Anteile der Miterben bei Bodenreformgrundstück
Gericht
LG Leipzig (4. Zivilkammer)
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
09. 07. 1993
Aktenzeichen
4 T 3232/93
Eigentümer eines Grundstücks aus der Bodenreform, in dessen Grundbuch eine verstorbene Person eingetragen ist, sind deren Erben zu Bruchteilen.
Die einzelnen Anteile der Miterben bestimmen sich nach den in dem Erbschein ausgewiesenen Erbquoten; § 742 BGB als Ausnahmevorschrift ist nicht anwendbar.
Gegen eine erfolgte Eintragung der Erben zu gleichen Bruchteilen ist die Eintragung eines Amtswiderspruches gem. § 53 GBO zulässig.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Bei den Bf. handelt es sich um die Erben des am 11. 2. 1975 in P. verstorbenen D. Laut gemeinschaftlichem Erbschein des KreisG Grimma vom 27. 11. 1992 wurde der Erblasser beerbt von den Bet. zu 1-3 zu je 1/4 und den Bet. 4 und 5 zu je 1/8. Am 14. 12. beantragten die Bf. die Berichtigung des Grundbuches von G. dahingehend, daß nunmehr sie als neue Eigentümer des o. g. Grundstückes entsprechend der durch Erbschein ausgewiesenen Erbteile eingetragen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Erblasser als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Dieser hatte das Grundstück im Zuge der Bodenreform zu Eigentum erlangt. Ein entsprechender Bodenreformvermerk war im Grundbuch eingetragen. Entgegen dem Antrag der Bf. trug das Grundbuchamt diese als Eigentümer zu gleichen Teilen (je 1/5) im Grundbuch von P. ein. Auf einen entsprechenden Hinweis der Bf. wies der zuständige Rechtspfleger des Grundbuchamtes diese auf die Vorschrift des Art. 233 § 11 EGBGB hin. Danach seien bei Erbfolge in Bodenreformgrundstücke die tatsächlichen Erbquoten unbeachtlich und die Eintragung zu gleichen Teilen vorzunehmen.
Hiergegen wenden sich die Bf. mit ihrem Rechtsmittel vom 18. 2. 1993. Das Grundbuchamt hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen. Die Beschwerde der Bf. hatte Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Das als Erinnerung auszulegende (§ 300 StPO entsprechend) und
nunmehr als Beschwerde zu behandelnde (§ 11 II 4, 5 RpflG)
Rechtsmittel der Bf. ist zulässig gem. § 71 GBO und auch
begründet.
Die Beschwerde ist dahingehend auszulegen, daß gem. § 71 II 2
GBO beantragt wird, das Grundbuchamt anzuweisen, nach § 53 einen
Widerspruch einzutragen oder eine Löschung vorzunehmen. Insoweit
ist die (beschränkte) Beschwerde zulässig.
Die Beschwerde ist auch begründet. Das Grundbuchamt ist anzuweisen, einen Amtswiderspruch gegen die vollzogene Eintragung der Bf. einzutragen.
Die Erben und Erbeserben des Erblassers sind Erben des Grundstückes entsprechend der sich aus dem Erbschein ergebenden Erbquoten geworden. Mit diesen Quoten wären sie auch im Grundbuch einzutragen gewesen.
Dem steht nicht entgegen, daß es sich bei dem betroffenen Grundstück um sog. Bodenreformland handelte. Die rechtliche Behandlung dieser sog. Alterbfälle aus der Bodenreform bemißt sich nach dem durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz in Art. 233 EGBGB neu eingefügten § 11 II Nr. 2. . Diese Vorschrift erfaßt auch solche Grundstücke, bei denen bei Ablauf des 15. 3. 1990 eine verstorbene natürliche Person als Eigentümer eingetragen war.
Hinsichtlich der Erben dieser Eigentümer verweist § 11 II 2 auf die Vorschriften des 15. Titels des 2. Buches des BGB (§§ 741 ff.). . Daraus folgt aber nicht, daß die Erben entsprechend § 742 BGB zu gleichen Teilen im Grundbuch einzutragen wären. Dies war nicht Sinn und Zweck der Verweisung. Um bei den (regelmäßig mehreren) Erben das Problem des Innenausgleiches zu vermeiden, wählte das Gesetz als zu bestimmenden Eigentümer eine Gemeinschaft, die aus Erben besteht. Auf diese sind die Vorschriften der Erbengemeinschaft gerade nicht anwendbar; vielmehr handelt es sich um eine Bruchteilsgemeinschaft. Folge dieser rechtlichen Einordnung ist aber nicht die Eintragung der Erben zu gleichen Teilen. Aus dem Wortlaut des § 742 BGB ergibt sich nämlich, daß es sich hier nur um eine Zweifelsregelung handelt. Diese ist insbesondere dann nicht anwendbar, wenn sie infolge besonderer Umstände der Sachlage nicht gerecht wird (vgl. RG4169, 239; Palandt/Thomas, § 742 Rdnr. 1).
Solche besonderen Umstände, die zur Nichtanwendung des § 742 führen, sind die erbrechtlichen Prinzipien, also insbesondere die Beachtung des Erblasserwillens und - subsidiär - die gesetzliche Erbfolge. Dies ist für den Fall der Erbengemeinschaft nach den §§ 2032 ff. BGB ausdrücklich anerkannt (vgl. Staudinger/Huber, § 741 Rdnr. 14). Letztlich liegt aber auch bei einer Gemeinschaft von Erben im vorliegenden Fall keine Sachlage vor, die eine andere Bewertung rechtfertigte. Auch hier ist der Erblasserwille, bzw. die gesetzliche Erbfolge vorrangig zu berücksichtigen. Ein Rückgriff auf die Auffangvorschrift des § 742 BGB ist nicht möglich. Die hier vertretene Rechtsauffassung wird in dem Entwurf eines Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes (RegVBG) vom 18. 5. 1993 gedeckt. Danach wird vorgeschlagen, den § 11 II 2 wie folgt zu ergänzen:
„Die Bruchteile bestimmen sich jedoch nach den Erbteilen, sofern nicht die Teilhaber übereinstimmend eine andere Aufteilung der Bruchteile bewilligen."
Die Erben wären demzufolge als Gemeinschaft von Erben gemäß der jeweiligen Erbquoten im Grundbuch einzutragen gewesen.
Diese Rechtsauffassung deckt sich auch mit § 47 GBO, der gerade pauschale Zuweisung/Eintragungen nur im Hinblick auf § 742 BGB verhindern will (vgl. RG454, 56; Palandt/Thomas, § 742 Rdnr. 1).
Da das Grundbuch insoweit eine andere Aussage trifft, als sie der tatsächlichen Rechtslage entspricht, ist dieses unrichtig.
Das Grundbuchamt hat gegen Rechtsvorschriften verstoßen, da es sachlich etwas anderes eingetragen hat, als bewilligt und beantragt ist. Dies ist nicht zulässig, § 13 GBO (vgl. hierzu BayObLG HRR 1935 Nr. 128).
Ob eine Gesetzesverletzung insoweit auch in der nicht tragbaren Auslegung des Art. 233 § 11 II Nr. 2 EGBGB liegt, ist angesichts der unklaren Gesetzeslage zweifelhaft, kann jedoch aufgrund anderweitiger Gesetzesverletzung dahingestellt bleiben.
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