Stornierungsgebühren - Stornokostenerstattung bei verzögertem Reiserücktritt

Gericht

AG Wedding


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

04. 09. 1998


Aktenzeichen

16 C 293/1998


Leitsatz des Gerichts

Bricht sich eine 63jährige Versicherungsnehmerin drei Wochen vor dem Beginn einer Rundreise durch den Nahen Osten den Fuß, muß sie die Reise stornieren, auch wenn der behandelnde Arzt eine Teilnahme zunächst für möglich hält.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Die Kl. buchten im Oktober 1997 eine zweiwöchige Rundreise durch Jordanien/Syrien, die am 18. 11. 1997 angetreten werden sollte. Neben der Reise vermittelte das Reisebüro den Abschluß einer Reiserücktrittskostenversicherung mit der Bekl. Dem Versicherungsverhältnis lagen die Bestimmungen der Bekl. für Reiserücktrittskostenversicherungen zugrunde. § 3 dieser Bestimmungen lautet wie folgt:

„Die versicherte Person ist verpflichtet, (1) die Reise unverzüglich nach Eintritt des Versicherungsfalls zu stornieren, um die Rücktrittskosten möglichst gering zu halten; ... Verletzt die versicherte Person eine der vorstehenden Obliegenheiten vorsätzlich oder grob fahrlässig, kann die X von der Verpflichtung zur Leistung frei werden.„

Am 27. 10. 1997 brach sich die Kl. zu 1 den linken Fuß. Der Arzt hielt unter der Voraussetzung eines regelmäßigen Heilungsverlaufs einen Reiseantritt nach Abschwellen des Fußes mit einem Gehgips für möglich. Als jedoch bei der nächsten Kontrolluntersuchung am 7. 11. 1997 der Arzt feststellte, daß ein Reiseantritt nicht mehr in Frage komme, da die Schwellung des Fußes und die allgemeine Abheilung nicht in dem Maße Fortschritte gemacht hatte, traten die Kl. noch am selben Tage von der gebuchten Reise zurück. Der Reiseveranstalter erstattete den Kl. daraufhin vom bereits bezahlten Gesamtreisepreis in Höhe von 7054 DM nach Abzug der Stornokosten einen Teilbetrag in Höhe von 3886 DM. Die Kl. beantragten bei der Bekl. die Übernahme der Stornokosten. Diese erstattete lediglich 1307,60 DM mit der Begründung, daß - hätten die Kl. die Reise unmittelbar nach dem Unfall storniert - auch nur Stornokosten in dieser Höhe angefallen wären.

Von der Klage auf weitere 1804,40 DM erkannte die Bekl. 34,50 DM an. Im übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Soweit die Bekl. verurteilt worden ist, beruht dieses auf dem von ihr erklärten Anerkenntnis hinsichtlich der Kosten für die Ausstellung des Attests in Höhe eines Teilbetrags von 34,50 DM.

Darüber hinaus ist die Klage unbegründet. Den Kl. stehen gegen die Bekl. keine weiteren Ansprüche zu:

1. Soweit die Kl. den Ersatz weiterer Stornokosten von der Bekl. verlangen, ist diese gem. § 3 ihrer speziellen Bedingungen für Reiserücktrittskostenversicherungen von einer Zahlungspflicht freigeworden. Die Kl. haben nämlich in grob fahrlässiger Weise gegen ihre Obliegenheit, bei Eintritt des Versicherungsfalls die Reise unverzüglich zu stornieren, verstoßen, indem sie nicht unmittelbar nach dem Unfall, zumindest jedoch vor Ablauf des Zeitraums, nach dem eine Erhöhung der Stornogebühr eintrat, von der Reise Abstand genommen haben.

Der Versicherungsfall im Sinne der Vertragsbedingungen der Bekl. trat am 27. 10. 1997 durch die Bruchverletzung ein. Da sich die Kl. in einem zeitlichen Abstand von lediglich etwa drei Wochen vor Reiseantritt den Fuß brach, stand von vorneherein fest, daß die Verletzung nicht mehr rechtzeitig vor Reiseantritt völlig ausgeheilt sein würde, die Reise somit auch im günstigsten Falle nur mit einem Gehgips würde angetreten werden können. Ein solches war der Kl. jedoch nicht zuzumuten. Nach einer realistischen Einschätzung zum Zeitpunkt des Bruchs hätten die Kl. auch als medizinische Laien erkennen müssen, daß eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür sprach, daß die Kl. zu 1 vernünftigerweise die Reise nicht würde antreten können. Dieses mußte sich den Kl. aufgrund einer Gesamtschau der Umstände geradezu aufdrängen: Geplant war nämlich nicht ein Erholungsaufenthalt im europäischen Ausland, sondern eine zweiwöchige Rundreise durch den Nahen Osten. Bereits auf dem Hinflug hätte die Kl. zu 1 mehrere Stunden still sitzen müssen, ohne ihr Bein hochlegen zu können. Dieses hätte sich auf der Rundreise fortgesetzt. Den Kl. mußte weiterhin bewußt sein, daß sie mit einer adäquaten medizinischen Versorgung im Falle einer durch die Strapazen der Reise verursachten Komplikation nicht rechnen konnten, zumal sie sich nicht an einem einzelnen Ort aufhalten wollten. Nicht unberücksichtigt bleiben konnte schließlich das Alter der Kl. mit 63 Jahren.

Soweit der behandelnde Arzt der Kl. zu 1 nach dem kl. Vortrag, der von der Bekl. zum Teil bestritten wird, auch in Kenntnis der genannten Reiseumstände die Durchführbarkeit der Reise mit einem Gehgips in Aussicht gestellt haben sollte, so mußten sich die Kl. im klaren darüber sein, daß es sich hierbei in jedem Fall um eine bloße Prognose handelte, da der Arzt den Verlauf des Heilungsprozesses nicht mit Sicherheit voraussagen konnte. Auf eine solche Prognose durften die Kl. sich jedoch angesichts aller Umstände, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Alters der Kl. zu 1 nicht blindlings verlassen. Wenn sie dennoch auf eine rasche und komplikationslose Wiederherstellung der Gesundheit der Kl. zu 1 hofften, so haben sie mit dieser Hoffnung ein eigenes Risiko übernommen, das durch die Versicherung der Bekl. nicht mehr abgedeckt war.

Daß die Bekl. sich in grob fahrlässiger Weise keine Gedanken über ihre Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag gemacht hatten, belegt auch der Umstand, daß erst am 7. 11. 1997 der Arzt erneut aufgesucht wurde und nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt, zu dem möglicherweise noch eine kostengünstigere Stornierung der Reise möglich gewesen wäre. Dieses wäre jedoch ein Verhalten gewesen, daß ein wirtschaftlich denkender Nichtversicherter an den Tag gelegt hätte.

Rechtsgebiete

Reiserecht

Normen

Reiserücktrittsversicherung § 4 Nr. 1 lit. a