Zum Regreßanspruch des Scheinvaters

Gericht

OLG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

16. 06. 1999


Aktenzeichen

3 WF 152/99


Leitsatz des Gerichts

Der Scheinvater kann neben seinen diesjährigen Unterhaltsaufwendungen vom Erzeuger auch die Kosten des Vaterschaftsprozesses verlangen. Dies gilt auch dann, wenn der Erzeuger die Vaterschaft noch nicht anerkannt hat und an die Vaterschaft nicht anderweitig rechtskräftig festgestellt wurde.

Entscheidungsgründe


Gründe:

Die Beschwerde des Kl. ist zulässig und führt im wesentlichen auch zum Erfolg.

Der Kl. hat gemäß § 1610 II i. V. mit §§ 1615b und 1607 III S. 2 BGB, der seit dem 1. 7. 1998 an die Stelle von § 1615b I BGB getreten ist, gegen den Bekl. einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Ehelichkeitsanfechtungsprozesses.

Ein derartiger aus dem Unterhaltsanspruch des Kindes abgeleiteter Erstattungsanspruch entspricht mittlerweile std. Rspr.

(vgl. BGH, FamRZ 1988, 387 ff.; BGH, FamRZ 1972, 33 f., sowie LG Dortmund, FamRZ 1994, 654; LG Lüneburg, FamRZ 1991, 1095, 1096; AmtsG Aschaffenburg, FamRZ 1992, 1342).

Die Klärung der Abstammung durch Ehelichkeitsanfechtung mag nicht generell zum Lebensbedarf eines Kindes zählen; dennoch ist von einem durch die Ehelichkeitsanfechtung entstandenen Sonderbedarf auszugehen, der es rechtfertigt, den Erzeuger für die Kosten der Abstammungsklärung aufkommen zu lassen. Daß in dem Anfechtungsverfahren die Verfahrenskosten dem Scheinvater und dem Kind nach § 93c ZPO auferlegt worden sind, ist lediglich Folge der prozessualen Ausgestaltung der Ehelichkeitsanfechtung, die keine verfahrensrechtliche Möglichkeit bietet, dem für die Notwendigkeit des Prozesses verantwortlichen, an ihm aber nicht beteiligten Erzeuger die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Frage ist damit nur noch, ob die Regreßsperre des früheren § 1600a BGB, jetzt § 1600d IV BGB, i.V. mit § 1594 BGB der Geltendmachung entgegensteht, wie das AmtsG angenommen hat. Zwar trifft es im Grundsatz zu, daß der Scheinvater gegen den Erzeuger erst Rückgriff nehmen kann, wenn die Vaterschaft des Erzeugers mit Wirkung für und gegen alle feststeht (so BGH, FamRZ 1993, 696 = NJW 1993, 1195, 1196). In formalisierter Form, nämlich kraft Anerkenntnisses des Bekl. oder auch durch Gerichtsurteil, ist die Vaterschaft des Bekl. aber bislang nicht festgestellt.

Die Notwendigkeit einer formalisierten Feststellung hindert die Durchsetzung aber nicht in jedem Fall. Es gibt vielmehr durchaus Ausnahmen, wenn nämlich die Berufung auf die Regreßsperre gegen Treu und Glauben verstößt (§ 242 BGB). Der Grundsatz von Treu und Glauben setzt der Rechtsausübung dort Schranken, wo sie ansonsten zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit offensichtlich unvereinbaren Ergebnissen führt, und kann auch beim Fehlen einer Vaterschaftsfeststellung durchgreifen (so LG Duisburg, NJW-RR 1996, 1475, 1476; AmtsG Euskirchen, FamRZ 1990, 198, 199).

Der vorliegende Fall bietet die Besonderheit, daß das in dem Ehelichkeitsanfechtungsprozeß erstattete Abstammungsgutachten zu einer Vaterschaft des Bekl. mit einer statistischen Plausibilität von W = 99,999 % kommt, einem Wert, dem das verbale Prädikat „Vaterschaft praktisch erwiesen" zukommt. Der Bekl. bestreitet seine Vaterschaft auch nicht, hat vielmehr mit Schreiben v. 31. 3. 1999 mitgeteilt, daß er für das Kind S., „dessen Vater er sei", Unterhalt leiste; S. lebe mit der Mutter auch in seiner Familie. Er ist darüber hinaus durch rkr. Urteil v. 15. 10. 1998 dazu verurteilt worden, an den Kl. den Betrag von 10.009 DM zu zahlen, den dieser in der Zeit vom 1. 8. 1993 bis 31. 7. 1997 für das nicht von ihm stammende Kind S. aufgebracht hatte. Auch für diesen - in Rechtskraft erwachsenen - Urteilsausspruch lag in der fehlenden formalisierten positiven Vaterschaftsfeststellung des Bekl. kein Hindernis, was offenbar darauf beruht, daß der Bekl. auch in jenem Verfahren seine Vaterschaft nicht in Abrede gestellt hatte.

Da jedenfalls die höchstrichterliche Rspr. das Vorliegen von Ausnahmefällen von der Regreßsperre des § 1600d IV BGB nicht ausschließt (in dem der Entscheidung des BGH, FamRZ 1993, 696 = NJW 1993, 1195, 1196, zugrunde liegenden Fall hatte der Bekl. seine Vaterschaft bestritten) und die Rspr. auch sonst Ausnahmen zuläßt (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl., § 1600d Rz. 30, m.w.N.), darf dem Kl. die Möglichkeit nicht abgeschnitten werden, die Rechtsfrage höchstrichterlich klären zu lassen. Damit ist ihm für den ersten Rechtszug Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Sollte er in der Zwischenzeit auf die Kosten weitere Zahlungen geleistet haben, deckt die bewilligte Prozeßkostenhilfe die Umstellung von der Freistellung auf einen Zahlungsantrag ab.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht