Urlaubs-Gewinnspielwerbung eines Weinhändlers für Time-Sharing-Rechtsvertrieb

Gericht

OLG Koblenz


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

28. 05. 1996


Aktenzeichen

4 U 932/95


Leitsatz des Gerichts

Selbst wenn die innerhalb eines einwöchigen Ferienaufenthaltes eingebundene Verkaufsveranstaltung freiwillig ist und lediglich zwei Stunden dauert, muss bei einem Gewinnspiel über diesen Urlaub schon vorher auf die Verkaufsveranstaltung hingewiesen werden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl., ein eingetragener Verbraucherschutzverein, nimmt die Bekl. auf Unterlassung in Anspruch. Die Bekl. ist ein Weinhandelsunternehmen, das Weine und Spirituosen an Endverbraucher vertreibt. Im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit veranstaltet sie für ihre Kunden Gewinnspiele. In ihren auf dem Postweg versandten Teilnahmeaufforderungen kündigt sie als Hauptgewinn eine Woche Ferienaufenthalt für zwei Erwachsene und maximal zwei Kinder in ausgewählten Ferienanlagen in Deutschland, Österreich oder Spanien an. Die Gewinner erhalten im Auftrag der Bekl. von der Reiseveranstalterin, einer Vertriebs- und Marketing-Gesellschaft, einen Gutschein, in dem mehrere Ferienanlagen zur Auswahl gestellt werden. Der Gutschein enthält in einem gesonderten Absatz folgenden Hinweis: „Während Ihres Urlaubs stellen wir Ihnen kostenlos und völlig unverbindlich ein neues faszinierendes Urlaubssystem vor (Dauer ca. 2 Stunden)". Am Ferienort werden die Gewinner zu einer Veranstaltung eingeladen, auf der ihnen von der Ferienanlagenbetreiberin der Verkauf von Nutzungsrechten an Ferienappartements angeboten wird. Der Kl. hat von der Bekl., unter Bezeichnung von Ordnungsmitteln, zu unterlassen begehrt, „im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen eines Gewinnspiels als Gewinn einen Ferienaufenthalt anzukündigen, ohne eindeutig und unmißverständlich darauf hinzuweisen, daß der zu gewinnende Ferienaufenthalt gewerblichen Zwecken dient, nämlich dem Abschluß von Kaufverträgen über Nutzungsrechte an Ferienappartements“, hilfsweise „es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen eines Gewinnspiels einen Gewinn als Ferienaufenthalt anzukündigen, ohne eindeutig und unmißverständlich darauf hinzuweisen, daß bei dem zu gewinnenden Ferienaufenthalt in Form einer Verkaufsveranstaltung Kaufverträge über Nutzungsrechte an Ferienappartements angeboten werden.

Das LG hat die Bekl. gemäß dem hilfsweise formulierten Klageantrag verurteilt. Dagegen richtete sich die Berufung der Bekl., mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgte. Zur Begründung der Berufung trug sie u.a. vor, es sei nicht erforderlich, in der Aufforderung zur Teilnahme darauf hinzuweisen, daß während des zu gewinnenden einwöchigen Ferienaufenthalts eine zweistündige Verkaufsveranstaltung stattfinde. Der Ferienaufenthalt sei keine „Kaffee-Fahrt“, bei der der Teilnehmer keine Möglichkeit habe, einer Werbeveranstaltung zu entkommen. Eine solche Werbeveranstaltung sei nichts Außergewöhnliches. Heutzutage müsse jeder Urlauber, der eine Pauschalreise buche und antrete, mit Werbeveranstaltungen am Urlaubsort rechnen. Darüber hinaus würden die Gewinner vor Reiseantritt in dem Reisegutschein ausdrücklich auf die geplante Werbeveranstaltung hingewiesen. Die Gewinner könnten jederzeit frei entscheiden, ob sie den gewonnenen Ferienaufenthalt antreten wollten. Schließlich erfasse der Urteilstenor die zu unterlassende Verletzungshandlung nicht hinreichend genau. Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Der Unterlassungsanspruch ist gem. § 1 UWG begründet. Das von der Bekl. veranstaltete Gewinnspiel ist unlauter. Gewinnspiele sind zwar trotz gewisser Bedenken, denen sie im Hinblick auf den Leistungswettbewerb begegnen können, nicht schlechthin unlauter. Sie sind jedoch zu verbieten, wenn besondere Umstände vorliegen, die die Sittenwidrigkeit begründen. Solche Umstände können auch darin liegen, daß die Teilnehmer des Gewinnspiels über die Gewinnchancen und/oder den Wert der Gewinne irregeführt werden (BGH, NJW-RR 1995, 808 = LM H. 8/1995 § 1 UWG Nr. 683 = BB 1995, 1155 - Gewinnspiel II; NJW-RR 1989, 811 = LM § 1 UWG Nr. 512 = GRUR 1989, 434 (435) - Gewinnspiel; Baumbach/Hefermehl, WettbewerbsR, 18. Aufl., § 1 UWG Rdnrn. 151, 152). Das ist bei dem in Rede stehenden Gewinnspiel der Fall.

Der von der Bekl. angekündigte Gewinn entspricht nicht der tatsächlich gewährten Leistung. Als Hauptgewinn in Aussicht gestellt wird ein einwöchiger Ferienaufenthalt in ausgewählten Ferienanlagen in Deutschland, Österreich oder Spanien, während in Wahrheit den Gewinnern lediglich eine einwöchige Verkaufsreise angeboten wird. Anders als ein reiner Ferienaufenthalt dienen Verkaufsreisen zugleich dem Warenabsatz an die Reiseteilnehmer im Rahmen einer unterwegs stattfindenden Verkaufsveranstaltung (BGH, NJW-RR 1986, 395 = LM § 1 UWG Nr. 438 = GRUR 1986, 318 - Verkaufsfahrten; NJW-RR 1988, 225 = LM § 1 UWG Nr. 477 = GRUR 1988, 130 - Verkaufsreisen). Der von der Bekl. präsentierte Ferienaufenthalt erfüllt diese Voraussetzung, da er eine, wenn auch nur zweistündige Veranstaltung zum Verkauf von Nutzungsrechten an Ferienappartements einschließt.

Die Bekl. behauptet zwar, nicht in allen Ferienanlagen, die in dem beschriebenen Gutschein der Reiseveranstalterin dem Gewinner als Reiseziel zur Auswahl angeboten werden, fände zwangsläufig eine Verkaufsveranstaltung statt. Dieser Vortrag ist jedoch unsubstantiiert und damit unbeachtlich. Auch auf ausdrückliches Befragen hat die Bekl. kein Reiseziel benennen können, welches von einer Verkaufsveranstaltung ausgenommen sei. Die Bekl. trifft insoweit die Erklärungslast (§ 138 II ZPO). Denn ihr Vorbringen findet in dem Inhalt des vom Kl. vorgelegten Reisegutscheins keine Stütze. Danach bezieht sich der Hinweis auf die während des Ferienaufenthalts stattfindende Verkaufsveranstaltung ausnahmslos auf alle zur Auswahl gestellten Ferienanlagen. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Wenn die Bekl. dem zuwider geltend machen will, einzelne Anlagen seien von der Verkaufsveranstaltung nicht betroffen, hätte sie ihr diesbezügliches Vorbringen näher konkretisieren müssen. Von der unzureichenden Substantiierung abgesehen, wäre das Vorbringen - dessen Erheblichkeit unterstellt - auch als verspätet zurückzuweisen (§ 528 I ZPO). (Wird ausgeführt.)

Die Teilnehmer sind auf solchen Verkaufsreisen in besonderem Maße den Werbeeinflüssen des Veranstalters ausgesetzt. Insbesondere geschäftsunerfahrene Teilnehmer laufen Gefahr, unter der Einwirkung geschulter Verkäufer als Begleitpersonen sich irreführen und zu Vertragsabschlüssen verleiten zu lassen. Diese Gefährdungsmöglichkeiten treffen nicht nur auf eintägige Verkaufsfahrten (BGH, NJW-RR 1986, 395 = LM § 1 UWG Nr. 438 = GRUR 1986, 318 - Verkaufsfahrten), sondern in gleichem Maße auch auf mehrtägige (Auslands-)Reisen zu, selbst dann, wenn die eigentliche Verkaufsveranstaltung - wie vorliegend - gegenüber der gesamten Reisedauer zeitlich in den Hintergrund tritt (BGH, NJW-RR 1988, 225 = LM § 1 UWG Nr. 477 = GRUR 1988, 130 - Verkaufsreisen). Um eine Irreführung des angesprochenen Publikums zu vermeiden, müssen daher solche Verkaufsreisen in der Werbung gekennzeichnet werden. So ist es gefestigte Rechtsprechung, daß in einer auf Reiseteilnahme gerichteten Werbung ein eindeutiger, unmißverständlicher und unübersehbarer Hinweis auf die mit der Reise verbundene Verkaufsveranstaltung erfolgen muß (BGH, NJW-RR 1988, 225 = LM § 1 UWG Nr. 477 = GRUR 1988, 130 - Verkaufsreise; BGH, NJW-RR 1986, 395 = LM § 1 UWG Nr. 438 = GRUR 1986, 318 - Verkaufsfahrten).

Nichts anderes kann gelten, wenn die Verkaufsreise - wie vorliegend - als Sachwerbung in Form eines ausgesetzten Gewinns für ein Unternehmen und seine Erzeugnisse eingesetzt wird. Die Möglichkeit einer Gefährdung des umworbenen Kundenkreises ist in diesem Fall zwar weniger konkret, da es dem Gewinnspielveranstalter nicht darauf ankommt, die angesprochenen Kunden zu einer Reiseteilnahme zu bewegen. Der Werbezweck erschöpft sich in der Anlockwirkung des ausgesetzten Gewinns. Die Attraktivität des in Aussicht gestellten kostenlosen Ferienaufenthalts soll die Aufmerksamkeit des Publikums auf das werbende Unternehmen und seine Produkte lenken. Ob der Gewinner das Reiseangebot tatsächlich annimmt, ist für den Gewinnspielveranstalter, wenn überhaupt, nur von untergeordneter Bedeutung. Das Werbeziel ist mit der Gewinnspielteilnahme erreicht. Der Vorteil der Verkaufsreise besteht für den Gewinnspielveranstalter darin, daß er den ausgesetzten Gewinn in dieser Form kostengünstiger zur Verfügung stellen kann. Die Pflicht zur Kennzeichnung von Verkaufsreisen hängt jedoch nicht von einer konkreten Gefährdungssituation ab.

Sie knüpft an die abstrakten Besonderheiten einer Verkaufsreise an. Entscheidend ist die Vermeidung einer Irreführung des potentiellen Teilnehmers in der Werbung durch einseitiges Herausstellen der vorteilhaften Seiten eines kostenlosen oder kostengünstigen „Ferienaufenthalts“, ohne den Charakter einer Verkaufsreise kenntlich zu machen. Der Kunde muß in die Lage versetzt werden, über die Attraktivität eines solchen Werbeangebots selbst zu entscheiden. Das Gebot der Kennzeichnung von Verkaufsreisen gilt daher nicht nur in der Werbung für Verkaufsreisen, sondern auch in den Fällen, in denen mit einer Verkaufsreise geworben wird. Dieses Gebot mißachtet die Bekl., da sie in ihrer Aufforderung zur Gewinnspielteilnahme den ausgesetzten Gewinn nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend als Verkaufsreise kennzeichnet. Sie täuscht die Gewinnspielteilnehmer damit über die Gewinnchancen.

Der Hinweis auf die Verkaufsveranstaltung in der dem Gewinner ausgehändigten Reisegutschrift genügt dem Kennzeichnungsgebot nicht. Denn zu diesem Zeitpunkt ist die Werbung und die mit ihr verbundene Irreführung bereits abgeschlossen. Veranlaßt durch die besondere Attraktivität eines kostenlosen Ferienaufenthalts haben die angesprochenen Kunden durch Teilnahme am Gewinnspiel ihre Aufmerksamkeit der Bekl. zugewandt, obwohl sie bei Kenntnis der tatsächlichen Gewinnchancen möglicherweise von vornherein davon Abstand genommen hätten. Der Hinweis in dem Reisegutschein kann den Gewinner zwar noch dazu bewegen, den Gewinn auszuschlagen, die Irreführung der Gewinnspielteilnehmer jedoch nicht mehr beseitigen. Der nachträgliche Hinweis in der von der Bekl. veranlaßten Reisegutschrift verdeutlicht vielmehr, daß ihr die Pflicht zur Kennzeichnung einer Verkaufsreise bekannt ist und sie in ihrer Aufforderung zur Gewinnspielteilnahme die tatsächliche Gewinnchance bewußt verschweigt, um die Werbewirksamkeit ihres Gewinnspiels zu erhöhen. Ein solches bewußt auf Irreführung des angesprochenen Publikums ausgerichtetes Werbeverhalten ist als unlauter nach § 1 UWG zu mißbilligen (vgl. BGH, NJW-RR 1995, 808 = LM H. 8/1995 § 1 UWG Nr. 683 = BB 1995, 1155 (1156) - Gewinnspiel II ... ).

2. Die Auffassung des Urteilstenors ist nicht zu beanstanden. Er beschreibt die zu unterlassende Wettbewerbshandlung hinreichend genau. Die von der Bekl. vorgenommene Auslegung, der Tenor verpflichte zu einem Hinweis auf die während des Ferienaufenthalts angebotene Verkaufsveranstaltung auch dann, wenn mit dem als Gewinn angekündigten Ferienaufenthalt eine Verkaufsveranstaltung überhaupt nicht verbunden sei, ist nach dem Wortlaut des Tenors zwar theoretisch möglich, sie würde jedoch zu einem widersinnigen und damit erkennbar unzutreffenden Ergebnis führen. Der Urteilstenor ist sinnentsprechend auszulegen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 19. Aufl., § 313 Rdnr. 8 m. w. Nachw.). Er kann sich vorliegend nur auf solche Gewinnankündigungen beziehen, wie sie Gegenstand des Verfahrens sind. Danach kann kein Zweifel bestehen, daß der im Tenor vorgeschriebene Hinweis nur dann erfolgen muß, wenn mit dem als Gewinn angekündigten Ferienaufenthalt tatsächlich eine Verkaufsveranstaltung der genannten Art verbunden ist.

Rechtsgebiete

Reiserecht; Wettbewerbsrecht

Normen

UWG § 1