Aufklärungspflicht des Tierarztes
Gericht
AG Stuttgart
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
26. 08. 1993
Aktenzeichen
9 C 9443/92
Erscheinen mehrere diagnostische Vorgehensweisen erfolgversprechend und ist eine notfallmäßige Abklärung nicht erforderlich, so ist ein Tierarzt verpflichtet, den Halter eines Haustieres darauf hinzuweisen, daß anstelle eines operativen Eingriffs (Probe-Laparotomie) eine weniger belastende Maßnahme (Ultraschalluntersuchung) in Betracht kommt.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die bekl. Hundehalterin konsultierte den kl. Tierarzt, weil ihr eine Umfangsvermehrung und Verhärtung des Bauchs ihrer Hündin aufgefallen war. Der Kl. äußerte den Verdacht auf Trächtigkeit der Hündin. Nach seiner Darstellung schloß die Bekl. eine Trächtigkeit „mit Sicherheit“ aus; nach dem Vortrag der Bekl. lautete die Äußerung, „ihres Wissens" sei das Tier nicht trächtig. Der Kl. veranlaßte eine Blutuntersuchung, die einen mäßig erhöhten Leukozytenwert ergab. Der Kl. erklärte, es müsse eine Gebärmuttervereiterung vorliegen und nahm eine Laparotomie (Eröffnung der Bauchhöhle) zur Diagnosesicherung vor. Dabei stellte sich heraus, daß die Hündin trächtig war. Die Bauchhöhle wurde wieder verschlossen; einen Monat später warf die Hündin sechs gesunde Welpen. Mit seiner Klage verlangt der Kl. Honorar für Untersuchungen, Blutprobe und eine diagnostische Laparotomie nebst Narkose- und Injektionskosten. Die Bekl. hat u. a. eingewandt, der Bekl. habe sie darauf hinweisen müssen, daß die nach seinem Vortrag im Vordergrund stehende Frage der Trächtigkeit auch anders als durch eine Operation hätte geklärt werden können. Zutreffend aufgeklärt würde sie sich für eine derartige Untersuchungsmaßnahme entschieden und, falls dem Kl. die hierzu erforderliche apparative Ausstattung gefehlt habe, einen anderen Tierarzt konsultiert haben. Die durchgeführte Operation sei mangels wirksamer Einwilligung eine rechtswidrige, zum Schadensersatz verpflichtende Sachbeschädigung.
Das AG, das die Frage einer Anrechnung ersparter Aufwendungen (für eine Ultraschalluntersuchung) mangels diesbezüglichen Vortrags des Kl. nicht zu entscheiden brauchte, hat die Klage im wesentlichen abgewiesen.
Auszüge aus den Gründen:
Die Klage ist in Höhe von 65,34 DM, das heißt bezüglich der Untersuchungen und der Blutprobe sowie Mehrwertsteuer und abgegebenem Futter begründet, im übrigen war die Klage abzuweisen, da laut Aussage des Gutachters, Prof. Dr. L vom 7. 6. 1993 die Möglichkeit bestanden hätte, ohne Eingriff in das Tier durch Ultraschall die Diagnose vorzunehmen. Der Kl. wäre verpflichtet gewesen, die Bekl. darauf hinzuweisen, auch wenn er kein eigenes Ultraschallgerät besitzt.
Aufgrund des eigenen Vortrags des Kl. war bei der Untersuchung des Hundes der Bekl. nicht vollkommen auszuschließen, daß eine Deckung des Hundes vorlag. Nach Ansicht des Gutachters L konnte zu dem Untersuchungszeitpunkt möglicherweise auch eine Gebärmuttervereiterung vorliegen. Die typischen Merkmale einer Gebärmuttervereiterung waren hier nicht erkennbar. Es erscheint in diesem Stadium der Untersuchung als angemessen, eine Blutprobe zunächst durchzuführen, da der Sachverständige erklärt, daß eine hochgradige Erhöhung der Leukozytenwerte auf eine Gebärmutterentzündung hinweisen könne. Nachdem dies nach Durchführung der Blutprobe allerdings nicht der Fall war, bestanden offensichtlich keine erhöhten Hinweise darauf, daß es sich um eine Gebärmuttervereiterung handeln könnte.
Insoweit, da nach eigenen Angaben des Kl. eine Trächtigkeit des Hundes nicht auszuschließen war, hätte der Kl. die Bekl. darauf hinweisen müssen, nachdem eine röntgologische Untersuchung ebenfalls nicht in Betracht kam, daß sie die Diagnose bei einem anderen Arzt durch Ultraschall hätte feststellen lassen können. Der Sachverständige konnte nicht bestätigen, daß eine besondere Eilbedürftigkeit für die Entfernung einer vereiterten Gebärmutter vorgelegen hatte. Zumindest hätte die Bekl. als Hundebesitzerin die Möglichkeit haben müssen, auszuwählen, welche Diagnosemethode insbesondere im Hinblick auf die Kosten sie wählen will. Der Kl. kann also, insoweit eine Laparotomie durchgeführt wurde, diese Kosten von der Bekl. nicht verlangen. Andererseits waren Untersuchung und Blutprobe notwendig und zu bezahlen sowie das abgegebene Futter.
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