Stornierungsgebühren - Stornogebühr bei Rückkehr vor Reisebeginn

Gericht

LG Hannover


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

23. 04. 1987


Aktenzeichen

3 S 14/87


Leitsatz des Gerichts

Zur Gültigkeit der in den Reisebedingungen vereinbarten Klausel über "angemessenen Ersatz", den der Reiseveranstalter für die getroffenen Reisevorkehrungen und Aufwendungen als "pauschalierten Anspruch auf Rücktrittsgebühren" verlangt, wenn der Kunde vor Reisebeginn zurücktritt.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der Kl. buchte für sich und seine Frau bei der Bekl. eine Flugpauschalreise zum Gesamtpreis von 3596 DM für die Zeit vom 24. 2.-3. 3. 1986. Aus privaten Gründen trat er am 14. 2. 1986 von der Reise zurück. Die Bekl. behielt eine "Gebühr" von 1438 DM ein und berief sich dabei auf ihre Geschäftsbedingungen, in denen es u. a. heißt:

7. Rücktritt durch den Kunden
7.2. Wenn Sie zurücktreten oder wenn Sie die Reise aus Gründen nicht antreten, die vom Reiseveranstalter nicht zu vertreten sind, können wir angemessenen Ersatz für die getroffenen Reisevorkehrungen und für unsere Aufwendungen verlangen. Bei Berechnung des Ersatzes sind gewöhnlich ersparte Aufwendungen und die gewöhnlich mögliche anderweitige Verwendung der Reiseleistung zu berücksichtigen. Unser pauschalierter Anspruch auf Rücktrittsgebühren beträgt pro Person/pro Wohneinheit
7.2.1. bei Flugreisen bis zum 22. Tag vor Reisebeginn 4% (bei Fernreisen 3%) des Reisepreises, vom 21. bis 15. Tag vor Reiseantritt 25% des Reisepreises, vom 14. bis 7. Tag vor Reiseantritt 40% und vom 6. Tag an 50% des Reisepreises.

Der Kl. verlangt die einbehaltene Gebühr zurück, jedoch unter Abzug eines eingeräumten Unkostenbeitrages von 100 DM. Er behauptet, in der Woche vom 17. 2. 1986 an in zwei Reisebüros die Auskunft erhalten zu haben, daß die Reise an dem von ihm zunächst gebuchten Termin ausgebucht sei; ein befreundetes Ehepaar habe in dem Hotel ferner erfahren, daß das Kontingent der Bekl. vollständig belegt sei. Die Bekl. bestreitet, daß im Charterflugzeug alle Plätze belegt gewesen seien. Hinsichtlich des Betten-Kontingents im Hotel trägt die Bekl. unwidersprochen vor, daß gegenüber dem Hotel von einer Absprache Gebrauch gemacht worden sei, derzufolge vom Reiseveranstalter nicht genutzte Unterkünfte bis zu einer Woche vor dem entsprechenden Reisebeginn zurückgegeben werden können, ohne daß dafür Kosten in Rechnung gestellt werden.

Das AG hat dem Rückzahlungsanspruch des Reisenden stattgegeben. Auf die Berufung des Reiseveranstalters hin ist die Klage abgewiesen worden.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

... Der Kl. hat keinen Anspruch aus § 812 I BGB auf Rückzahlung des von der Bekl. einbehaltenen restlichen Reisepreises. Für den Einbehalt hatte die Bekl. einen Rechtsgrund. Der ergibt sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Reisevertrag in Verbindung mit Nr. 7.2 der vereinbarten Geschäftsbedingungen. Danach hat die Bekl. für den am 10. 2. 1986 erklärten Rücktritt des Kl. von der für die Zeit vom 24. 2. bis 3. 3. 1986 gebuchten Reise einen Anspruch auf eine Stornogebühr in Höhe von 40% des Reisepreises.

Diese Vertragsklausel stößt auf keine durchgreifenden Bedenken. Dabei kann jedenfalls bei dem hier zu entscheidenden Sachverhalt dahingestellt bleiben, wie der vertraglich vereinbarte Anspruch des Reiseveranstalters auf Einbehalt einer Stornogebühr rechtlich einzuordnen ist. Mit der herrschenden Meinung ist zunächst davon auszugehen, daß der Maßstab des AGB-Gesetzes neben § 651 i BGB anwendbar ist (vgl. Tonner, Reisevertrag, 2. Aufl., § 651 i Rdnr. 20 m. w. Nachw.). Während das OLG Frankfurt (NJW 1982, 2198 [2199]) eine Vertragsklausel über "pauschalierte Rücktrittsgebühren" der Sache nach sodann als einen Schadensersatzanspruch ansieht und nicht als einen Fall nach § 651 i II, III BGB, ordnet das OLG Hamburg (NJW 1981, 2420 = WM 1982, 139) einen Anspruch auf "pauschalierte Stornierungskosten" unter § 651 i II BGB ein. In beiden Entscheidungen wird die Vertragsklausel sodann am Maßstab von § 11 Nr. 5b AGB-Gesetz geprüft. Der BGH (NJW 1985, 633) hat hingegen einen im Reisevertrag vereinbarten "pauschalierten Ersatzanspruch" im Ausgangspunkt unter § 10 Nr. 7 AGB-Gesetz eingeordnet, in der Klausel also keine Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen gesehen, sondern einen Fall der Abwicklung von Verträgen nach Rücktritt oder Kündigung des Vertrages (eine Abstimmung mit § 651 i BGB war dabei nicht vorzunehmen, weil in dem vom BGH entschiedenen Fall Werkvertragsrecht einschlägig war). Gleichwohl hat der BGH die in der Vorschrift bei der Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen geforderte Möglichkeit des Gegenbeweises nach § 11 Nr. 5 b AGB-Gesetz analog nunmehr auch für Abwicklungsregelungen i. S. des § 10 Nr. 7 AGB?Gesetz im Anschluß an die in Rspr. und Schrifttum einhellig vertretene Meinung wegen der gleichgelagerten schutzbedürftigen Interessen für anwendbar erklärt (BGH, NJW 1985, 633).

Die danach erforderliche Möglichkeit für den Kl., nachzuweisen, daß der bei der Bekl. eingetretene Schaden wesentlich niedriger war als die vereinbarte Pauschale, war nicht abgeschnitten. Die von der Bekl. verwandte Klausel ist rechtlich einwandfrei. Der Schutzzweck von § 11 Nr. 5 b AGB-Gesetz gebietet es nicht, den Anwendungsbereich der Vorschrift so weit auszudehnen, daß eine Schadenspauschalierung dann unwirksam ist, wenn ein ausdrücklicher Vorbehalt des Rechts zum Gegenbeweis fehlt. Es reicht, wenn die Schadenspauschalierungsklausel dem Vertragspartner nach ihrem Wortlaut und erkennbaren Sinn die Möglichkeit offen läßt, einen möglichen geringeren Schaden im konkreten Fall nachzuweisen (BGH, NJW 1982, 2316; LG Braunschweig, NJW-RR 1986, 144, jeweils m. w. Nachw.). Das ist hier der Fall. Die vereinbarte Klausel knüpft an den Gesetzestext in § 651 i II BGB an. Die Formulierung legt den Schuldner nicht in dem Sinne fest, als habe er diesen Betrag "mindestens" oder "auf jeden Fall" zu leisten, was unzulässig wäre. Ferner sind unter Nr. 7.2.1. bis 7.2.5. der vereinbarten Geschäftsbedingungen für sechs verschiedene Reisetypen unterschiedliche Pauschalen für unterschiedliche Zeitspannen ausgeworfen. Das entspricht der Gesetzesregelung in § 651 i III BGB. Es ist nicht ersichtlich, nach welchen anderen Gesichtspunkten die pauschalierte Rücktrittsgebühr sonst bemessen werden sollte, was sowohl dem Interesse des Reisenden als auch dem des Reiseveranstalters entgegenkommt, nämlich der Kalkulierbarkeit des Kostenrisikos und andererseits der erleichterten und vereinfachten Schadensermittlung (so ausdrücklich für die hier einschlägige Klausel bereits LG Hannover, Urt. v. 4. 1. 1984 - 11 S 256/83).

Entgegen der vom AG vertretenen Ansicht hat der Kl. hier diesen Gegenbeweis nicht erbracht. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kl. durch zwei verschiedene Reisebüros einmal zu Beginn der Woche vom 17. 2. 1986 und ferner am 22. 2. 1986 in Erfahrung gebracht hat, daß die Reise der Bekl. ausgebucht sei. Ebensowenig kommt es darauf an, ob bei dem Flug noch Freiplätze in der Maschine vorhanden waren, und ob die vom Kl. benannten Zeugen am Urlaubsort von der Hotelleitung die Auskunft bekommen haben, das von der Bekl. gebuchte Hotelkontingent sei voll ausgeschöpft. Die Bekl. hat nämlich substantiiert vorgetragen, daß nach ihrem Vertrag mit dem Hotel als Leistungsträger das von ihr vorgebuchte Betten-Kontingent nur bis 7 Tage vor Reiseantritt vorgehalten wurde. Zu diesem Zeitpunkt sind dann freigebliebene Betten-Plätze dem Hotel zur weiteren Verfügung freigestellt worden. Dieser Sachvortrag ist vom Kl. nicht angegriffen worden. Folgerichtig kann deshalb als wahr unterstellt werden, daß der Kl. bei den angefragten Reisebüros und die von ihm angeführten Zeugen im Hotel vor Ort die entsprechenden Auskünfte bekommen haben. Eine Beweislastumkehr zugunsten des Kl. wäre nur in Betracht gekommen, wenn er - wenigstens jetzt im Prozeß - z. B. die Absprache mit dem Hotel zum Vorhalten eines Betten-Kontingents bis 7 Tage vor Reiseantritt bestritten hätte. Standen danach zur Zeit der Auskünfte reservierte Hotelplätze nicht mehr zur Verfügung, waren auch die Auskünfte zutreffend, ohne daß es auf die Frage freier Plätze im Flugzeug ankam.

Schließlich ist auch die Höhe des Pauschalierungssatzes der Stornogebühr nicht zu beanstanden. Je kürzer die Zeit ist zwischen der Rücktrittserklärung des Kunden und dem geplanten Reiseantritt, desto geringer sind die wirtschaftlichen Dispositionsmöglichkeiten des Reiseveranstalters für eine anderweitige Verwendung der für den Kunden vorgesehenen Reiseplätze. Sowohl nach dem Maßstab von § 10 Nr. 7 b als auch nach § 11 Nr. 5 a AGB-Gesetz hält sich der Pauschalierungssatz im Rahmen der dort gezogenen Grenzen. Die einbehaltene Stornogebühr entspricht etwa dem Kostenanteil, der allein für den Flug entstanden ist, wie sich aus einem Vergleich mit den im Katalog angegebenen Preisen für den Aufenthalt einer Verlängerungswoche ergibt. Auch wenn die Bekl. allein bezüglich der Flugkosten einen tatsächlichen Schaden erlitten hat - bezüglich des Sitzplatzkontingents beim Charter-Flug konnten anders als beim Hotel keine freigewordenen Plätze zurückgegeben werden -, die Bekl. also allein bezüglich dieser Teilleistung einen Schaden erlitten hat und insofern auch dann, bezogen hierauf, 100% ersetzt verlangt, kann nicht davon ausgegangen werden, deshalb sei eine angemessene Regelung nicht mehr gegeben. Bei dem vom BGH in NJW 1985, 633 entschiedenen Fall entsprachen die einbehaltenen 100% Stornogebühr dem Gesamtreisepreis. Hier aber hat die Bekl. entsprechend § 651 i II BGB rechtzeitig für anderweitige Verwendung bei den Hotelplätzen gesorgt und damit auch im Interesse des Kl. den Schaden gering gehalten.

Rechtsgebiete

Reiserecht

Normen

BGB § 651 i