Dokumentation der Implantation eines Herzschrittmachers

Gericht

OLG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

07. 10. 1993


Aktenzeichen

8 U 105/92


Leitsatz des Gerichts

Das Fehlen einer ins einzelne gehenden Beschreibung der Plazierung des Aggregats eines Herzschrittmachers im Bericht über die Implantation rechtfertigt es allein nicht, dem klagenden Patienten Beweiserleichterungen beim Nachweis eines Implantationsfehlers zuzubilligen, wenn das Schrittmacheraggregat längere Zeit nach der Implantation an einer Stelle gefunden wird, an der es Beschwerden verursacht.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. wurde am 13. 8. 1984 unter der Diagnose eines Sick-Sinus-Syndroms mit Adams-Stokes-Anfällen in die Chirurgische Klinik des D-Krankenhauses aufgenommen. Am 22. 8. 1984 erfolgte dort die Implantation eines sequentiellen Herzschrittmachers vom Typ Pacesetter mit einer Ventrikel- und einer Vorhof-Elektrode. Die Implantation wurde von dem Bekl. auf der rechten Seite unterhalb des Schlüsselbeins vorgenommen, wobei die Elektroden über die Vena cephalica und über einen Nebenast der Vena subclavia zum Herzen geführt wurden. In einem Arztbrief vom 4. 9. 1984 an die Internisten Dr. M und Dr. P wird der postoperative Verlauf bis auf die Entwicklung eines geringfügigen Hämatoms als unauffällig beschrieben. Der Kl. hat vorgetragen, er habe gleich nach dem Eingriff über Schmerzen im Operationsbereich geklagt. Am 31. 8. 1984 wurde der Kl. aus der stationären Behandlung entlassen. Ambulante Kontrolluntersuchungen fanden im Oktober 1984, April und Oktober 1985 statt, wobei nur die erste dieser Untersuchungen von dem Bekl. vorgenommen wurde. Anfang Februar 1987 suchte der Kl. den Orthopäden Dr. T wegen in den rechten Arm ausstrahlender Schmerzen im Bereich des rechten Schlüsselbeins auf. Dr. T stellte aufgrund einer Röntgenuntersuchung fest, daß der Herzschrittmacher etwa 5cm zu hoch saß. Am 6. 3. 1987 nahm der Gefäßchirurg Dr. J in der Chirurgischen Klinik der Städtischen Krankenanstalten K. eine Verlagerung des Schrittmachers vor, nachdem er am Vortag festgestellt hatte, daß das Schrittmacheraggregat unmittelbar infraclaviculär lag und Bewegungen des Schrittmachers starke, in den Arm ausstrahlende Schmerzen verursachten.

Das LG hat die Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

Das auf die Zahlung eines Schmerzensgeldes gerichtete prozessuale Begehren des Kl. scheitert auch im Berufungsverfahren, weil sich ein Behandlungsfehler des Bekl. nicht feststellen läßt, somit die tatbestandlichen Voraussetzungen der allein zu prüfenden gesetzlichen Anspruchsgrundlage (§§ 823 I, 847 I BGB) nicht erfüllt sind. Die erstinstanzliche Beweisaufnahme ermöglicht eine ausreichend sichere Beurteilung des hier interessierenden medizinischen Behandlungsgeschehens. Weiterer Sachaufklärung bedarf es nicht.

Es läßt sich nicht feststellen, daß der Bekl. die Implantation des Herzschrittmachers am 22. 8. 1984 regelwidrig vorgenommen hat. Dem Bekl. kann haftungsrechtlich auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß es nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt zu einem Korrektureingriff gekommen ist.

I. Der Kl., den entgegen seiner Auffassung die Beweislast trifft, hat nicht den Nachweis zu erbringen vermocht, daß der Bekl. das Aggregat des Schrittmachers, dessen Bewegungen im Frühjahr 1987 Beschwerden verursacht haben, regelwidrig zu hoch implantiert hat. Beweiserleichterungen zugunsten des Kl. im Zusammenhang mit dem Vorwurf fehlerhafter Plazierung des Schrittmacheraggregats lassen sich nicht rechtfertigen.

2. Dem Kl. können Beweiserleichterungen, was den ihm obliegenden Nachweis regelwidrigen Vorgehens des Bekl. bei der Operation vom 22. 8. 1984 angeht, nicht zugebilligt werden.

a) Der Umstand, daß im Frühjahr 1987 Anlaß zu einer Korrektur der Lage des Schrittmacheraggregats bestanden hat, rechtfertigt allein nicht etwa im Sinne eines Anscheinsbeweises die Feststellung einer fehlerhaften Implantation. Dem steht entgegen, daß es auch nach einer in jeder Hinsicht korrekten Implantation zu einer Verlagerung des Aggregats kommen kann, wie sie der Sachverständige Dr. P auch hier als die Ursache für die im Frühjahr 1987 erhobenen Befunde ansieht.

b) Entgegen der Auffassung des Kl. ist auch ein beweisrechtlich relevantes Dokumentationsversäumnis des Bekl. nicht gegeben.

Die Dokumentationspflicht des Arztes dient der Sicherheit des Patienten in der Behandlung und erstreckt sich auf die wichtigsten diagnostischen Maßnahmen und die Verlaufsdaten (vgl. BGHZ 72, 132 = NJW 1978, 2337; BGH, NJW 1985, 2193 = VersR 1985, 782; NJW 1986, 2365 = VersR 1986, 788; NJW 1989, 2330 = VersR 1989, 512). Eine Dokumentation, die medizinisch nicht geboten ist, kann auch nicht aus Rechtsgründen, nämlich etwa zu dem Zweck, dem Patienten die Beweisführung in einem späteren Haftungsprozeß zu erleichtern, gefordert werden (vgl. BGH, NJW 1989, 2330 = VersR 1989, 512; NJW 1993, 2375 (2376)).

Aus medizinischen Gründen bedurfte es einer genaueren Beschreibung der Lage des Schrittmacheraggregats im Operationsbericht nicht. Aus diesem ergibt sich, daß die Elektroden und das Aggregat auf der rechten Seite implantiert worden sind. Diese Angaben waren zur Dokumentation des Eingriffs ausreichend. Die Lage des Aggregats läßt sich nachfolgend jederzeit, wenn nicht schon durch bloße Tastuntersuchung, so jedenfalls mit Hilfe einer Röntgenkontrolle zuverlässig feststellen. Ob diese Lage den ursprünglichen Verhältnissen nach der Implantation entspricht, ist für die Beurteilung und Feststellung der Ursachen nachträglich aufgetretener Beschwerden aus medizinischer Sicht nicht von entscheidender Bedeutung. Es bleibt somit allein das Interesse des Patienten, mit Hilfe der Dokumentation der genauen Lage des Aggregats im Zeitpunkt der Implantation eine nachfolgende Prozeßführung zu erleichtern. Dieses Interesse reicht indessen nicht aus, eine Dokumentationspflicht des Arztes zu begründen.

Rechtsgebiete

Arzthaftungsrecht

Normen

BGB §§ 823, 847