Unzumutbare Belästigung durch Hundegebell

Gericht

OLG Nürnberg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

25. 04. 1991


Aktenzeichen

8 U 99/91


Leitsatz des Gerichts

Das Bellen von bis zu zwölf gleichzeitig auf dem Grundstück versammelten Hunden (vier ausgewachsene und acht junge Schäferhunde) zu unterschiedlichen Tageszeiten, beginnend am frühen Morgen und fortdauernd bis gelegentlich in die späte Nacht, ist für das Grundstück des Nachbarn eine erhebliche Störung i. S. von § 906 BGB und überschreitet die Grenzen dessen, was ein Nachbar an Störung hinzunehmen hat. Das Verlangen der Unterlassung der Hundezucht ist deshalb gerechtfertigt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. verlangt vom Bekl., die Hundezucht auf dem Nachbargrundstück wegen Lärmbelästigung zu unterlassen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Kl. ist gem. §§ 1004, 906 BGB berechtigt, von dem Bekl. die Unterlassung der Hundezucht auf seinem Grundstück zu verlangen. Nach diesen Vorschriften kann der Eigentümer die Unterlassung solcher von dem Nachbargrundstück ausgehenden erheblichen Geräusche verlangen, die nicht durch eine ortsübliche Benutzung verursacht sind und mit deren Auftreten auch künftig zu rechnen ist.

1. Die Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Senats ergeben, daß die Hundezucht, welche der Bekl. auf seinem an das des Kl. angrenzenden Grundstück seit vielen Jahren betreibt, die Ursache wesentlicher Geräuschbeeinträchtigung des kl. Grundstücks ist.

Der Bekl. hat, wie unter den Parteien unstreitig, im Jahre 1990 von Ende Mai bis im November vier ausgewachsene und bis zu acht junge Schäferhunde auf seinem Grundstück gehalten. Bezüglich des von den Tieren verursachten Lärms folgt der Senat den glaubhaften Angaben der Zeugin A. Diese hat bekundet, daß die Tiere in der fraglichen Zeit täglich schon in den frühen Morgenstunden, beginnend mitunter um 4.15 Uhr sowie tagsüber und bis in die späte Nacht, oft bis 22.00 Uhr, laut gebellt und häufig, mit einer Blechdose spielend, laut klappernde Geräusche verursacht haben.

Der Senat verkennt nicht, daß die Zeugin als Ehefrau des Kl. und als Nachbarin des Bekl., die sich von dem Bellen der Hunde gestört fühlt, ein erhebliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat. Die Aussage steht aber im Einklang mit der Lebenserfahrung. Diese lehrt, daß eine Gesellschaft von bis zu zwölf Hunden sich zu nahezu allen Tageszeiten durch Bellen bemerkbar macht und sich gegenseitig dazu ermuntert. Die Aussage wird ferner unterstützt durch Aufzeichnungen der Zeugin in zwei Kalendern, die Gegenstand mündlicher Verhandlung waren. Darin hat sie auf Anraten des Klägervertreters Notizen über das Bellen der Hunde des Bekl. gefertigt. Diese Aufschreibungen umfassen die Zeit vom 15. 8. 1990 bis 25. 11. 1990 und verzeichnen Hundgebell häufig schon ab 4.30 Uhr, fast täglich mindestens ab 5.30 Uhr, regelmäßig tagsüber und wiederholt bis nach 20.00 Uhr. Die Aussage findet außerdem teilweise sogar Bestätigung durch die Angaben der Zeugen B, Ehefrau und Sohn des Bekl. Auch nach deren Aussage haben die Hunde schon morgens um 5.30 Uhr angeschlagen und sind am Abend erst um 20.00 Uhr bis 20.30 Uhr zur Ruhe gekommen. Allerdings haben diese Zeugen das frühmorgendliche Bellen der Hunde dahin eingeschränkt, daß es nicht immer vorgekommen sei. Soweit sie damit zum Ausdruck bringen wollten, es sei nur in seltenen Fällen zu diesen ungewöhnlichen Zeiten aufgetreten, hält der Senat dies für eine Beschönigung.

Das Bellen der bis zu zwölf gleichzeitig auf dem Grundstück des Bekl. versammelten Hunde zu unterschiedlichen Tageszeiten, beginnend am frühen Morgen und fortdauernd bis gelegentlich in die späte Nacht, ist für das Grundstück des Kl. eine erhebliche Störung i. S. von § 906 BGB und überschreitet bei weitem die Grenzen dessen, was ein Nachbar an Störung durch den anderen hinzunehmen hat (vgl. LG Baden-Baden, MDR 1958, 604).

Wenn das LG bei der Einnahme eines Augenscheins auf dem Grundstück des Bekl. festgestellt hat, das Bellen sei nicht besonders störend, so ist dabei nicht hinreichend berücksichtigt, daß sich damals nur vier Welpen im Zwinger des Bekl. befanden, während vier weitere ausgewachsene Hunde sich in dessen Wohnhaus aufhielten, und daß ferner von dem während der Tageszeit entwickelten Lärm nicht dieselbe Störung ausgeht wie in den frühen Morgenstunden und des Nachts, wenn die tagsüber vorhandene Geräuschkulisse fehlt.

2. Der Kl. hat sich die Störung nicht selbst zuzuschreiben. Zwar haben die Zeugen bekundet, daß die Hunde gelegentlich durch Steinwurf, durch Nachäffen oder durch das Erscheinen des Hundes des Kl. von dessen Grundstück aus zum Bellen gereizt worden sind. Das ist jedoch nicht Ursache des regelmäßigen und über den ganzen Tag verteilten Bellens der Hunde des Bekl.

3. Der Kl. braucht den Hundelärm auch nicht deswegen hinzunehmen, weil er etwa ortsüblich wäre. Auch insoweit kann der Senat der Auffassung des LG nicht folgen. Ortsüblich ist in der Nachbarschaft der Parteien das Halten von ein oder zwei Hunden auf einem Grundstück. Etwas anderes ist jedoch die Unterhaltung einer Hundezucht. Sie ist in dem Wohngebiet, in dem sich die Grundstücke der Parteien befinden, nicht üblich. Das Abwehrrecht des Kl. wird auch nicht dadurch abgeschwächt oder ausgeschlossen, daß er die Hundezucht des Bekl. jahrelang ohne ernsthaften Protest hingenommen hat.

4. Die von der Beweisaufnahme bestätigte erhebliche Störung besteht gegenwärtig nur noch mit Einschränkung. Der Bekl. hält nämlich derzeit nur vier ausgewachsene Schäferhunde auf seinem Grundstück, die nach der glaubwürdigen Aussage der Zeugin A nur bei gleichzeitigem Aufenthalt aller vier Tiere auf dem Grundstück des Bekl. außerhalb seines Wohnhauses durch ihr lautes Bellen eine erhebliche Störung verursachen. Darüber hinaus ist jedoch auch für die Zukunft eine ähnliche Störung wie während der Sommer- und Herbstmonate 1990 zu befürchten, weil der Bekl. seine Hundezucht fortsetzen will und deshalb mit dem Auftreten von jungen Hunden vom Frühsommer an gerechnet werden muß.

5. Gegenstand des Verfahrens ist nur das Betreiben der Zucht von Schäferhunden auf dem Grundstück des Bekl. Nur diese ist als eine unannehmbare Lärmbelästigung für das Grundstück des Kl. dem Bekl. zu untersagen. Dagegen hat der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob der Kl. das Bellen, welches die vier derzeit auf dem Grundstück des Bekl. gehaltenen ausgewachsenen Tiere zu unterschiedlichen Tageszeiten vernehmen lassen, hinnehmen muß. Dem Bekl. wird jedoch zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten dringend empfohlen, dafür zu sorgen, daß sich, namentlich während der geräuscharmen Tageszeiten, der von den Tieren verursachte Lärm im Rahmen des Ortsüblichen hält.

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht

Normen

BGB §§ 1004, 906