Baulärm/All-inclusive-Reise/Pflicht zum Tragen von Plastikarmbändern

Gericht

AG Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

25. 03. 1998


Aktenzeichen

136 C 496/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Befindet sich neben einer Anlage eine Baustelle, auf der mit schwerem Baugerät gearbeitet wird, so stellt schon allein die daraus resultierenden Beeinträchtigung einen erheblichen Reisemangel dar, unabhängig davon, ob der Baulärm auch noch im Zimmer der Reisenden zu hören ist.

  2. Das Tragen eines nicht abnehmbaren Plastikarmbandes zur Gästekennzeichnung stellt einen Reisemangel dar, wenn im Katalog ein entsprechender Hinweis auf die Maßnahme fehlt.

Tatbestand

Tatbestand

Mit Reisevertrag vom 30.1.1997 buchte der Kläger bei der Beklagten eine Fernpauschalreise für zwei Erwachsene in die Dominikanische Republik in das Hotel C. Ressort mit der Verpflegungsvariante all inclusive für die Dauer von zwei Wochen, beginnend ab dem 17.5.1997, zu einem Reisepreis von 4.818,-- DM, einschließlich Flughafenzuschlag und zuzüglich Versicherungskosten.

Der Kläger war mit der Reise unzufrieden und begehrt eine 60%ige Reisepreisminderung. Er beklagt in erster Linie erheblichen Baulärm ausgehend von zwei Baustellen vor und neben dem Hotel. Er trägt vor, dort sei mit Preßlufthämmern und schwerem Baugerät gearbeitet worden. Im übrigen beklagt er, daß ein Meeresfrüchte-Buffet nur an Freitagen zur Verfügung gestellt wurde. Schließlich begehrt der Kläger Minderung deswegen, weil von ihm verlangt wurde, während des Aufenthaltes in der gebuchten Hotelanlage ein grünes Plastikarmband am Handgelenk zu tragen, das ohne Zerstörung seiner Substanz nicht habe geöffnet werden können und damit nur einmal verwendbar war. Der Kläger und seine Begleitung hatten diese Armbänder während ihres gesamten Aufenthaltes zu tragen, um als All-inclusive-Gäste gekennzeichnet zu sein. Sein Verlangen gegenüber der Reiseleitung, das Armband abzunehmen, ist mit dem Hinweis darauf verweigert worden, dann könne er keine All-inclusive-Verpflegung mehr erhalten und müsse für die Verpflegung gesondert zahlen. (...)

Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zu einem Teil begründet. Dem Kläger steht eine Reisepreisminderung gemäß §§ 651 d Abs. 1, 651 c Abs. 1, 651 a Abs. 1 und § 472 BGB in Höhe von 50 % des Reisepreises zu, denn in einem dieser Quote entsprechenden Umfang war die Reiseleistung der Beklagten mangelhaft.

Im einzelnen:

1) Wesentlicher und gravierender Mangel stellt die Beeinträchtigung durch die Baustellen vor und neben dem Hotel dar. Ausweislich der zu Beweiszwecken zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Lichtbilder steht fest, daß es sich um Großbaustellen handelte, bei denen mit schwerem Baugerät wie Bagger, Kränen und Betonmischmaschinen gearbeitet wurde. Es wurden neue Appartements hochgezogen, wobei die Bauarbeiten zügig voranschritten, wie aus den durch die Lichtbilder dokumentierten Baufortschritten zu erkennen ist. Insbesondere die Gartenanlage war davon betroffen, wie aus dem Lichtbild ersichtlich ist. Die Bauarbeiten beginnen unmittelbar hinter den aufgestellten Pool-Liegen. Die durch diese Baustellen erfolgte Beeinträchtigung stellt einen erheblichen Reisemangel dar, ohne daß es darauf ankommt, ob der Baulärm zusätzlich auch noch in dem dem Kläger zur Verfügung gestellten Zimmer zu hören war.

2) Einen weiteren Reisemangel sieht das Gericht darin, daß von dem Kläger und seiner Ehefrau während des Urlaubsaufenthaltes verlangt wurde, ein nicht abnehmbares Plastikarmband zu tragen und die Reiseleitung auch auf Aufforderung des Klägers sich geweigert hat, ihm die Abnahme der Plastikmanschette zu ermöglichen. Diese Gästekennzeichnung durch obligatorisches Tragen von Armbändern stellt einen Reisemangel dar (vgl. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 7.11.1996, NJW 1997, 2246/2247 = RRA 1997, 52). Bei der Frage der Einstandspflicht des Reiseveranstalters nach § 651 c Abs. 1 BGB kommt es darauf an, ob die Reise nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben und mindern. Hier mag man noch die Auffassung vertreten, daß eine Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Beschaffung der Leistung des Reiseveranstalters durch die Gästekennzeichnung durch Plastikmanschetten nicht vorliegt. Jedenfalls aber ist die Tauglichkeit der Reise gemindert, wenn von einem Pauschaltouristen verlangt wird, sich durch das Anlegen einer grünen Plastikmanschette wie Schafe vor der Schur kennzeichnen zu lassen. Das Plastikarmband, das immerhin 2,5 cm breit ist, ist weder zum Duschen noch zum Schlafen, weder zum Sonnenbaden noch bei der Ausübung schweißtreibender Sportarten abnehmbar. Da die Beklagte das Tragen einer solchen Kennzeichnung in ihrem Katalog nicht ausgeschrieben hat, ist die Verpflichtung dazu auch nicht Vertragsinhalt geworden. Die Auffassung der Beklagten, daß es sich dabei um die bequemste und unkomplizierteste Art handelt, nachzuweisen, daß Gäste einer bestimmten Gruppe angehören und daß Hunderttausende von Reisenden ein solches Plastikarmband ohne Anstand tragen, ist sicher zutreffend, führt jedoch hier nicht weiter. Dem Reiseveranstalter bzw. seinem Leistungsträger ist es lediglich im Interesse einer Kontrolle sowie zur Vermeidung von Mißbräuchen gestattet, geeignete Maßnahmen zur Durchführung der All-inclusive-Leistungen zu treffen. Solche Maßnahmen dürfen den Reisenden jedoch nicht in seinem Wohlbefinden beeinträchtigen. Man mag darüber streiten, ob durch die obligatorische Gästekennzeichnung durch Plastikmanschetten das Persönlichkeitsrecht der Pauschaltouristen beeinträchtigt wird, wie dies das LG Frankfurt am Main in seiner angeführten Entscheidung ausführt. Danach kann eine äußerliche Kennzeichnung gegen den freien Willen des Reisenden nicht mit dem Interesse am reibungslosen Ablauf des Hotelbetriebes gerechtfertigt werden, da eine solche Kennzeichnung "nur bei Tieren und Säuglingen vorkomme, die ihrer Persönlichkeit noch keinen Ausdruck verleihen können".

Selbst wenn man diesen Rückgriff auf das Persönlichkeitsrecht des Menschen als zu weitgehend erachtet, so bleibt hier festzuhalten, daß das Tragen einer solchen Plastikmanschette den Kläger jedoch glaubhaft in seinem Wohlbefinden beeinträchtigt hat. Da die Beklagte auf diese ihre organisatorische Maßnahme auch in ihrem Katalog nicht hingewiesen hatte, hat der Kläger sich auch nicht freiwillig durch Vertragsabschluß damit einverstanden erklärt. Eine mögliche Organisationserleichterung für den Pauschalreiseveranstalter berechtigt diesen nicht, sich über den freien Willen seiner Kunden hinwegzusetzen und von diesem während seines Hotelaufenthaltes das Tragen nicht abnehmbarer Plastikarmbänder zu verlangen. Hiergegen dürfte es dem Reiseveranstalter bzw. seinem Leistungsträger unbenommen sein, ähnlich wie Tagungsteilnehmern Plastikkärtchen auszugeben, die an der Kleidung befestigt werden können oder die vor Aufgabe einer Essens- oder Getränkebestellung vorgelegt werden müssen.

Nach alledem war die Reise des Klägers durch den erheblichen Baulärm und seine Kennzeichnung durch das obligatorische Tragen von Plastikarmbändern gravierend beeinträchtigt. Das Gericht hat daher eine Minderungsquote in Höhe von 50 % des Reisepreises festgesetzt, um das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wieder in ein gemäß § 472 BGB angemessenes Verhältnis zu setzen.

Wegen der Tatsache, daß das im Katalog ausgeschriebene Meeresfrüchte-Buffet nur an Freitagen zur Verfügung gestellt wurde, kam angesichts dessen eine weitere Erhöhung der Minderungsquote nicht in Betracht,: zumal im Katalog der Beklagten ein tägliches Meeresfrüchte-Buffett auch nicht ausgeschrieben war.

Auf die dem Kläger damit zustehenden 2.409,- DM waren die von der Beklagten vorprozessual geleisteten 200,- DM in Anrechnung zu bringen, so daß, wie geschehen, zu erkennen war.

Rechtsgebiete

Reiserecht