PKK - Drohungen nach der Verhaftung Öcalans als Reisekündigungsgrund

Gericht

AG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

16. 06. 2000


Aktenzeichen

17A C 471/99


Leitsatz des Gerichts

Ein Reisevertrag über eine Reise in die Türkei kann wegen der Drohungen der PKK nach der Verhaftung ihres Führers Öcalan nicht wegen höherer Gewalt gekündigt werden.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl., die eine Reise nach Kemer (Türkei) mit Reisebeginn am 16. 3. 1999 gebucht hatte, hat den Reisevertrag unter Hinweis auf die Folgen der Verhaftung Öcalans gekündigt und hat mit der Klage Auszahlung der von dem bekl. Reiseveranstalter einbehaltenen Stornogebühren in Höhe von 956 DM verlangt.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

Der Kl. steht ein Anspruch auf Rückzahlung der als sog. Stornogebühren von der Bekl. einbehaltenen 956 DM nicht aus der allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Vorschrift des § 651j II i.V. mit §§ 651e III 1, 346 BGB zu.

Die Kl. konnte den mit der Bekl. zu Stande gekommenen Reisevertrag nicht wegen höherer Gewalt nach § 651j I BGB kündigen. Ein Fall höherer Gewalt in diesem Sinn wird etwa angenommen bei Krieg bzw. Kriegsgefahr, bürgerkriegsähnlichen Zuständen sowie zielgerichteten und systematischen Terrorakten gegen Touristen; politische Unruhen und allgemein politische Krisen in dem Zielgebiet reichen dagegen nicht aus (vgl. Führich, ReisevertragsR, 3. Aufl., Rdnr. 439). Es steht nach Bestreiten der Bekl. nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass über die allgemein bekannte und grundsätzlich in der Türkei bestehende Gefahr von Anschlägen durch PKK-Aktivisten unmittelbar vor dem geplanten Beginn der Reise am 16. 3. 1999 eine plötzliche Verschärfung dergestalt eingetreten ist, dass die Kl. im Urlaubsgebiet mit gezielt und systematisch gegen Touristen gerichteten Terrorakten rechnen müsste. Die von der Kl. als Beweis angebotene Auskunft des Auswärtigen Amtes für die Zeit ab dem 15. 3. 1999 bestätigt die Behauptung höherer Gewalt nicht. Zur Kündigung nach § 651j I BGB berechtigt die Auskunft des Auswärtigen Amtes regelmäßig nur, wenn sie für das entsprechende Zielgebiet eine generelle Reisewarnung ausspricht (Führich, Rdnr. 439). Eine solche enthält die eingeholte Auskunft für das Touristengebiet um Kemer nicht. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass es keine „hundertprozentige Sicherheit“ in den Touristenzentren um Antalya gebe und dass Hinweise der Reiseveranstalter unbedingt zu befolgen seien. Abgeraten, überhaupt dorthin zu reisen, wird aber nicht. Vielmehr spricht die Bemerkung, es lägen derzeit keine Erkenntnisse vor, die auf konkrete Gefährdungen hinweisen würden, eindeutig gegen die Annahme, dass sich die allgemeine Lage plötzlich massiv verschlechtert hat.

Dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 651j I BGB entsprechend, nur in engen Ausnahmefällen dem Reiseveranstalter das Risiko für von ihm nicht beherrschbare Umstände im Urlaubsgebiet aufzuerlegen, war dabei höhere Gewalt zu verneinen.

Rechtsgebiete

Reiserecht