Tierhalterhaftung für Hunde 2
Gericht
LG Osnabrück
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
13. 03. 1998
Aktenzeichen
12 S 516–97
Lebt der Hund der Ehefrau seit Jahren im gemeinsamen Haushalt der Eheleute und hat der Ehemann für ihn eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, so ist in der Regel auch der Ehemann als Halter anzusehen.
§ 833 S. 2 BGB findet keine Anwendung, wenn der Hund zur Züchtung eingesetzt und gelegentlich auch prämiert worden ist.
Zur Verursachungsabwägung bei Verletzung durch zwei sich streitende Hunde.
Zum Sachverhalt:
Der Kl. verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einen Vorfall, der sich am 9. 2. 1997 ereignet hat. Der Kl. ging mit seinem Rauhhaardackel, der nicht angeleint war, spazieren. Die Bekl. hatte ihre Hündin, einen Collie, bei dem Zeugen Z gelassen, der Kaufinteresse hatte. Als der Kl. mit seinem Teckel in der Nähe des Hauses des Zeugen Z war, entwischte der Collie der Bekl. durch eine geöffnete Tür und lief auf den Teckel des Kl. zu. Es kam zu einer Beißerei zwischen den Hunden, in die sowohl der Zeuge als auch der Kl. und sein Vater, der Zeuge V , eingriffen. Der Kl. behauptet, er sei bei dem Versuch, die Hunde auseinanderzubringen, verletzt worden. Insoweit verweist er auf ein Attest. Er ist der Ansicht, die Bekl. seien als Hundehalter verpflichtet, ihm ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 1500 DM zu zahlen und die materiellen Schäden von 718,63 DM ersetzen. Die Bekl. bestreiten, daß sie Halter der Collie-Hündin seien. Sie behaupten, Grund für die Auseinandersetzung der Hunde sei gewesen, daß der Dackel des Kl. laut gebellt und „randaliert“ habe. Dieser habe auch mit der Beißerei begonnen. Die gesamte Auseinandersetzung sei deshalb maßgeblich vom Hund des Kl. verursacht worden.
Das AG hat die Haltereigenschaft der Bekl. bejaht und sie zur Zahlung des geltend gemachten materiellen Schadens sowie eines Schmerzensgeldes von 800 DM verurteilt. Es hat als auslösenden Faktor des Vorfalles vom 9. 2. 1997 die Tatsache angesehen, daß es dem Hund der Bekl. gelungen sei, durch die geöffnete Tür nach draußen zu entwischen. Die Berufung der Bekl. hatte teilweise Erfolg.
Aus den Gründen:
Die Bekl. sind dem Kl. gem. § 833 S. 1 BGB zum Ersatz von 70% des ihm durch den Vorfall vom 9. 2. 1997 entstandenen Schadens, mithin zur Zahlung von 503,04 DM verpflichtet.
Das AG ist zutreffend davon ausgegangen, daß beide Bekl. zum Vorfallszeitpunkt Halter der Colliehündin waren und als solche für den durch sie verursachten Schaden einzutreten haben. Für die Tierhaltereigenschaft sind nach ständiger Rechtsprechung nicht die Eigentumsverhältnisse maßgebend, sondern entscheidend ist allein, von wem das Tier im eigenen Hausstand und im eigenen Interesse auf Dauer betreut wird (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1972, 403). Allein der Umstand, daß die Bekl. zu 1 hier Eigentümerin des Tieres gewesen ist, ist somit in bezug auf die Frage der Haltereigenschaft des Bekl. zu 2 ohne Bedeutung. Diese ist dadurch nicht zugleich ausgeschlossen, denn als Ehemann der Bekl. zu 1 kann er gleichzeitig ebenso Tierhalter sein. Andererseits ist die Tatsache, daß die Bekl. miteinander verheiratet sind und in einem gemeinsamen Haushalt leben, für sich genommen nicht geeignet festzustellen, daß auch der Bekl. zu 2 Halter der Hündin ist bzw. war (vgl. LG Wuppertal, MDR 1993, 1064). Vorliegend kommt jedoch hinzu, daß die Hündin seit einigen Jahren bereits im gemeinsamen Hausstand der Bekl., somit auch in der Einflußsphäre des Bekl. zu 2 gehalten wurde. Ferner hat der Bekl. zu 2 dadurch, daß er selbst für die Hündin eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, deutlich gemacht, daß er sich für diese ebenso verantwortlich gefühlt hat (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1972, 403; LG Paderborn, NJW-RR 1996, 154). Nach Auffassung der Kammer kann angesichts dessen kein Zweifel an der Haltereigenschaft beider Bekl. bestehen.
Das AG hat sodann nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme auch zutreffend festgestellt, daß die Hündin der Bekl. die Verletzung des Kl. mitverursacht hat, auch wenn nicht sicher ist, ob nun das Tier des Kl. oder das der Bekl. ihm die Bißverletzung zugefügt hat. Die Verletzung ist letztlich von beiden Hunden mitverursacht worden, was zur Haftung der Bekl. ausreicht. Die typische Tiergefahr hat sich hier gerade dadurch verwirklicht, daß zwei Hunde eine Beißerei begonnen und so gegenseitig aufeinander eingewirkt haben, wodurch sich die Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens erhöht hat. In einem solchen Fall sind grundsätzlich alle beteiligten Hundehalter nach § 833 S. 1 BGB für die Schäden ersatzpflichtig, die die Hunde einem Dritten oder auch einem der Halter selbst zufügen (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1972, 403).
Die so grundsätzlich gegebene Haftung der Bekl. ist nicht gem. § 833 S. 2 BGB ausgeschlossen. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Hündin der Bekl. deren Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt zu dienen bestimmt gewesen wäre und entweder die Bekl. bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet haben oder der Schaden auch bei der Anwendung solcher Sorgfalt entstanden sein würde. Die Voraussetzungen dieses Haftungsausschlusses sind jedoch vorliegend nicht festzustellen. Allein die Behauptung, die Hündin sei von der Bekl. zur Zucht eingesetzt und langjährig auch als Ausstellungshund prämiert worden, ist unzureichend, denn der Haftungsausschluß greift nur dann, wenn das Tier überwiegend oder jedenfalls in einem so erheblichen Umfang zu Erwerbszwecken genutzt wird, daß andere, so auch ideelle Zweckbestimmungen, völlig zurücktreten. Dies ist aus dem Vortrag der Bekl. indes nicht ersichtlich.
Unabhängig davon haben die Bekl. auch keine ausreichenden Tatsachen zu ihrer Entlastung i. S. des § 833 S. 2 BGB vorgebracht, sondern lediglich eine Wertung dahingehend vorgenommen, daß der Zeuge Z, dem sie die Hündin überlassen hatten, als Tierhüter sicherlich eine geeignete Person gewesen sei, ferner daß es unvermeidbar gewesen sei, daß die Hündin angesichts des Besuchs der Eltern des Zeugen Z durch die Tür entwischte. Letzteres ist gerade nicht nachvollziehbar, denn der Zeuge hätte in jedem Fall dafür Sorge tragen können und müssen, daß die Hündin beim Öffnen der Wohnungstür die Wohnung nicht verlassen konnte.
Nach Auffassung der Kammer ist der sich für den Kl. ergebende Schadensersatzanspruch ebenso wie der vom AG zuerkannte Schmerzensgeldanspruch jedoch entsprechend § 254 BGB zu kürzen. Es erscheint angezeigt, die Mithaftung des Kl. mit 30% anzunehmen. Auch wenn nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme nicht festgestellt werden kann, daß das Bellen des klägerischen Hundes der Auslöser dafür war, daß die Hündin der Bekl. aus der Wohnung entwischte und auf die Straße lief, so hat sich dennoch beim Zusammentreffen und der Auseinandersetzung der Hunde die typische Tiergefahr auf beiden Seiten verwirklicht. Die Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens ist gerade dadurch erhöht worden, daß sie gegenseitig so aufeinander eingewirkt haben, daß der Kl. eingreifen mußte. Bei der entsprechend § 254 BGB vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Anteile ist jedoch der von der Hündin der Bekl. ausgehende Beitrag deutlich höher zu gewichten, als der Anteil, der auf dem Verhalten des Hundes des Kl. beruht, zumal das Entweichen der Hündin der Bekl. der Auslöser für die Auseinandersetzung der beiden Hunde war.
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