Lärmbelästigung durch Hundegebell
Gericht
VGH Mannheim
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
28. 11. 1995
Aktenzeichen
1 S 3201/94
Sind nach einer örtlichen Polizeiverordnung Hunde so zu halten, daß niemand durch anhaltendes Bellen oder Heulen mehr als nach den Umständen unvermeidbar gestört wird, so kann ein Verstoß hiergegen die ordnungsbehördliche Anordnung rechtfertigen, die Hunde in der Zeit von 22 Uhr abends bis 6 Uhr morgens in einem geschlossenen Gebäude zu halten.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. und seine Mutter hielten bis Mitte Dezember 1993 auf dem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück in Waldbrunn-Waldkatzenbach zwei Rottweiler-Hunde; derzeit wird lediglich ein Hund auf dem Grundstück gehalten. Ab dem Jahre 1992 beschwerte sich ein Nachbar wiederholt darüber, daß die Hunde insbesondere während der Nachtzeit "länger jaulen und bellen". Nach weiteren Beschwerden gab die Bekl. unter Anordnung der sofortigen Vollziehung dem Kl. gegenüber auf, die Hunde abends ab 22 Uhr bis morgens 6 Uhr in einem Gebäude so einzusperren, daß Nachbarn nicht durch das Jaulen und Bellen der Tiere beeinträchtigt werden.
Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Rechtsgrundlage der an den Kl. gerichteten Anordnung, die Hunde in der Zeit von 22 Uhr abends bis 6 Uhr morgens in einem Gebäude so einzusperren, daß Nachbarn nicht durch das Jaulen oder Bellen der Tiere beeinträchtigt werden, sind die §§ 1 I 1 und 3 BadWürttPolG i.V. mit § 6 der Polizeiverordnung der Bekl. (PolVO) gegen umweltschädliches Verhalten vom 16. 8. 1976 (zum Vorgehen gegen Hundegebell auf der Grundlage der polizeilichen Generalkausel vgl. grundsätzlich VGH Mannheim, VBlBW 1982, 142 im Anschluß an VGH Mannheim, DÖV 1975, 608). Danach hat die Polizei die Aufgabe, von dem einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist (§ 1 I 1 BadWürttPolG). Dabei hat die Polizei zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen (§ 3 BadWürttPolG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten der Bekl. als der zuständigen Behörde (§§ 62 IV, 66 II BadWürttPolG) wegen Störens der öffentlichen Sicherheit liegen vor. Die öffentliche Sicherheit wird in ihrer gemeinschaftsbezogenen Schutzrichtung verletzt, weil gegen die Vorschrift des § 6 der örtlichen Polizeiverordnung verstoßen wurde. Bedenken gegen die Gültigkeit der gem. § 10 BadWürttPolG ergangenen örtlichen Polizeiverordnung sind nicht ersichtlich, insbesondere ist sie zwischenzeitlich noch nicht außer Kraft getreten (vgl. § 17 I BadWürttPolG). Nach § 6 PolVO der Bekl. sind Hunde so zu halten, "daß niemand durch anhaltendes Bellen oder Heulen mehr als nach den Umständen unvermeidbar gestört wird". Definiert eine Verordnung, wie in § 6 PolVO der Bekl., ein Gebot bzw. Verbot, so entstehen dadurch öffentlichrechtliche Verhaltenspflichten, deren Beachtung im öffentlichen Interesse liegt und die den Begriff der Bedrohung der öffentlichen Sicherheit i.S. des § 1 BadWürttPolG konkretisieren. Bei der angegriffenen Ordnungsverfügung handelt es sich um eine vorbeugende Maßnahme zur Gefahrenabwehr, hier durch die Abwehr von konkret möglichen Gesundheitsschäden durch nächtliches Hundegebell. Das polizeiliche Schutzgut der öffentlichen Sicherheit umfaßt grundsätzlich auch die Gesundheit der Bürger (vgl. VGH Mannheim, NVwZ 1988, 166). Etwas anderes folgt auch nicht, wie das VG zutreffend festgestellt hat, aus dem polizeirechtlichen Subsidiaritätsprinzip des § 2 II BadWürttPolG, wonach der Schutz privater Rechte der Polizei grundsätzlich nicht obliegt. Zwar geht es hinsichtlich der Wohnruhe und der Gesundheit auch um private Rechte des betroffenen Nachbarn; gleichzeitig dokumentiert § 6 PolVO der Bekl. aber das öffentliche Interesse am Schutz dieser Rechtsgüter.
Es ist davon auszugehen, daß der Kl. mit seiner Hundehaltung gegen das Gebot, Hunde so zu halten, daß niemand durch anhaltendes Bellen oder Heulen mehr als nach den Umständen unvermeidbar gestört wird (§ 6 PolVO), verstoßen und zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt auch die Gefahr künftiger Verstöße bestanden hat. Dies ist in den Gründen des angegriffenen Urteils zutreffend ausgeführt, so daß der Senat hierauf Bezug nehmen kann (§ 130b VwGO).
Zum Berufungsvorbringen ist lediglich - teilweise - wiederholend und ergänzend auszuführen: Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Polizeibehörde der Bekl. aus den Aufzeichnungen des nächtlichen Hundegebells durch den Nachbarn und den erfolgten Anzeigen wegen nächtlicher Ruhestörung unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten, wie sie auch vom VGanläßlich einer Augenscheinseinnahme festgestellt und vom Kl. nicht in Abrede gestellt wurden, geschlossen hat, daß es durch das Halten der Hunde in einem nach drei Seiten offenen Zwinger unmittelbar an der Grenze zu dem betroffenen Anrainer zu Lärmbelästigungen durch nächtliches Hundegebell kommen kann, die ein polizeiliches Einschreiten rechtfertigen. Angesichts der besonderen Schutzwürdigkeit der Nachtruhe und der besonderen örtlichen Gegebenheiten reicht für ein ordnungsbehördliches Einschreiten auch schon die Ruhestörung des unmittelbaren Anrainers aus (vgl. auch VG Münster, NVwZ 1993, 297 (298)). Der von der Polizeibehörde festgestellten nächtlichen Ruhestörung durch Hundegebell kann der Kl. nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß seine weiteren Nachbarn nicht über nächtliches Hundegebell geklagt haben. Dies entspricht zwar der vom Polizeivollzugsdienst durchgeführten Anhörung der Nachbarn des Kl., wonach diese das nächtliche Hundegebell nicht wahrgenommen haben. Deren Aussagen sind indes im Hinblick auf die Lärmbelästigungen für den betroffenen Nachbarn deshalb nur bedingt aussagekräftig, weil sie ihre Schlafzimmer in der dem Hundezwinger abgewandten Seite ihrer Häuser haben oder weiter entfernt wohnen. Aus diesem Grunde brauchte der Senat auch nicht den im Berufungsverfahren wiederholten Beweisangeboten des Kl. nachzugehen, da es als wahr unterstellt werden kann, daß die vier vom Kl. angebotenen Zeugen nicht über ruhestörenden Lärm durch Hundegebell klagen (vgl. zur gerichtlichen Sachaufklärungspflicht im Falle von Hundegebell zur Nachtzeit BVerwG, NVwZ 1993, 268).
Der Kl. kann gegen die angegriffenen Verfügungen auch nicht mit Erfolg einwenden, daß derzeit lediglich ein Hund in dem Hundezwinger gehalten werde, von dem keinerlei Lärmbelästigung ausgehe. Da es sich bei der angegriffenen Verfügung um eine vorbeugende Maßnahme zur Gefahrenabwehr handelt, kommt es für die Frage der Erheblichkeit der Lärmbelästigung auf den Sach- und Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an (vgl. BVerwGE 49, 36 = NJW 1975, 2158). Im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage ist deshalb die vom Kl. vorgebrachte, angeblich inzwischen eingetretene Verbesserung des Zustands ohne Belang. Daher bedurfte es zum Beweis dafür, daß der noch vorhandene Hund keinen ruhestörenden Lärm verursacht, auch keiner Erhebung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, wie vom Kl. angeregt; durch ein solches Gutachten läßt sich auch nicht klären, ob von den beiden zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung im Hundezwinger gehaltenen Hunden die Gefahr ruhestörenden Lärms ausging.
Die Bekl. hat zur Abwehr der Ruhestörung durch das nächtliche Hundegebell mit dem Kl. auch den richtigen Adressaten in Anspruch genommen. Wird die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch den Zustand einer Sache bedroht oder gestört, so hat die Polizei ihre Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer oder gegenüber demjenigen zu treffen, der die tatsächlich Gewalt über die Sache ausübt (§ 7 BadWürttPolG). Die Störereigenschaft des Kl. ergibt sich hinsichtlich seines Mitte Dezember 1993 verstorbenen Hundes unmittelbar aus seiner Eigentümerstellung; in bezug auf den Hund seiner Mutter folgt sie, wie das VG zutreffend festgestellt hat, daraus, daß der Kl. - zumindest auch - die tatsächliche Sachherrschaft über das Tier ausübt. Zwar ist die Mutter des Kl. als Eigentümerin des derzeit allein auf dem Grundstück gehaltenen Hundes ebenfalls zustandsverantwortlich. Der Bekl. steht bei einer Mehrzahl von Störern aber ein Auswahlermessen zu, das sie - zum maßgeblichen Zeitpunkt - in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt hat. Die Anordnung der Hundehaltung in einem geschlossenen Gebäude in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr ist auch hinreichend bestimmt (§ 37 I BadWürttVwVfG), rechtlich und tatsächlich möglich und insbesondere verhältnismäßig (§ 5 BadWürttPolG). Die von der Bekl. getroffene Verfügung ist objektiv geeignet, die nächtliche Ruhestörung des Nachbarn und die damit verbundenen Gefahren oder Störungen zu beseitigen. Denn durch die Haltung der Hunde in einem Gebäude anstatt im offenen Zwinger ist gewährleistet, daß sich sowohl die Außengeräusche als solche als auch die Anlässe, überhaupt zu bellen, vermindern. Durch die Tierhaltung in einem Gebäude wird eine erhebliche Reduzierung der Lautstärke und der räumlichen Ausbreitung des Gebells erreicht. Dem Kl. steht es dabei frei, den oder die Hunde in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr in seiner Garage/Werkstatt oder im Wohnhaus unterzubringen.
Die Anordnung stellt den geringstmöglichen Eingriff dar, um die von dem nächtlichen Hundegebell ausgehende Lärmbelästigung der Nachbarschaft während der Nachtzeit zu unterbinden. Schließlich wird durch die angegriffene Anordnung auch kein Nachteil herbeigeführt, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg - dem Schutz der Nachtruhe des Nachbarn - steht (§ 5 II BadWürttPolG). Die vom Kl. hervorgehobene Schutz- und Wachfunktion der Hunde ist durch die für die Nachtzeit angeordnete Hundehaltung nicht wesentlich beeinträchtigt oder gar aufgehoben.
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