Misslungene Dauerwellenbehandlung

Gericht

AG Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

08. 08. 2001


Aktenzeichen

141 C 5/01


Leitsatz des Gerichts

Eine Dauerwellenbehandlung, die dazu führt, dass viele Haare abbrechen und die Haarstruktur insgesamt erheblich geschädigt wird, stellt eine Körperverletzung dar, die die Zahlung eines Schmerzensgeldes rechtfertigen kann.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Am 14. 8. 1998 begab sich die Kl. zum Zwecke der Fertigung einer Dauerwelle und Haarbehandlung in das Frisörgeschäft der Bekl. Die Kl. verfügte damals über ein Haupthaar mit einer Länge von etwa 65 cm. Die Kl. behauptet, die Dauerwelle sei von der Bekl. fehlerhaft und unter gröblicher Missachtung der Kunst des Frisörhandwerks derart unsachgemäß erstellt worden, dass die behandelten Kopfhaare unterhalb der Kopfhaut abgebrochen seien. Sie bemängelt das Fehlen einer sachgemäßen Diagnose, einer Vor- oder Nachbehandlung und die Verwendung falscher Dauerwickler, Haftgummis sowie einer zu aggressiven Dauerwellenlösung und fehlerhaften Auftragetechnik. Sie bezieht sich insoweit auf ein Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für das Frisör-Handwerk der Handwerkskammer zu K., das das Datum 27. 11. 1998 trägt. Die Kl. behauptet dazu, wenige Tage nach ihrer Behandlung sei es zum Streit mit der Bekl. über die Ursache des Abbrechens der Haare gekommen. Bereits kurz danach habe sie sich zum - inzwischen verstorbenen - Sachverständigen begeben, der eine eingehende Untersuchung bei ihr durchgeführt habe. Auf Grund eines EDV-Versehens sei nicht das Datum 28. 8., sondern 27. 11. 1998 unter das Gutachten gesetzt worden. Die Kl. behauptet ferner, ihre Haare hätten sich erst nach zwei Jahren regeneriert. Durch die Fehlbehandlung sei ihr äußeres Erscheinungsbild erheblich beeinträchtigt worden. Sie habe dadurch psychisch sehr stark gelitten und sich im ersten Jahr nach der Fehlbehandlung kaum noch aus dem Haus gewagt. Sie hält deshalb ein Schmerzensgeld von mindestens 3 000 DM für angemessen. Für Aufbaupräparate habe sie monatlich 200 DM aufgewandt. Ferner habe sie für das Gutachten des Sachverständigen K 1230,76 DM bezahlt. Schließlich verlangt sie 40 DM als allgemeine Kostenpauschale und 100 DM, die sie für die fehlgeschlagene Haarbehandlung habe zahlen müssen, insgesamt also 9170,76 DM.

Das AG hat der Klage nur teilweise stattgegeben.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Kl. kann von der Bekl. gem. §§ 823 I, 847 I BGB die Zahlungvoninsgesamt 1870,76 DM verlangen.

Die Kl. hat gem. § 823 I BGB dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch gegen die Bekl., weil diese sie in rechtswidriger und schuldhafter Weise am Körper verletzt hat. Nach der Behandlung durch die Bekl. war die gesamte Struktur der Haare der Kl. porös mit zerstörten Längen und Spitzen. Ferner waren die Haare der Kl. von der Stirn zum Oberkopf bis hin zum Nacken sowie an den Seiten und insbesondere am Scheitel angebrochen.

Dies steht fest auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen K vom 27. 11. 1998 sowie der Aussagen der Zeugen A und B. Das Gericht stützt sich dabei insbesondere auf das Gutachten des verstorbenen Sachverständigen K. Es handelt sich zwar um ein von der Kl. eingeholtes Privatgutachten. Das Gericht hat jedoch keine Bedenken, dieses Gutachten im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten, nachdem das eigentliche Beweismittel - der Sachverständige K selbst - nicht mehr herangezogen werden kann. Die Ergebnisse des Gutachtens werden bestätigt durch den Sohn des Sachverständigen, den Zeugen A, der bei der Begutachtung der Kl. und der Erstellung des Gutachtens beteiligt war. Er hat bei seiner Vernehmung anschaulich geschildert, dass sehr viele Haare abgebrochen waren und auch die Kopfhaut gereizt war. Insgesamt hatte er ebenfalls den Eindruck, dass die Haare "hinüber" seien. Dieser Eindruck wird schließlich bestätigt vom Ehemann der Kl. und von ihrer Cousine, der Zeugin B, die selbst Friseurin ist.

Die Behandlung durch die Bekl. stellt sich als Körperverletzung i. S. des § 823 I BGB dar. Körperverletzung ist jeder Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, wobei nur völlig unerhebliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen sind. Das Abbrechen und Ausfallen einer Fülle von Haaren ist ohne weiteres als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit zu werten, wobei zu berücksichtigen ist, dass die körperliche Misshandlung keinesfalls das Erregen von Schmerzen voraussetzt. Es kann bei dieser Sachlage offen bleiben, ob nicht daneben auch der Eingriff in das psychische Wohlbefinden der Kl. als Körperverletzung zu werten ist.

Diese Körperverletzung ist auf die Behandlung durch die Bekl. zurückzuführen. (Wird ausgeführt.)
Die Bekl. hat auch schuldhaft gehandelt, weil sie die Dauerwelle bei der Kl. unter Missachtung der Kunst des Frisörhandwerks gelegt hat. Nach Angaben des Sachverständigen K hat die Bekl. weder eine sachgemäße Diagnose vor Behandlung der Kl., noch eine Vor- oder Nachbehandlung der Haare vorgenommen. Ferner ist ihr die falsche Anbringung von Haltegummis anzulasten sowie insbesondere die Wahl einer zu aggressiven Dauerwellenlösung. Durch diese Lösung ist die Schuppenschicht abgeätzt und die Faserschicht zerstört worden. Schließlich hat die Bekl. eine fehlerhafte Auftragetechnik verwandt, die dazu geführt hat, dass die Haare teilweise abgebrochen sind. Diese Einschätzung ist vom - insoweit sachverständigen - Zeugen A jedenfalls dahingehend bestätigt worden, dass die Behandlung am Haar selber zu scharf gewesen sei. Dadurch sei es zum Abbrechen der Haare gekommen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Bekl. die Kl. nicht entsprechend den Regeln des Frisörhandwerks behandelt und damit schuldhaft gehandelt hat.

Dem Schadensersatzanspruch der Kl. steht nicht etwa ein zwischen den Parteien wirksam vereinbarter Haftungsausschluss entgegen. Die von der Kl. bestrittene Behauptung der Bekl., die Kl. habe jegliches Risiko für das Gelingen der Dauerwelle übernommen, wird dabei als richtig unterstellt. Die Kl. hätte also keinerlei Ansprüche daraus herleiten können, dass die Dauerwelle bereits am nächsten Tag völlig ausgehangen war. Mit einem solchen Risikoausschluss ist jedoch ein Verzicht auf eine sachgerechte und den Regeln des Frisörhandwerks entsprechende Behandlung nicht verbunden. Auch wenn die Bekl. einen Erfolg angesichts der Haarlänge und der Struktur der Haare der Kl. nicht garantieren konnte, so war sie doch verpflichtet, bei der Behandlung die Regeln des Frisörhandwerks einzuhalten. Da dies gerade nicht geschehen ist, kann sie sich auch nicht auf einen vereinbarten Risikoausschluss berufen.

Der Höhe nach unterliegt der Schadensersatzanspruch der Kl. jedoch erheblichen Einschränkungen. Sie kann zunächst die Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens verlangen. Es handelt sich zwar um ein Privatgutachten, jedoch waren die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich (vgl. BGH, NJW-RR 1989, 956; Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 249 Rdnr. 22). Da die Bekl. kurz nach der Behandlung jede Einstandspflicht verneint hatte, durfte die Kl. Art und Umfang der vorhandenen Schädigung durch einen Sachverständigen feststellen lassen. Ferner kann sie eine Auslagenpauschale in Höhe von 40 DM beanspruchen. Demgegenüber steht ihr ein Anspruch in Höhe von 4 800 DM für die notwendig gewordene zusätzliche Haarpflege nicht zu. Wie das Gericht bereits in der ersten mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, ist das diesbezügliche Vorbringen der Kl. völlig unsubstanziiert. Sie hat sich insoweit auf die Behauptung beschränkt, für Aufbaupräparate habe sie bis zum heutigen Tage monatlich 200 DM aufgewendet. Da die Bekl. dies bestritten hat, reicht ein solches Vorbringen nicht aus, um den von der Kl. angebotenen
Beweis erheben zu können. Da ihr von vornherein bewusst war, dass sie Schadensersatzansprüche gegen die Bekl. wegen der misslungenen Haarbehandlung erheben würde, war es ohne weiteres zumutbar und zu erwarten, dass sie ihre Aufwendungen im Einzelnen festhält und mit entsprechenden Quittungen usw. belegt. Hier fehlt es jedoch bereits an jeglichen Angaben darüber, welche Mittel zur Anwendung gekommen sind, und welche Kosten diese Mittel im Einzelnen verursacht haben. Abgesehen davon fehlt es auch an jeglichen Quittungen oder Kaufbelegen, mit denen die Kl. nachweisen konnte, dass sie derartige Präparate in der angegebenen Höhe tatsächlich gekauft hat. Dagegen steht der KI. ein Anspruch auf Rückzahlung der für die Haarbehandlung aufgewendeten Kosten von 100 DM unter dem Gesichtspunkt der sog. frustrierten Aufwendungen zu.

Das Gericht hält ein Schmerzensgeld von 500 DM unter Berücksichtigung aller Umstände für angemessen und erforderlich. Das Gericht geht dabei davon aus, dass die fehlerhafte Behandlung in der Tat bei der Kl. zu einer durchaus spürbaren psychischen Beeinträchtigung geführt hat, zumal sie sich in einem Kulturkreis bewegt, in dem der Besitz von langen und schönen Haaren als besonders positiv empfunden wird. Auf der anderen Seite war aber auch zu berücksichtigen, dass die Körperverletzung ihr keinerlei Schmerzen verursacht hat und das äußere Erscheinungsbild der Kl. - wie die Fotos im Gutachten des Sachverständigen K zeigen - durchaus nicht so stark beeinträchtigt war, dass ein Auftreten in der Öffentlichkeit nicht mehr zumutbar gewesen wäre.

Rechtsgebiete

Schadensersatzrecht

Normen

BGB §§ 823 I, 847