verfügungsbefugnis des Eigentümers, so daß der Verkauf von Grundeigentum grundsätzlich als angemessene wirtschaftliche Verwertung anzusehen ist, gleichviel wozu der Eigentümer den aus dem Verkauf erzielten Erlös verwendet (BVerfG, NJW 1989, 972 (973); Emmerich-Sonnenschein, Miete, § 564b BGB Rdnr. 58). Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn die Veräußerung eines Grundstückes ein anstößiges und spekulatives Profitstreben des Eigentümers offenbart (vgl. Sternel, MietR, IV Rdnr. 148 a. E.). Die Kl. haben dargelegt, daß sie den Verkaufserlös zur Rückführung eines von ihnen aufgenommenen Kredites verwenden wollen, um damit ihre monatlichen Zins- und Tilgungsbelastungen zu verringern. Hiermit liegen vernünftige und nachvollziehbare Gründe vor, die den Verkauf der Eigentumswohnung als wirtschaftlich für die Kl. sinnvoll erscheinen lassen. Ein Vergleich des von den Kl. im Jahr 1980 bei Erwerb der Wohnung aufgewandten Kaufpreises von 166000 DM mit dem nunmehr von ihnen, bei geräumter Wohnung, erzielbaren und angestrebten Kaufpreises von 183000 DM zeigt, daß die Kl. sich bei dem Entschluß, ihre Eigentumswohnung zu verkaufen, auch nicht von einem durch Spekulation bestimmten Gewinnstreben haben leiten lassen.
Die Kl. sind an der von ihnen beabsichtigten Veräußerung der Eigentumswohnung durch den Fortbestand des Mietverhältnisses mit dem Bekl. gehindert. Zwar reicht der bloße Wunsch eines Eigentümers, ein Haus bzw. eine Wohnung mieterfrei zu veräußern, nicht aus (LG Düsseldorf, WuM 1987, 321), auch genügt nicht die allgemeine Erkenntnis, daß sich eine unvermietete Wohnung besser verkaufen läßt als eine vermietete (LG Mainz, WuM 1987, 394), doch ist eine Hinderung des Verkaufes und damit der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung dann anzunehmen, wenn es einem Eigentümer trotz entsprechender Versuche nicht gelingt, ein Hausgrundstück bzw. eine Eigentumswohnung zu verkaufen, wenn und solange das Mietverhältnis besteht (vgl. Emmerich-Sonnenschein, Miete, § 564b Rdnr. 61). Die Kl. haben unwidersprochen vorgetragen, daß sie sich seit längerer Zeit um den Verkauf der Wohnung bemüht haben. Die Wohnung sei von ihnen verschiedenen Interessenten angeboten worden, die jedoch sämtlich die 76 qm große Wohnung selbst nutzen und nicht etwa als Anlageobjekt erwerben wollten. Beispielhaft haben die Kl. die Herren W und S genannt. Während der Zeuge W von dem Kauf Abstand genommen habe, nachdem der Bekl. ihm erklärt habe, daß er keinesfalls freiwillig die Wohnung räumen werde, hält der Interessent S sein Angebot zum Kauf der Wohnung zu einem Preis von 183000 DM aufrecht, falls ihm die Wohnung geräumt zur Verfügung gestellt wird. Angesichts dieser Darlegungen ist der Vortrag des Bekl., die Wohnung sei auch vermietet jederzeit „zu einem angemessenen und marktüblichen Preis kurzfristig zu veräußern“ zu pauschal geblieben. Der vom Bekl. insoweit angetretene Beweis durch Sachverständigengutachten vermag einen substantiierten Vortrag nicht zu ersetzen.
Durch den Fortbestand des Mietverhältnisses und die hiermit verbundene Hinderung an der Veräußerung der Eigentumswohnung würde den Kl. auch ein erheblicher Nachteil entstehen. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein erheblicher Nachteil entstehen würde, sind, entgegen der Auffassung des Bekl., nicht nur solche wirtschaftlichen Einbußen zu berücksichtigen, die unmittelbar das Grundstück bzw. die Eigentumswohnung betreffen, sondern auch solche, die ein Vermieter in anderen Bereichen seiner privaten oder beruflichen wirtschaftlichen Betätigung erleidet (BVerfG, NJW 1989, 972 (973)). Derartige wirtschaftliche Vermögenseinbußen können bereits darin zu sehen sein, daß ein Vermieter bei fortbestehendem Mietverhältnis einen geringeren Verkaufserlös erzielt, aber auch darin, daß er, steht ihm der Veräußerungserlös nicht zur Verfügung, in anderen Bereichen seiner wirtschaftlichen Betätigung zu Kreditaufnahmen und Tragung entsprechender Belastungen gezwungen ist. Letzteres zumindest dann, wenn die hierdurch entstehenden Belastungen nicht durch Einnahmen aus dem Grundeigentum gedeckt werden können (vgl. BVerfG, NJW 1989, 972). Die Kl. haben dargetan, daß bei der von ihnen beabsichtigten Ablösung des zur Zwischenfinanzierung aufgenommenen Darlehens in Höhe von 100000 DM eine monatliche Belastung von 546 DM verbliebe. Bei unterbleibender Veräußerung bzw. unterbleibender Rückführung des Kredites und im Jahr 1991 erforderlichem entsprechenden Neuabschluß zu einem höheren Zinssatz bestünden hingegen monatliche Belastungen in Höhe von 1337,72 DM, mithin eine um über 140 % höhere monatliche Belastung, zu deren Tragung die Kl. sich auf Dauer außerstande sehen. Daß es sich bei dem Kredit, den die Kl. abzulösen beabsichtigen, nicht um einen Kredit handelt, der zum Erwerb der streitgegenständlichen Eigentumswohnung aufgewandt worden ist, ist entsprechend den obigen Ausführungen unbeachtlich. Hinsichtlich der Möglichkeit der Kl., im Zusammenhang mit den bei einer Neuaufnahme des Darlehens verbundenen Zinszahlungen steuerliche Vorteile zu ziehen, wird auf die zutreffenden Ausführungen des AG verwiesen, die der Bekl. mit seiner Berufung insoweit auch nicht angegriffen hat. Die bei unterbleibender Veräußerung der Eigentumswohnung erforderliche Neuaufnahme eines Kredites in Höhe von 100000 DM und die hiermit verbundenen monatlichen Mehrbelastungen stellen nach Auffassung der Kammer auch einen erheblichen Nachteil dar. Die Kl. wären hierdurch in einem Maße in ihrer wirtschaftlichen und privaten Gestaltungsfreiheit eingeschränkt, das nicht mehr zumutbar erscheint. Es ist insoweit darauf hinzuweisen, daß es zur Erheblichkeit des Nachteiles nicht etwa einer Vermögenseinbuße bedarf, die einen Umfang erreicht, daß hierdurch die wirtschaftliche Existenz des Vermieters in Frage stünde (vgl. BVerfG, NJW 1989, 972 (973)).
Die Kl. sind auch nicht gehindert, sich auf den dargelegten Nachteil zu berufen, weil ihnen dieser bereits bei Abschluß des Mietvertrages bekannt gewesen wäre (vgl. AG Nürnberg, WuM 1988, 366). Zum einen ist die gesamte finanzielle Belastung der Kl. während des laufenden Mietverhältnisses um 34000 DM gestiegen, da die Kl. in Höhe dieses Betrages ein Darlehen aufgenommen haben, um Reparaturen an ihrem Eigenheim vornehmen zu können. Zum anderen konnte ihnen bei Abschluß des Mietvertrages nicht bekannt sein, daß sie bei Neuaufnahme des ursprünglich mit 6 % jährlich zu verzinsenden Darlehens infolge gestiegenen Zinsniveaus nunmehr Zinsen von mindestens 9,5 % jährlich entrichten müßten.
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