Belästigung des Nachbarn durch Tierlärm
Gericht
OLG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
10. 01. 1990
Aktenzeichen
5 Ss (OWi) 476/89 - (OWi) 198/89 I
Das schrille, über Stunden andauernde Pfeifen eines Graupapageis, der in einer Wohnung eines Mehrfamilienhauses in reiner Wohngegend gehalten wird, übersteigt die in einer solchen Gegend ortsübliche Lärmbelästigung durch Tiere erheblich und muß nicht hingenommen werden.
Das AG hatte gegen die Betr. wegen Zuwiderhandlung gegen § 12 NRWImSchG gem. § 17 II NRWImSchG eine Geldbuße von 100 DM festgesetzt. Hiergegen richtete sich die mit einem Zulassungsantrag verbundene Rechtsbeschwerde der Betr., mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügte. Dem Antrag blieb der Erfolg versagt.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 80 I OWiG nur dann zuzulassen, wenn es geboten erscheint, die Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Das AG hat festgestellt: Die Betr. hält seit 18 Jahren einen Graupapagei, der ca. 19 Jahre alt ist. Sie bewohnt eine in der ersten Etage gelegene Wohnung eines Vierfamilienhauses. Dieses Haus liegt in einer reinen Wohngegend. Tagsüber hält sich die alleinstehende Betr. häufig in der Wohnung ihrer Tochter auf, um das Enkelkind zu betreuen. Während dieser Zeit befindet sich der Graupapagei in der Wohnung der Betr. Seit 1988 gibt er in Abwesenheit der Betr. schrille Pfiffe von sich, die teilweise über einen Zeitraum von zwei Stunden mit kurzen Unterbrechungen andauerten. Dieses Pfeifen ist in der Wohnung der Zeugin C hörbar und hat bei dieser wiederholt zu Kopfschmerzen geführt. Das Pfeifen ist in der Wohnung in der Zeit vom 1. 12. bis 19. 12. 1988 aufgetreten.
I. Die Verfahrensrügen führen nicht zum Erfolg.
1. Soweit die Betr. einen Verstoß gegen § 66 I Nr. 3 OWiG rügt, indem es mangels eines wirksamen Bußgeldbescheides an einer ausreichenden Verfahrensgrundlage fehle, kann dem nicht gefolgt werden. Der Bußgeldbescheid vom 23. 3. 1989 ist hinreichend bestimmt, denn er enthält den Vorwurf, die Betr. habe zu bestimmten Zeiten an einem bestimmten Ort nicht verhindert, daß die Ruhe und Nachtruhe der Zeugin C durch das schrille Pfeifen ihres - der Betr. - Graupapageis erheblich gestört worden sei. Damit steht zweifelsfrei fest, welcher Lebensvorgang erfaßt und geahndet werden soll (BGHSt 23, 337 ff.).
2. Soweit mangelnde Tatidentität zwischen den im Bußgeldbescheid aufgeführten und den dem Urteil des AG zugrunde liegenden Vorgängen in Betracht kommen sollte, wäre ein solcher Mangel gem. § 80 V OWiG unbeachtlich (BGH, NStZ 1989, 183; Göhler, OWiG, 8. Aufl., § 80 Anm. 28; Rebmann-Roth-Herrmann, OWiG, 2. Aufl., § 80 Anm. 21; OWiG, § 80 Anm. 59 f.).
3. Soweit die Betr. rügt, das AG habe entgegen § 77 II OWiG, § 244 II StPO den Hilfsbeweisantrag auf Vernehmung der weiteren Hausbewohner E, A und B zu Unrecht abgelehnt, geht diese Rüge ebenfalls fehl. Rechtsfehlerfrei hat das AG den Hilfsbeweisantrag gem. § 77 II Nr. 1 OWiG abgelehnt.
II. Die durch das AG getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 12 NRWImSchG zur äußeren und inneren Tatseite rechtsbedenkenfrei.
1. a) Nach § 12 NRWImSchG sind Tiere so zu halten, daß niemand durch den von ihnen erzeugten Lärm mehr als nur geringfügig belästigt wird. Wann eine nicht nur geringfügige Belästigung eines anderen vorliegt, hängt von der Ortsüblichkeit entsprechender Beeinträchtigungen, der Tageszeit, der Art und Dauer des erzeugten Tierlärms ab. Von Bedeutung kann auch sein, aus welchen Gründen die Tierhaltung erfolgt (Senat, NVwZ 1984, 197 = NRWJMBl 1983, 65 und NStZ 1988, 561 = NVwZ 1988, 55 = AgrarR 1989, 137; Wiethaup, Lärmbekämpfung in der BRep. Dtschld., 2. Aufl., S. 416 f.).
b) Ohne Rechtsfehler geht das AG davon aus, daß das von dem Graupapagei ausgehende Pfeifen die durch die festgestellte Örtlichkeit (Vierfamilienhaus in reiner Wohngegend) geprägte ortsübliche Lärmbeeinträchtigung durch Tiere erheblich überstieg. Das Pfeifen erstreckte sich nach den Feststellungen über den Zeitraum vom 1. 12. bis 19. 12. 1988. Es erfolgte zu unterschiedlichen Tageszeiten und dauerte zeitweilig bis zu zwei Stunden.
Anhaltspunkte für eine übertriebene Lärmempfindlichkeit der Zeugin C hat das AG nicht als gegeben erachtet. Es hat nämlich in diesem Zusammenhang durch Anhörung des Sachverständigen Dipl.-Biologe O folgendes festgestellt:
Graupapageien hätten eine durchschnittliche Alterserwartung von 30 bis 50 Jahren. Der Papagei der Betr. „stehe in der Blüte seiner Jahre". Je älter Graupapageien würden, desto stärker würden sie Laute geben. Da diese Tiere hochsozial seien und daher Zuwendung durch den Menschen benötigten, würde es bei fehlender Zuwendung zu vermehrter Lautäußerung kommen. Diese Lautäußerung sei rhythmischer Natur und dauere über längere Perioden an. Papageien, die öfters allein seien, würden laute Kontaktschreie und Rufe von sich geben. Die Lautregelung selbst sei differenziert und könne in ihrer Lautstärke über 100 dB gehen. Entscheidend für das Empfinden des Menschen sei dabei weniger die Lautstärke, als die sehr obertonreiche Frequenz, die sich für das menschliche Gehör als schmerzend auswirken könne.
2. Rechtsfehlerfrei hat das AG die Betr. wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 12 NRWImSchG verurteilt, da sie keine geeigneten Maßnahmen zur Abstellung der durch den Graupapagei verursachten Störung getroffen hat, obwohl sie bei entsprechender Sorgfalt die Lärmbelästigung hätte erkennen können. Zwecks Wahrung der vorrangigen schutzwürdigen Belange ihrer Nachbarn wäre die Betr. gehalten gewesen, die durch den Graupapagei drohende Lärmbelästigung abzuwenden. Zuzumuten wäre ihr insbesondere, den Papagei bei Verlassen der Wohnung mitzunehmen oder gegebenenfalls das Tier ganz abzuschaffen (Senat, NRWIMBl 1983, 65 und NStZ 1988, 561 = NVwZ 1988, 55 = AgrarR 1989, 137; Weithaup, S. 416).
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