Klage des biologischen Vaters gegen anerkannte Vaterschaft

Gericht

OLG Köln


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

30. 08. 2001


Aktenzeichen

14 UF 119/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Eine positive Vaterschaftsfeststellungsklage des (angeblichen) biologischen Vaters ist unzulässig, wenn die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Das gilt auch dann, wenn die Mutter nicht verheiratet ist oder mit dem (angeblichen) biologischen Vater längere Zeit zusammengelebt hat.

  2. Der (angebliche) biologische Vater kann ein wirksam abgegebenes Vaterschaftsanerkenntnis eines anderen Mannes nicht anfechten.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der ausländische Kl., der in Deutschland vor dem Abschluss seines Medizinstudiums steht, möchte mit der am 20. 9. 2000 eingereichten Klage als Vater des am 7. 11. 1998 geborenen Bekl. festgestellt werden. Am 23. 10. 2000 hat M die Vaterschaft anerkannt, dem die Mutter des Kindes zugestimmt hat. Die entsprechende Urkunde ist vorgelegt worden. Der Kl. behauptet, zwischen ihm und der Mutter des Kindes habe im Empfängniszeitraum eine enge persönliche freundschaftliche Beziehung mit Sexualkontakten bestanden, bei der Geburt sei er im Kreißsaal gewesen und von Januar bis Mitte März 1999 habe er mit Mutter und Kind zusammen gewohnt und das Kind während der Berufstätigkeit der Mutter beaufsichtigt. Er sei bereit gewesen, die Vaterschaft anzuerkennen. Das sei von der Mutter aber hintertrieben worden. M sei entgegen dem Anerkenntnis nicht der leibliche Vater des Kindes.

Das AG - FamG - hat die Vaterschaftsfeststellungsklage (als unzulässig) abgewiesen und auch den Hilfsantrag (Anfechtung des Anerkenntnisses durch den Kl.) für unzulässig gehalten. Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. Das AG hat den Hauptantrag auf Feststellung der Vaterschaft des Kl. mit Recht als unzulässig abgewiesen, da die Feststellung der Vaterschaft gem. § 1600d I BGB unzulässig ist, wenn bereits die Vaterschaft eines anderen Mannes gem. § 1592 Nr. 2 BGB besteht.

Gem. § 1600 BGB ist berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, nur der Mann, dessen Vaterschaft nach §§ 1592 Nr. 1, 2 und 1593 BGB besteht, die Mutter und das Kind. Daraus folgt, dass auch der Hilfsantrag unzulässig ist, denn ein anderer Mann darf das Vaterschaftsanerkenntnis nicht anfechten.

1. a) Die gerichtliche Feststellung der positiven Vaterschaft ist nicht zulässig, solange die Vaterschaftsanerkennung eines anderen Mannes besteht, denn nach § 1600d I BGB ist die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft nur möglich, wenn keine Vaterschaft nach §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB besteht. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - das Anerkenntnis und die Zustimmung der Mutter dazu erst im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens abgegeben worden sind, denn die Wirksamkeit des Anerkenntnisses ist nicht davon abhängig, dass nicht ein anderer Mann bereits eine positive Vaterschaftsklage erhoben hat, sondern nach § 1594 II BGB nur davon, dass nicht die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Gegen die Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses von M bestehen ansonsten keine Bedenken.

Der BGH (NJW 1999, 1632 = FamRZ 1999, 716) hat in Auseinandersetzung mit den im Gesetzgebungsverfahren erhobenen Gegenstimmen ausgeführt, dass der Gesetzgeber die positive Vaterschaftsfeststellung bewusst auf die Fälle beschränkt hat, in denen keine anderweitige Vaterschaft besteht. Die Klage eines anderen Mannes - auch des biologischen Vaters - laufe regelmäßig dem Wohl der „sozialen Familie“ zuwider, wenn die übrigen Beteiligten die ihnen zustehenden Anfechtungsrechte nicht ausübten. Dem folgt der Senat, auch unter Berücksichtigung der Gegenstimmen (s. unten), die nach der Entscheidung des BGH erhoben worden sind.

Zwar ist der biologische Vater grundsätzlich Träger des Elternrechts nach Art. 6 II 1 GG (BVerfG, NJW 1995, 2155 = FamRZ 1995, 789 [792]). Daraus folgt aber nicht, dass der Gesetzgeber dem biologischen Vater auch eine positive Vaterschaftsfeststellung ermöglichen muss, soweit dem - typischerweise - soziale Tatbestände entgegenstehen, wie die Ehe der Mutter oder das Anerkenntnis eines anderen Mannes (BVerfG, NJW 1995, 2155 = FamRZ 1995, 789 [792]). Dem Interesse des biologischen Vaters steht in diesen Fällen sowohl das ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Interesse des Kindes entgegen, ungestört in den gewohnten sozialen Bindungen aufwachsen zu können, als auch das Interesse der Mutter, im eigenen Interesse diese sozialen Bindungen ungestört zu erhalten. Es liegt im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsbefugnis, eine Feststellungsklage des biologischen Vaters in diesen Fällen auszuschließen. Ein Verstoß der gesetzlichen Regelung gegen Art. 6 GG ist daher nicht festzustellen.

Das gilt nicht nur in den Fällen, in denen die Mutter mit einem anderen Mann verheiratet ist, sondern auch in den Fällen, in denen sie mit einem anderen Mann in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft lebt oder mit dem Kind allein lebt und aus sonstigen Gründen die Feststellung der Vaterschaft eines bestimmten Mannes nicht wünscht. Wenn ein anderer Mann die Vaterschaft anerkannt hat, ist das nicht weniger ein Indiz für eine bestehende soziale Bindung, als es die Ehe ist.

b) Der Gesetzgeber hat in § 1595 BGB zur Wirksamkeit eines Anerkenntnisses bestimmt, dass die Mutter ihm zustimmen muss. Ihr soll kein „Vater“ aufgezwungen werden, und sie soll auch von der Notwendigkeit eines Prozesses verschont bleiben. Das verlangen - wie der BGH mit Recht sagt - der Schutz der Mutter und des Kindes. Weder in dem Fall, in dem die Mutter nicht verheiratet ist oder war, noch in den Fällen, in denen der Kl. mit der Mutter in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt hat, ist die gesetzliche Regelung als verfassungswidrig anzusehen oder ist eine verfassungskonforme Interpretation der Vorschriften geboten.

Vorschläge zur verfassungskonformen Interpretation reichen von Ausnahmen für die Fälle, in denen Mutter und biologischer Vater längere Zeit zusammengelebt haben (Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Aufl., § 1600 Rdnr. 5 in Ablehnung der Entscheidung des BGH), bis zur generellen Ausnahme für die Fälle, in denen die Mutter nicht (mehr) verheiratet ist, falls nicht der Schutz des Kindes eine Klageeinschränkung erfordert (so Schumann, FamRZ 2000, 389 [391]; vgl. auch Helms, FamRZ 1997, 913ff.). Beidem ist nicht zuzustimmen:

aa) Die Abgrenzungskriterien „längere“ Zeit und „Schutz des Kindes“ sind für Zulässigkeitsfragen zu unscharf. Mutter und Kind sollen schon davor geschützt werden, überhaupt in einen solchen Prozess hereingezogen zu werden, der - wie hier - bei (unwiderleglicher) Armut des Kl. auch eine erhebliche Kostenbelastung mit sich bringt. Es ergäbe sich die Notwendigkeit zu prüfen - oft durch Beweisaufnahme -, ob eine enge Beziehung zwischen dem eventuellen biologischen Vater bestanden hat, ob im Einzelfall die psychologische Entwicklung des Kindes durch einen „neuen“ Vater gefährdet wäre. Bejahendenfalls müssten sich die Bet. einem Abstammungsgutachten unterziehen, dessen Ausgang ungewiss ist.

bb) Die unverheiratete Mutter ist nicht weniger schutzwürdig als die verheiratete Mutter. Schon die generelle gesetzliche Gleichstellung des nicht ehelichen mit dem ehelichen Kind spricht dagegen, die Feststellung der Vaterschaft/Anfechtung des Anerkenntnisses nur dann nicht zuzulassen, wenn die Mutter verheiratet ist oder war. Der Lebenskreis der Mutter ist nicht nur im Rahmen einer Ehe, sondern auch bei einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft oder einem sonstigen Zusammenleben schutzwürdig. Die Frage, ob einer Ehe eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (BGBl 2001 I, 266) gleichzustellen wäre, kann daher offen bleiben. Ein Mann soll sich ihr generell nicht als Vater des Kindes aufdrängen können, wenn eine andere Vaterschaft besteht.

cc) Die „Rechte“ des biologischen Vaters erfordern eine Feststellung nicht. Auch in Fällen des „Samenraubs“ handelt der Mann freiwillig. Die Rechtsordnung darf anstelle einer rein biologischen Betrachtungsweise soziale Bindungen durch den Ausschluss der Vaterschaftsfeststellung schützen. Wenn der Dritte Vater sein will, kann er die Frau vorher heiraten oder in den Zeiten des Einvernehmens ein Vaterschaftsanerkenntnis abgeben, dem die Mutter dann zustimmen wird. Damit sind seine Rechte genug geschützt, ansonsten handelt er „auf eigene Gefahr“. Jedenfalls wiegen die Beeinträchtigungen von Mutter und Kind im Falle ihres Nichteinverständnisses und des gleichzeitigen Bestandes einer anderen Vaterschaft schwerer.

Ein Verstoß der gesetzlichen Regelung gegen Art. 6, Art. 1 III GG ist aus diesen Gründen zu verneinen. Gegen Art. 1 III GG wegen Verletzung der Menschenwürde des Kindes - so die Berufung - verstößt die gesetzliche Regelung schon deshalb nicht, weil dem Kind die Anfechtung des Vaterschaftsanerkenntnisses und die anschließende positive Feststellungsklage möglich sind.

2. Auch eine isolierte Abstammungsfeststellungsklage nach § 256 ZPO ist unzulässig, da § 1600d I BGB insoweit eine abschließende Sonderregelung darstellt (in diesem Sinne auch Gaul, FamRZ 2000, 1459 [1474]).

3. Aus § 1600 BGB ergibt sich, dass das Anerkenntnis nur vom Anerkennenden, der Mutter oder dem Kind, also nicht einem Dritten, angefochten werden kann. Aus dem Gesagten folgt, dass diese Begrenzung der Anfechtungsberechtigten auch dann gilt, wenn der (angebliche) biologische Vater auf diesem Wege die Voraussetzungen einer positiven Vaterschaftsfeststellungsklage schaffen will.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht; Nichteheliche Lebensgemeinschaft

Normen

BGB §§ 1600, 1600d I