Anzahlung des Reisepreises

Gericht

OLG Hamburg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

03. 04. 1985


Aktenzeichen

5 U 134/84 (nicht rechtskräftig)


Leitsatz des Gerichts

In Reisebedingungen sind Klauseln unzulässig, die
(a) zu einer Zahlung bei der Anmeldung verpflichten,
(b) bei einer Anmeldung ab 30 Tage vor Reiseantritt den gesamten Reisepreis fällig stellen und
(c) Umbuchungen als Rücktritte mit Neuanmeldungen behandeln.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Die Bekl. ist eine Reiseveranstalterin, die sich auf Sprachreisen, vorwiegend für Schüler und Studenten, spezialisiert hat. Sie hat beim Abschluß ihrer Reiseverträge vorformulierte „Teilnahmebedingungen“ verwendet, welche unter anderem folgende Bestimmungen enthielten:
3. Bezahlung: Bei der Anmeldung sind DM 150 pro Person anzuzahlen. Der Restbetrag ist spätestens 30 Kalendertage vor Reisebeginn zu überweisen oder zu zahlen. Bei kurzfristigen Anmeldungen (ab 30 Kalendertagen vor Reiseantritt) wird der gesamte Reisepreis sofort fällig.
6. Rücktritt/Umbuchung des Kunden: ... Umbuchungen gelten stets als Rücktritt vom Vertrag mit nachfolgender Neuanmeldung, d. h. es gelten auch die Regelungen unter Nr. 2.
Die Kl. (eingetragener Verein) hat diese Bestimmungen für nach den Vorschriften des AGB-Gesetzes unwirksam gehalten und nach § 13 AGB-Gesetz Verurteilung zur Unterlassung verlangt. Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

... II. Zu Recht hat das LG die von der Kl. angegriffenen Klauseln für unwirksam erklärt. ... Im einzelnen gilt folgendes:

1. Nr. 3: Bezahlung. ...

a) Die Pflicht, eine Anzahlung oder gar - bei kurzfristiger Anmeldung - den ganzen Reisepreis schon bei der Anmeldung zu leisten (s. Satz 1 und 3), durfte die Bekl. formularmäßig durch AGB schon deshalb nicht begründen, weil im Zeitpunkt der verlangten Zahlung noch kein Vertrag bestand. Ob durch die Zahlung ein vorvertragliches Rechtsverhältnis begründet wurde, ist unerheblich, weil dieses jedenfalls nicht darauf gerichtet war, daß die Bekl. sich verpflichtete, den Reisevertrag auch abzuschließen. Eine derartige Bindung ging sie in ihren Teilnahmebedingungen nicht ein. Daß sie naturgemäß daran interessiert ist, Reiseverträge abzuschließen, macht dies noch nicht zu einer Pflicht. Ebenso unerheblich ist, daß die Bekl. versprochen hat, die Anzahlung zurückzuerstatten, falls die Buchung nicht bestätigt werden sollte (Nr. 3 IV ihrer Teilnahmebedingungen). In jedem Fall stellte es ein für den Kunden unangemessenes, einseitig den Interessen des Reiseveranstalters dienendes Verlangen dar, den Kunden zu Zahlungen zu veranlassen, bevor die Bekl. auch nur vertragliche Bindungen einging (ebenso KG, NJW 1985, 151; Wolf-Horn-Lindacher, AGB-Gesetz, § 9 Rdnr. 62; Staudinger-Schwerdtner, BGB, 12. Aufl., § 651a Rdnr. 107; Bunte, Hdb. der AGB, S. 333; vgl. auch Löwe, Das neue Pauschalreiserecht, S. 42; Brandner, in: Ulmer-Brandner-Hensen, AGB-Gesetz, 4. Aufl, Anh. §§ 9-11 Rdnr. 586). Wenn die Bekl. - wie von ihr vorgetragen - die Anzahlung als Druckmittel, den Kunden zum Festhalten an seinem Vertragsangebot zu bewegen, benötigte, konnte sie selbst durch entsprechend beschleunigte Bestätigung der Buchung dazu beitragen, den Vertragsschluß umgehend herbeizuführen und damit die Gefahr, daß ein Kunde abspringt, gering zu halten. Außerdem hat sie selbst dargelegt, daß im Regelfall die Verträge schon bei dem ersten Besuch des Kunden in ihrem Büro zustandekommen. Um so geringer war ihr konkretes Interesse an der Verwendung der beanstandeten Klauseln.
Allerdings sind die AGB in dem Zeitpunkt, in welchem die Bekl. die Anzahlung verlangt hat, nämlich schon bei Anmeldung, noch gar nicht bindend gewesen, nämlich mangels Vertragsschluß nicht Vertragsinhalt geworden. Das aber stand dem Unterlassungsbegehren der Kl. nach § 13 I AGB-Gesetz nicht entgegen (BGH, NJW 1981, 979 (980)). Dem rechtsunkundigen Kunden wurde eine Zahlungspflicht vorgetäuscht, die in Wahrheit nicht bestand. Daher war die Klausel nach § 9 I AGB-Gesetz unwirksam.

b) Die Klausel, mit der dem Kunden die Zahlung des restlichen Reisepreises ohne jede Einschränkung spätestens 30 Tage vor Reisebeginn abverlangt wird (s. Satz 2), ist ebenfalls nach § 9 I AGB-Gesetz unwirksam und deren Verwendung der Bekl. daher auch in der neuen Fassung ihrer Teilnahmebedingungen zu untersagen.
Indem die Bekl. sich nunmehr verpflichtet hat, Anzahlungen bzw. die Vorauszahlung des vollen Reisepreises nicht schon bei der Anmeldung formularmäßig zu verlangen, ist die Bedeutung des zweiten Satzes ihrer bisherigen Bedingungen nicht etwa entfallen. Die Klausel besitzt vielmehr einen selbständigen Regelungsinhalt. Dadurch, daß die Bekl. eine Anzahlung nicht mehr - wie bisher - bei der Anmeldung fordern darf, wird nicht ausgeschlossen, daß sie die Anzahlung bei Vertragsschluß - wie ihre neuen Teilnahmebedingungen zeigen - oder zu irgendeinem sonstigen Zeitpunkt kraft Individualabrede fordert. Dann verbleibt eine Pflicht zur Zahlung des restlichen Reisepreises, dessen Fälligkeit mit der noch im Streit befindlichen, von der Kl. ebenfalls beanstandeten Klausel bestimmt wird. Mit dem formulierten Inhalt ist sie zu mißbilligen.

Die Klage scheitert allerdings nicht schon daran, daß das Verlangen nach voller Vorleistung des Reisepreises gegen das AGB-Gesetz verstoße. Der Streit um die Gültigkeit der Vorleistungsklausel ist wieder neu entfacht worden. Das in Frankfurt in Gang gebrachte Unterlassungsverfahren gegen einen Verband von Reiseveranstaltern und Reisebüros ist in erster Instanz erfolglos geblieben (LG Frankfurt, NJW 1985, 149). Tonner hält die formularmäßige Verpflichtung zur Vorauszahlung des vollen Reisepreises für unwirksam (NJW 1985, 111).

Die Bestimmung des § 11 Nr. 2 AGB-Gesetz steht der Vorauszahlungsklausel nicht im Wege. Diese Vorschrift verbietet den Ausschluß oder die Einschränkung des Leistungsverweigerungsrechts nur insoweit, als es besteht. Wer vorleisten muß, wird also nicht von § 11 Nr. 2 AGB-Gesetz geschützt. Tonners Ansicht (NJW 1985, 111), § 11 Nr. 2 AGB-Gesetz hebe die Dispositivität des § 320 BGB auf, ist zwar richtig, hilft aber nicht weiter. Dem AGB-Gesetz ist eigen, daß es die Dispositivität mancher Bestimmungen des BGB aufhebt oder ihr Grenzen setzt. Ein „AGB-fester“ § 320 I 1 „AGB-fester“verweigerungsrecht Bestand, besagt aber nicht, daß Vorleistungspflichten nicht mehr forumularmäßig festgelegt werden dürften. Das ist vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen, und das ist auch nicht wünschenswert.

Für ein generelles Verbot der Vorleistungsklausel im Reisegewerbe läßt sich auch nicht § 9 AGB-Gesetz heranziehen. Der Reisende wird nicht unangemessen benachteiligt, wenn er den Reisepreis vor Antritt der Reise in voller Höhe bezahlen muß (vgl. LG Frankfurt, NJW 1985, 149). Gegen eine allein ernsthaft zu erörternde Regelung, einen bestimmten Teil des Reisepreises erst bei oder nach Ende der Reise fällig werden zu lassen, sprechen die überwiegenden Interessen der Reiserveranstalter. Daß die Reiseunternehmen den Aufwand, den restlichen Reisepreis einzufordern, und das entsprechende Risiko hinzunehmen hätten, könnte nur überzeugen, wenn belegt würde, daß Schlechterfüllungen der Reiseverträge in einer Häufigkeit eintreten, die das Interesse der Reisenden, mit dem restlichen Reisepreis ein Druckmittel in der Hand zu haben, gegenüber dem Interesse der Reiseunternehmen an voller Vorauszahlung als deutlich schützenswerter erscheinen läßt. Die von Tonner (NJW 1985, 111) vorgeschlagene Einzahlung der Restvergütung auf ein Sperrkonto bringt nichts, weil der Reisende der Auszahlung zustimmen und notfalls darauf verklagt werden muß. Vor dem Hintergrund der inzwischen veröffentlichten, aber durchaus fragwürdigen „Frankfurter Tabelle zur Reiseminderung“ (NJW 1985, 113) könnte ein Abweichen von der vollen Vorauszahlung Reisende geradezu verlocken, anhand der womöglich fortan als „Reiseratgeber“ dienenden Tabelle so viele Mängelpositionen zu sammeln, bis die noch ausstehende Restzahlung vermeintlich erspart bleibt.

Satz 2 der Klausel „Bezahlung“ ist aber deshalb unwirksam, weil der volle Reisebetrag 30 Kalendertage vor Reisebeginn fälliggestellt wird, ohne daß sich die Bekl. verpflichtet, die Reiseunterlagen zu übergeben. Ob es überhaupt gestattet sein kann, die Fälligkeit des Reisepreises schon 30 Tage vor Reiseantritt eintreten zu lassen, kann dahinstehen; hierfür mögen bestimmte in der Art dieser Reisen angesiedelte Gründe sprechen können. Die Bekl. kann indes nicht die volle Zahlung entgegennehmen, ohne zugleich die Reiseunterlagen auszuhändigen, die für den Reisenden immerhin eine gewisse Sicherung seines Anspruchs auf die Reiseleistung darstellen, mithin seine grundsätzliche Vorleistungspflicht erträglich machen. Die Bekl. hat nicht erkennen lassen, daß sie es für selbstverständlich hält, die Reiseunterlagen bei Zahlung des Reisepreises auszuhändigen. Wäre es so, hätte sie jedenfalls die letzte Überarbeitung ihrer AGB zum Anlaß genommen, diese den im Reisegewerbe üblichen Fälligkeitsklauseln anzupassen (siehe z. B. die AGB in der Sache LG Frankfurt, NJW 1985, 149). Anders wäre nur zu entscheiden, wenn die Bekl. - wie sie in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz ausführt - in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem Satz 2 - etwa in dem von der Bekl. so bezeichneten „Vordersatz“ - den (restlichen) Reisepreis erst nach Erhalt der Reisepapiere fälliggestellt hätte. So ist es aber nicht.

2. Nr. 6: Rücktritt/Umbuchung des Kunden. Die Unterlassungsklage der Kl. ist aus § 10 Nr. 5 AGB-Gesetz begründet. Daß die beanstandete Klausel eine unzulässige Erklärungsfiktion enthält, wird von Rechtsprechung und Schrifttum nahezu einhellig bejaht (vgl. z. B. OLG Frankfurt, NJW 1982, 2198; LG München I, AGBE II Nr. 54; Löwe, S. 29; ders., in: MünchKomm, § 651 i. Rdnr. 7; Staudinger-Schwerdtner, § 651 i. Rdnr. 86; a. A. LG Berlin, AGBE IV Nr. 102).

Die Klausel betraf, wie sich aus dem vorgehenden Satz der Teilnahmebedingungen ergab, alle nachträglichen Änderungen hinsichtlich des Reisetermins, des Reiseziels, des Ortes des Reiseantritts, der Unterkunft und der Beförderung. Ein Kunde, der nachträglich beispielsweise nur das Hotel wechseln, zwei Wochen später als ursprünglich geplant reisen oder mit der Bahn fahren statt fliegen will, hat gerade nicht die Absicht, von dem gesamten Reisevertrag zurückzutreten, sondern will diesen nur anders ausgestalten. Die von der Kl. beanstandete Klausel legte dem Verlangen des Kunden also einen anderen Erklärungsinhalt bei als gewollt und ausgesprochen worden ist. Stimmte die Bekl. der Umbuchung zu, so wurde damit der bisherige Vertrag abgeändert, ohne daß für einen Rücktritt noch Raum blieb. Dies aber sind gerade die Fälle, die von § 10 Nr. 5 AGB-Gesetz erfaßt werden (vgl. Brandner, in: Ulmer-Brandner-Hensen, § 10 Nr. 5 Rdnr. 8), ohne daß eine der in § 10 Nr. 5 a oder b AGB-Gesetz normierten Ausnahmen hier vorlag. Daran ändert sich nichts dadurch, daß - worauf die Bekl. hinweist - der Kunde frei ist, ob er eine Umbuchung wünschen soll oder nicht. Die Bekl. durfte nicht aus diesem Änderungswunsch Rechtsfolgen herleiten, die nicht dem erklärten Willen des Kunden entsprachen und diesen benachteiligten, weil automatisch die Entschädigungsansprüche aus Nr. 6 der Teilnahmebedingungen ausgelöst wurden. Für den Fall des Rücktritts steht der Bekl. nach § 651i II 2 BGB i. V. mit Nr. 6 ihrer Teilnahmebedingungen ein Entschädigungsanspruch zu. Diesen will der Kunde aber gerade vermeiden, wenn er nur eine Änderung des Vertrages anstrebt. Die Bekl. ihrerseits ist nicht verpflichtet, diesem Wunsch nachzukommen. Verweigert sie die Umbuchung, muß es dem Kunden überlassen bleiben, ob er gleichwohl die ursprünglich gebuchte Reise antritt oder nunmehr seinen Rücktritt erklärt. Stimmt die Bekl. aber der Umbuchung zu, so hat sie sich mit einer Vertragsänderung einverstanden erklärt, ohne daß Entschädigungsansprüche nach Nr. 6 ihrer AGB begründet wären.

Rechtsgebiete

Reiserecht