Stornierungsgebühren - Urlaubsreise einen Tag vor kroatischer Unabhängigkeitserklärung

Gericht

AG Frankfurt


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

31. 01. 1992


Aktenzeichen

32 C 4368/91


Leitsatz des Gerichts

Ein Urlaubsreisender, der trotz der unsicheren Lage einen Tag vor der kroatischen Unabhängigkeitserklärung wegen der Stornogebührenforderung des Reiseveranstalters seine Urlaubsreise nach Jugoslawien antritt, hat nach der Vertragskündigung und vorzeitigen Rückbeförderung durch den Reiseveranstalter keinen Anspruch auf Rückzahlung des Rückreiseanteils in dem Pauschalpreis und auf Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der Kl. buchte für sich, seine Ehefrau und seine drei Kinder am 8. 1. 1991 bei der Bekl. für die Zeit vom 24. 6. bis zum 8. 7. 1991 eine Flugpauschalreise nach Jugoslawien. Er versuchte etwa drei Monate und zuletzt etwa zehn Tage vor Reiseantritt die Reise rückgängig zu machen, weil er angesichts der Unabhängigkeitsbestrebungen der jugoslawischen Teilstaaten Slowenien und Kroatien eine instabile politische Lage und damit zugleich eine Gefährdung seines Urlaubsaufenthaltes in Jugoslawien befürchtete. Da die Bekl. jedoch nur bei Übernahme der Stornierungskosten durch den Kl. zur Stornierung der Reise bereit war, beschloß der Kl., die Reise anzutreten. Im Verlaufe des Aufenthalts spitzte sich die politische Lage in Jugoslawien zu. Am 3. 7. 1991 fand der Kl. gegen 23 Uhr in seiner Ferienwohnung einen Zettel mit der Nachricht des örtlichen Reiseleiters vor, daß am nächsten Morgen um 8.10 Uhr die Abreise erfolgen solle. Die Rückreise fand ohne Frühstücksmöglichkeit mit einem Reisebus zunächst nach Triest und von dort nach Venedig und sodann per Bahn nach München statt. Dort erklärte der Reiseleiter, daß die Reise beendet sei. Der Kl. mußte deshalb die Weiterfahrt nach Mainz selbst organisieren. Diese Kosten hat die Bekl. dem Kl. erstattet und vom Reisepreis von 4025,26 DM 581,06 DM zurückgezahlt. Auf die weitere Rückzahlungsforderung und die Forderung des Kl. auf Zahlung von Schadensersatz hin hat die Bekl. 115 DM anerkannt. Die Klage wurde im übrigen abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Soweit die Bekl. die Klageforderung in Höhe des Teilbetrages von 115 DM anerkannt hat, war sie auf Antrag des Kl. dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen (§ 307 I ZPO). Die weitergehende Klage ist unbegründet. Entgegen der Auffassung des Kl. stehen ihm weitere Schadensersatzansprüche aus dem Reisevertrag der Parteien über eine Flugpauschalreise in der Zeit vom 24. 6. bis zum 8. 7. 1991 nach Jugoslawien nicht zu.
Soweit der Kl. der Bekl. zur Last legt, nur bei Übernahme der Stornokosten bereitgewesen zu sein, ihn aus dem Reisevertrag der Parteien zu entlassen, verkennt er, daß es ihm unbenommen geblieben ist, gleichwohl vor Reisebeginn jederzeit vom Vertrag zurückzutreten (§ 651i I BGB). Der Kl. hätte dann, erforderlichenfalls gerichtlich, nachprüfen lassen können, ob die von der Bekl. verlangte Zahlung von Stornogebühren berechtigt ist. Der Kl. hat sich jedoch, erklärtermaßen, um sich die Stornogebühren zu ersparen, entschlossen, die Reise anzutreten, und ist damit bewußt in Kenntnis der sich bereits vor Reiseantritt abzeichnenden unsicheren politischen Lage in Jugoslawien das Risiko eingegangen, einen möglicherweise nicht ungestört verlaufenden Urlaubsaufenthalt anzutreten. Bei dieser Sachlage kann der Versuch des Kl., dieses Risiko auf die Bekl. abzuwälzen, keinen Erfolg haben.

Zutreffend beruft sich die Bekl. darauf, daß nach den Unabhängigkeitserklärungen Sloweniens und Kroatiens sich die politische Lage in Jugoslawien so zugespitzt hat, daß jederzeit mit dem Ausbruch globaler kriegerischer Auseinandersetzungen gerechnet werden mußte. Sie durfte hiernach davon ausgehen, daß der weitere Verlauf der Reise erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt sein werde, und deshalb den Vertrag wegen bei Vertragsschluß nicht voraussehbarer höherer Gewalt kündigen (§ 651j I BGB). Die Bekl. hat zwar durch ihren örtlichen Reiseleiter eine förmliche Kündigung nicht aussprechen lassen, sie nimmt jedoch zutreffend an, daß diese auch in der Aufforderung, sich am nächsten Morgen für die Rückreise bereitzuhalten, zu erblicken ist.

Mit der Kündigung hat die Bekl. zwar den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verloren, sie durfte jedoch für die bereits erbrachten oder bis zur Beendigung der Reise noch zu erbringenden Reiseleistungen eine nach § 471 BGB zu bemessende Entschädigung verlangen (§§ 651j II, 651e III 1, 2, IV 1 BGB).

Die von der Bekl. errechnete Höhe der Entschädigung hat der Kl. nicht angegriffen. Sie ist auch nicht zu beanstanden. Hierbei ist zu beachten, worauf die Bekl. zutreffend hinweist, daß die Mehrkosten für die Rückbeförderung von den Parteien je zur Hälfte zu tragen gewesen wären (§ 651j II 2 BGB), die Bekl. jedoch diese Kosten, nämlich die Kosten der Bahnfahrt von München nach Mainz, allein getragen hat...
Schließlich steht dem Kl. auch kein Anspruch auf Schadensersatz wegen nutzlos vertaner Urlaubsfreude zu. Das folgt bereits daraus, daß die Kündigung des Reisevertrages wegen nicht voraussehbarer höherer Gewalt gem. § 651j I BGB gekündigt wurde.

Rechtsgebiete

Reiserecht

Normen

BGB §§ 651j, 651e