Stornierungsgebühren - Reiserücktrittskosten bei Unverträglichkeit einer Malariaschutzimpfung

Gericht

AG Sinsheim


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

15. 12. 1999


Aktenzeichen

4 C 179/99


Leitsatz des Gerichts

  1. Bietet die Reiserücktrittskostenversicherung Versicherungsschutz für Ereignisse, die während der Dauer des Versicherungsschutzes eintreten, so besteht kein Versicherungsschutz, wenn eine Reise nach Kanada storniert wird, weil die versicherte Person nach der Reisebuchung erfährt, dass sie infolge vorbestehender Marcumar-Behandlung nicht geimpft werden kann.

  2. Die Klausel des § 2 I AVB-RR 97, welche Versicherungsschutz für Ereignisse bestimmt, die während der Dauer des Versicherungsschutzes eintreten, ist nicht gem. §§ 3 oder 9 AGBG überraschend oder ungewöhnlich. Auch für einen Durchschnittsreisekunden ist erkennbar, dass Reiserücktrittsgründe wie schwere Krankheit oder Impfunverträglichkeit dann keinen Versicherungsschutz begründen, wenn sie bereits vor Abschluss des Versicherungsvertrags angelegt sind und von der versicherten Person ohne großen Aufwand hätten vor Buchung erkannt werden können. Die Information über empfohlene Impfungen liegt im Risikobereich des Reisenden.

  3. Die Klausel enthält eine sachgerechte Risikoverteilung zwischen der versicherten Person und dem Versicherer. Derjenige, der dauerhaft medikamentös behandelt wird, hat Veranlassung, vor der Buchung einer Reise in die Tropen bzw. in ein Land, bei dem die Gefahr von Viruserkrankungen oder bakteriellen Erkrankungen erhöht ist, bezüglich eventueller Impfunverträglichkeiten einen Arzt zu konsultieren.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der Kl. buchte für sich, seine Ehefrau und Frau W am 7. 1. 1999 eine Reise nach Kenia vom 22. 1. 1999 bis zum 6. 2. 1999. Der Kl. schloss zeitgleich eine Reiserücktrittskostenversicherung für sich, sowie seine Reisebegleiterinnen ab. In den von der Bekl. benutzten AVB-RR 97 heißt es u.a.:

§ 1. Bei Nichtantritt der Reise sind die vertraglich geschuldeten Stornokosten aus dem versicherten Reisearrangement versichert.
§ 2. (1) Versicherungsschutz besteht, wenn die planmäßige Durchführung der Reise nicht zumutbar ist, weil die versicherte Person selbst oder eine Risikoperson während der Dauer des Versicherungsschutzes von einem der nachstehenden Ereignisse betroffen wird: … - Impfunverträglichkeit …

Die Ehefrau des Kl. wurde seit Juni 1998 wegen Thrombose mit Marcumar behandelt. Nach Buchung der Reise, am 13. 1. 1999, wurde der Ehefrau des Kl. mitgeteilt, dass eine Kontraindikation hinsichtlich der Einnahme des Malariamedikaments Lariam zur indizierten Marcumartherapie bestehe. Die Bekl. trägt insoweit unbestritten vor, dass die Malariaprophylaxeempfehlung im Katalog des Reiseveranstalters ausgeschrieben war. Der Kl. stornierte die Reise und machte die Stornokosten von 3313 DM mit seiner Klage geltend.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Der Kl. hat keinen Anspruch auf Erstattung der Stornokosten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Reiserücktrittsversicherungsvertrag. Unstreitig wurden die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bekl. Vertragsinhalt. Hiernach ist allerdings ein Versicherungsfall nicht eingetreten. Nach § 2 I der AVB-RR 97 besteht Versicherungsschutz nur dann, wenn die planmäßige Durchführung der Reise nicht zumutbar ist, weil die versicherte Person selber oder eine Risikoperson während der Dauer des Versicherungsschutzes von einem der nachstehenden Ereignisse betroffen wird, hier Impfunverträglichkeit.

Unstreitig war der Ehefrau des Kl. die Durchführung der Reise nicht zumutbar, weil eine Malariaprophylaxe für das Reiseland Kenia dringend notwendig ist und das Malariamittel Lariam sich mit der Marcumareinnahme bei der Ehefrau des Kl. nicht verträgt. Allerdings wurde die Ehefrau des Kl. von der Impfunverträglichkeit nicht während der Dauer des Versicherungsschutzes betroffen, sondern die vorhandene Impfunverträglichkeit wurde der Ehefrau des Kl. erst nach Abschluss des Versicherungsvertrags bekannt. Aus Sicht eines unbeteiligten Dritten und unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und der Verkehrssitte kann die Klausel § 2 der AVB-RR nur so verstanden werden, dass die Impfunverträglichkeit für den Versicherungsnehmer oder die versicherte Person - hier die Ehefrau - unerwartet eintritt. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn der Versicherungsnehmer nach Buchung durch Einnahme des Impfstoffs an der Reise wegen einer auftretenden Unverträglichkeit gehindert wäre oder aber nach Buchung der Reise eine Krankheit auftreten oder eine medikamentöse Therapie erforderlich werden würde, die eine Impfung für das entsprechende Reiseland verhindern könnten. Dies ist allerdings hier nicht der Fall, denn die Impfunverträglichkeit der Ehefrau des Kl. bestand unstreitig bereits seit August 1998, nämlich dem Beginn der Marcumartherapie, also lange vor Beginn des Versicherungsschutzes. Die Ehefrau des Kl. wurde also nicht während der Dauer des Versicherungsvertrags von dieser Impfunverträglichkeit betroffen. Dies hat im Übrigen auch die Vermutung des Zeugen Dr. C ergeben. Dieser bekundete, dass die Unverträglichkeit des Mittels Lariam mit Marcumar seit Beginn der Marcumartherapie bei der Ehefrau des Kl. bestanden habe.

Die Klausel ist auch nicht gem. §§ 3 oder 9 AGBG unwirksam. Unstreitig wurden die AGB der Bekl. in den Vertrag einbezogen. Nach § 3 AGBG ist eine Klausel überraschend, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich ist, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Es ist nicht ungewöhnlich, dass eine so kurzzeitige Versicherung, wie eine Reiserücktrittsversicherung, das versicherte Risiko auf die Zeit der Reise selbst und die Zeit zwischen Buchung und Reiseantritt beschränken möchte. Die Klausel ist auch für den Verwendungsgegner nicht überraschend. Denn auch für einen Durchschnittsreisekunden ist erkennbar, dass Reiserücktrittsgründe wie schwere Krankheit oder Impfunverträglichkeit dann keinen Versicherungsschutz begründen, wenn sie bereits vor Reiseantritt bzw. Abschluss des Versicherungsvertrags angelegt sind und von der versicherten Person ohne großen Aufwand hätten vor Buchung erkannt werden können. Insoweit ist es im Risikobereich des Reisenden, sich über den Reisekatalog über empfohlene Impfungen zu informieren. Dass diese Informationsmöglichkeit bestand, wurde von Klägerseite nicht bestritten. Insoweit ist es dann aber unerheblich, dass die Klägerseite bzw. die Ehefrau des Kl. vortragen, sie hätten von der Erforderlichkeit der Malariaprophylaxe für Kenia nichts gewusst.

Die Klausel ist auch nicht gem. § 9 AGBG unwirksam. Es liegt keine unangemessene Benachteiligung vor. Denn die hier vorgenommene Beschränkung des Versicherungsschutzes auf Impfunverträglichkeiten, die erst nach Abschluss des Versicherungsschutzes auftauchen, bedeutet eine sachgerechte Risikoverteilung zwischen versicherter Person und Versicherer. Denn derjenige, der dauerhaft medikamentös behandelt wird, hat Veranlassung, vor Antritt einer Reise in die Tropen bzw. in ein Land, bei dem die Gefahr von Viruserkrankungen oder bakteriellen Erkrankungen erhöht ist, bezüglich eventueller Impfunverträglichkeiten einen Arzt zu konsultieren. Diese Risikoverteilung ist auch deswegen sachgerecht, da der Versicherer bei der Reiserücktrittsversicherung bei dem Versicherungsnehmer, auch nicht bei den mitversicherten Personen, nach eventuell bestehenden Vorerkrankungen nachfragt. Insoweit bedeutet die Einschränkung des versicherten Risikos auf die tatsächliche Zeit der Vertragsdauer keine unangemessene Benachteiligung des Versicherten bzw. der mitversicherten Personen. Berücksichtigt man noch die in § 61 VVG getroffene Risikoverteilung, dass Versicherungsschutz bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Handlung ausgeschlossen ist, so ist eine Begrenzung auf Risiken, die nicht vorhersehbar nur während der Vertragsdauer einer Reiserücktrittsversicherung auftreten, auch im Hinblick auf die gesetzlich vorgesehene Risikoverteilung nicht unangemessen. Denn bei einer Reise in die Tropen oder Asien oder ein ähnliches Land mit höherem Infektionsrisiko für Europäer ist es dem Reisenden, welcher dauernd medikamentös behandelt wird, zuzumuten, sich über eventuelle Unverträglichkeiten zu informieren. Hierin ändert auch nichts, dass die Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen Dr. C ergeben hat, dass Marcumar keine Kontraindikation für eine Reise darstelle, denn für das Auftreten einer Impfunverträglichkeit kommt es im Allgemeinen nicht auf eine eventuell vorliegende Reisefähigkeit an, denn es sind viele Ziele in Deutschland oder den europäischen Nachbarländern denkbar, bei denen eine Impfung gerade nicht erforderlich wird, so dass eine Impfunverträglichkeit gar nicht auftritt. Jedenfalls begründet die Überbürdung des Risikos auf den Reisenden, sich beizeiten umfassend über Unverträglichkeiten zu informieren, wenn wie im vorliegenden Fall hierzu Anlass besteht, keine unangemessene Benachteiligung. Nichts anderes bewirkt aber die von der Bekl. verwendete Klausel.

Rechtsgebiete

Reiserecht

Normen

AVB-RR 97 § 2; AGBG §§ 3, 9