Mahnung von Kindesunterhalt und Erwerbsobliegenheit vor Antritt einer Lehrstelle
Gericht
OLG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
03. 03. 1999
Aktenzeichen
3 WF 187/98
Mahnt ein Elternteil den Anspruch des Minderjährigen auf Kindesunterhalt an, so muß er kraft Gesetzes oder kraft Vollmacht zur Vertretung berechtigt sein.
Bis zum Beginn einer Ausbildung / Lehrstelle wird einem 16 1/2 jährigen zugemutet, teilweise erwerbstätig zu sein (hier 10 Stunden pro Woche).
Auszüge aus den Gründen:
Die gemäß § 127 II S. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet. Die Verteidigung des Bekl. gegen die Klage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO), so daß dem Bekl., dessen Bedürftigkeit i. S. von § 114 S. 1 ZPO vorliegt, Prozeßkostenhilfe [PKH] zu bewilligen ist.
I.
Was die von der Kl. geltend gemachten Unterhaltsansprüche für
die Zeit bis zum Zugang der Klageschrift/des PKH-Gesuchs v. 21.
10. 1997 angeht, ist die Rechtsverteidigung des Bekl. entgegen
der Ansicht des AmtsG hinreichend erfolgversprechend, weil nach
dem bisherigen Sach- und Streitstand zu Lasten der insoweit
darlegungs- und beweispflichtigen Kl. nicht festgestellt werden
kann, daß die Voraussetzungen des § 1613 I BGB gegeben sind.
1. Ob und in welchem Umfang ein Anspruch der Kl. auf Leistung von Barunterhalt für die Zeit, in der sie gegen den Willen des sorgeberechtigten Bekl. bei der Mutter lebte, gegenüber dem Bekl. überhaupt in Betracht kommt, bedarf keiner Entscheidung. Insoweit sei allerdings darauf hingewiesen, daß es noch weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien zu den Umständen des Wechsels der Kl. zur Mutter bedürfte, um die gebotene Abwägung der Interessen der Kl. einerseits und des sorgeberechtigten Bekl. andererseits vornehmen zu können.
2. Der Bekl. kann dem Zahlungsbegehren der Kl., soweit dieses die Zeit bis zum Zugang der Klageschrift/des PKH-Gesuchs betrifft, jedenfalls mit Erfolg entgegenhalten, daß es schon nach dem eigenen Vorbringen der Kl. an der Darlegung der Voraussetzungen des § 1613 I BGB fehlt.
Entgegen der Ansicht des AmtsG ist der Bekl. mit dem Zugang des Anwaltsschreibens v. 23. 10. 1996 nicht in Verzug gesetzt worden. Beim Kindesunterhalt Minderjähriger erfordert eine wirksame Mahnung, daß der Elternteil, der die Ansprüche geltend macht, das Kind kraft Gesetzes oder kraft rechtsgeschäftlich wirksam erteilter Vollmacht vertreten kann (vgl. Wendl/Staudigl/Gerhardt, 4. Aufl., § 6 Rz. 121, m.w.N.; OLG Bremen, FamRZ 1995, 1515; KG, FamRZ 1989, 537). Solange der Bekl. allein Inhaber des Sorgerechts war, schied eine Vertretung der Kl. durch ihre Mutter i. S. gesetzlicher Vertretung aus. Es kann nach dem bisherigen Vorbringen der Kl. aber auch nicht festgestellt werden, daß dem Anwaltsschreiben v. 23. 10. 1996 eine wirksame rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung durch die Kl. zugrunde lag. Dies hat die Kl. bisher auch nicht behauptet. Es braucht daher nicht entschieden zu werden, ob eine Bevollmächtigung seitens der Kl. nach § 107 BGB wirksam erfolgen konnte.
Entgegen der Ansicht des AmtsG läßt sich mit Blick auf das Schreiben v. 23. 10. 1996 eine wirksame Mahnung auch nicht mit einem Hinweis auf den § 180 S. 2 BGB und eine Genehmigung durch die Kl. gemäß § 177 I BGB begründen.
Eine Zurückweisung i. S. von § 180 S. 2 BGB konnte nicht erwartet werden, weil dem Schreiben v. 23. 10. 1996 schon nicht hinreichend deutlich zu entnehmen war, daß die Erteilung einer Vollmacht durch die Kl. behauptet werden sollte. Ausdrücklich sind die Anwälte allein als Interessenvertreter der „geschiedenen Ehefrau" aufgetreten. Der Annahme, daß der Bekl. jedenfalls mit einem vollmachtlosen Handeln der geschiedenen Ehefrau für die Kl. einverstanden war, steht ohne weiteres bereits der Inhalt des Antwortschreibens v. 19. 12. 1996 entgegen (vgl. zur Anwendung von § 180 S. 2 BGB auch: Wendl/Staudigl/Gerhardt, a.a.O.; OLG Bremen, a.a.O.).
II.
Die Rechtsverteidigung des Bekl. hat über die PKH-Bewilligung
durch das AmtsG auch in vollem Umfang hinreichende Aussicht auf
Erfolg, soweit die Kl. Ansprüche für die Zeit nach der
Übertragung der elterl. Sorge auf ihre Mutter verfolgt.
Die Kl. war nämlich in dieser Zeit gehalten, ihren Bedarf selbst zu decken. Gemäß § 1602 I BGB ist unterhaltsberechtigt nur derjenige, der außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Dies gilt auch für Minderjährige (vgl. OLG Düsseldorf - 5. FamS -, FamRZ 1990, 194). Es geht dabei nicht darum, daß der Kl. zugemutet wird, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen oder eine dauerhafte Arbeitsstelle zu erlangen. Vielmehr genügte es bis zum Antritt der Ausbildungsstelle, daß die Kl. einer Teilerwerbstätigkeit nachging, die auf Stundenbasis abgerechnet wurde. Im Streit ist lediglich ein zu deckender Bedarf i. H. von monatlich 392 DM. Um diesen Bedarf decken zu können, hätte es bei einem ohne weiteres erzielbaren Stundenlohn von 10 DM lediglich einer Arbeitstätigkeit von etwa zehn Stunden in der Woche bedurft. Eine entsprechende Tätigkeit wird aber etwa in Geschäften - zur Auffüllung von Regalen etc. - oder im Betreuungsbereich - vor allem Babysitten - angeboten. Solche Tätigkeiten sind der Kl. auch angesichts ihres Alters zumutbar. Denn im September 1997 war sie bereits 161/2 Jahre alt, also durchaus in der Lage, eine Arbeit während der Übergangszeit auszuüben.
Im übrigen ist auch nicht ersichtlich, insbesondere von der Kl. nicht konkret vorgetragen worden, warum es ihr nicht trotz des absehbaren Endes des Schulbesuches gelungen ist, alsbald eine Ausbildungsstelle zu erhalten und anzutreten.
III.
Da somit Unterhaltsansprüche der Kl. während der Dauer der beim
Bekl. liegenden elterl. Sorge nach ihrem bisherigen Vorbringen
nicht festgestellt werden können, danach aber eine
Teilerwerbstätigkeit zumutbar war, um den Bedarf zu decken,
kommt es nicht darauf an, ob der Bekl. in genügender Weise
leistungsfähig war, um Unterhalt an die Kl. zahlen zu können.
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