Schadensteilung bei Zusammenstoß mit Gegenverkehr, der bei Rot in die Kreuzung einfährt - Mithaftung des Linksabbiegers bei Rotlichtverstoß des Entgegenkommenden

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

02. 01. 1989


Aktenzeichen

13 U 7/88


Leitsatz des Gerichts

Den Linksabbieger trifft eine Mithaftung von 50 %, wenn er mit einem Fahrzeug des Gegenverkehrs kollidiert, welches an anhaltenden Fahrzeugen vorbei mit unverminderter Geschwindigkeit in der ersten Rotsekunde in die Kreuzung einfährt.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der Pkw der Kl. kollidierte beim Linksabbiegen mit dem entgegenkommenden Pkw des Bekl. Dieser war mit unverminderter Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren, als Fahrzeuge in den anderen Fahrspuren bereits wegen der auf Rot umschaltenden Ampel angehalten hatten.
Das LG hat der auf Ersatz des Unfallschadens gerichteten Klage nur zu 50 % stattgegeben. Die Berufung der Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:
... In welchem Umfang die Bekl. zum Schadensersatz verpflichtet sind, richtet sich gem. § 17 I 2 StVG nach den Umständen, insb. danach, ob der Schaden vorwiegend von der einen oder anderen Partei verursacht worden ist. Dabei ist jede Partei für die Umstände, die die Betriebsgefahr des Fahrzeuges der anderen Partei erhöhen können, darlegungs- und beweispflichtig.

a) Zu Lasten des Bekl. läßt sich feststellen, daß er bei Rot in die Ampelkreuzung einfuhr. Er passierte die Lichtzeichenanlage, als diese 0,5 Sek. vorher von Gelb auf Rot umgesprungen war. Dies steht nach den Ausführungen des Sachverständigen fest ...

b) Andererseits ist zu Lasten der Kl. wegen eines schuldhaften Verstoßes gegen § 9 III 1 StVO eine unfallmitursächlich erhöhte Betriebsgefahr ihres Pkw zu berücksichtigen. Nach ihren eigenen Angaben ist die Kl. angefahren und dann in der Fahrbahn des entgegenkommenden Bekl. mit diesem kollidiert. Deshalb spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß die Kl. den Vorrang des entgegenkommenden Verkehrs nicht beachtet hat (vgl. Jagusch-Hentschel, StraßenverkehrsR, 29. Aufl., § 9 StVO Rdnr. 55 m. w. Nachw.). Die Kl. hat den Anscheinsbeweis nicht erschüttert, das heißt hier nicht den notwendigen Gegenbeweis dafür erbracht, daß der Bekl. später als in der ersten Rotsekunde in die Ampelkreuzung eingefahren ist. Als bevorrechtigter Verkehr gegenüber der Kl. ist jedoch auch noch der bei spätem Gelb oder in der ersten Rotsekunde einfahrende Gegenverkehr anzusehen; die Kl. mußte mit Nachzüglern rechnen und diesen den Vorrang einräumen (vgl. KG, VerkMitt 1984, 36 (37)).

Sie sah, daß sich der Bekl. mit unverminderter Geschwindigkeit der Kreuzung näherte. Auf das Halten der Fahrzeuge in den Links- und Rechtsabbiegerspuren konnte sich die Kl. nicht verlassen. Diese fuhren durch den Abbiegevorgang bedingt langsam und konnten ihre Fahrweise deshalb besser und schneller als der Bekl. auf die umspringende Lichtzeichenanlage einstellen. Bei der unverminderten Geschwindigkeit des Bekl. mußte die Kl. mit einem Durchfahren rechnen, zumal die Fahrbahn - ausweislich der Verkehrsunfallanzeige - naß war und mit einem längeren Bremsweg hätte gerechnet werden müssen. ...

c) Im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile ergibt sich, daß die Betriebsgefahr der Fahrzeuge beider Parteien etwa gleich zu bewerten ist, so daß die vom LG gefundene Quote nicht zu beanstanden ist.

Eine andere Beurteilung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich feststellen ließe, daß der Bekl. in der zweiten Rotsekunde eingefahren ist (Urt. des Senats v. 21. 3. 1984 - 13 U 203/83). Andererseits ist eine volle Haftung des Linksabbiegers anzunehmen, wenn nicht der Nachweis gelingt, daß der Gegenverkehr bei Rot oder Spätgelb eingefahren ist (Urt. des Senats v. 26. 10. 1983 - 13 U 59/83) oder bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung des Gegenverkehrs nicht der Nachweis gelingt, daß diese für die Schadenshöhe ursächlich war (Urt. des Senats v. 14. 3. 1984 - 13 U 188/83). Der Bekl. muß daher für den Unfallschaden zur Hälfte aufkommen (vgl. KG, VerkMitt 1984, 37; Jagusch-Hentschel, § 9 StVO, Rdnr. 40 m. w. Nachw.).

Rechtsgebiete

Schadensersatzrecht

Normen

StVG § 17; StVO § 9 III 1