Aufstellen von Warnschildern bei der Gefahr von Dachlawinen

Gericht

LG Passau


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

28. 10. 1986


Aktenzeichen

1 S 189/86


Leitsatz des Gerichts

  1. Wenn er Schneefanggitter angebracht hat, ist der Hauseigentümer seiner Verkehrssicherungspflicht gegen den Abgang von Dachlawinen grundsätzlich nachgekommen.

  2. Ein PKW-Halter muß sich der Gefahr eines Dachlawinenabganges stets bewusst sein und grundsätzlich auch eigenverantwortlich schützen.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der Kl. wohnt in einem im Eigentum der bekl. GmbH stehenden Haus in Passau. Er begehrt Schadensersatz, weil sein Pkw durch eine Dachlawine beschädigt wurde. Die bekl. GmbH ist der Ansicht, sie sei durch die vorhandenen Schneefanggitter der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht nachgekommen.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Dem Kl. steht aus dem Schadensereignis (Beschädigung seines Pkw durch Abgang einer Dachlawine vom Anwesen der Bekl.) Schadensersatz gegen die Bekl. nicht zu (§§ 823 I, 276, 242 BGB). Dem Kl. standen zwei denkbare Anspruchsgrundlagen zur Verfügung, nämlich die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die Bekl. (deliktische Haftung) und die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht zu dem zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag (positive Vertragsverletzung, vertragliche Haftung). Beide Anspruchsgrundlagen konnten zusammen geprüft und abgelehnt werden, da beide eine Sorgfaltspflichtverletzung durch die Bekl. voraussetzen, an der es im gegebenen Fall mangelt.

Eine solche Sorgfaltsverletzung der Bekl. kann allein im Unterlassen eines rechtlich gebotenen Tuns liegen, genauer in der verschuldeten Nichtwahrnahme einer der Bekl. als Hauseigentümerin obliegenden Warnungs - oder Sicherungspflicht gegen die Gefahren einer vom Anwesen des Daches abgehenden Schneelawine. Zu Recht hat das AG einen solchen, einen Schadensersatzanspruch begründenden Sorgfaltsverstoß der Bekl. verneint.

Bei der rechtlichen Prüfung war von dem Umstand auszugehen, daß die Bekl. auch für die vor ihrem Anwesen auf öffentlichen Verkehrsgrund befindlichen Kraftfahrzeugparkplätze eine Verkehrssicherungspflicht trifft. Insoweit haben zwar nicht die Bekl., sondern die Stadt Passau einen Verkehr eröffnet; jedoch war der Bekl. die ständige Nutzung der vor ihrem Anwesen liegenden Verkehrsfläche für den ruhenden Verkehr bekannt (bzw. mußte sie davon ausgehen, daß die Mieter des Anwesens die dem fließenden Verkehr zugeordnete Fläche und Teile des Fußgängerweges als Abstellplätze für ihre Kraftfahrzeuge verwendeten). Aus dieser Sachlage leiten sich für die Bekl. Sicherungspflichten im gleichen Umfang wie für den Eröffner des Verkehrs ab (vgl. Gaisbauer, VersR 1971, 199; Birk, NJW 1982, 2911 (2915); LG Passau, Urt. v. 26. 11. 1985 - 1 S 163/85 und Urt. v. 13. 2. 1986 - 1 S 247/85). Eine gleichgeartete Verkehrssicherungspflicht ergibt sich für die Bekl. als Nebenpflicht aus dem zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag.

Die verschiedenen, vom Kl. gegen die Bekl. erhobenen Vorwürfe begründen weder einzeln noch im Zusammenhang gesehen einen Verstoß gegen die ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten: Unstreitig hat die Bekl. am Dach des Anwesens Schneefanggitter angebracht. Ihrer Verkehrssicherungspflicht gegen den Abgang von Schneelawinen ist sie damit grundsätzlich in vollem Umfang nachgekommen. Aus der schriftlichen Begründung des Zeugen G ergibt sich sogar, daß nach dem Abgang einer Dachlawine im Jahre 1981 die bestehenden Schneefanggitter erweitert wurden. Soweit der Kl. vorträgt, diese Schneefanggitter wären nicht ausreichend dimensioniert, ist dieser Vortrag unbehelflich. Allein aus dem Umstand, daß trotz der Gitter eine Dachlawine abging und das Fahrzeug des Kl. beschädigte, kann eine mangelhafte Anbringung von Schneefanggittern nicht geschlossen werden. Denn der Kl. trägt gleichfalls - unbestritten - vor, daß es in der Nacht vor dem schädigenden Ereignis außergewöhnlich starke Schneefälle gegeben habe. Das Gitter muß jedoch nicht so dimensioniert sein, daß es selbst bei außergewöhnlichen Schneeablagerungen auf dem Dach das Abgehen von Lawinen behindert. Die dazu notwendigen Aufwendungen würden den Hauseigentümer über ein wirtschaftlich vertretbares Maß hinaus belasten.

Im übrigen ist aus dem Vortrag des Kl. nicht genau zu entnehmen, inwieweit die vorhandenen Schneefanggitter unzureichend wären (zu geringe Höhe, Teile des Daches nicht geschützt, Anbringung am falschen Ort); der Kammer ist eine nähere Nachprüfung damit verwehrt; auch die beantragten Beweise (Augenschein und Sachverständigengutachten) mußten nicht erhoben werden, da es an zu beweisendem Tatsachenvortrag mangelte. Die Berufung - wie die Klage - geht bezüglich dieses Punktes offensichtlich auch von falschen Voraussetzungen aus, da sie sich bei ihrer Rüge der mangelhaften Schneefanggitter auf den Zustand bezieht, der bei der Beschädigung des Pkw des Zeugen G bestand. Gerade der Zeuge hat jedoch bekundet, daß im Anschluß an den damaligen Schadensfall die Schneefanggitter erweitert wurden.

Weitere Maßnahmen zur Absicherung von Dachlawinen sind vom Hauseigentümer nur zu verlangen, wenn besondere Umstände vorliegen (vgl. Birk, NJW 1982, 2911 (2912) m. w. Nachw.). Solche besonderen Umstände können in der Art des Gebäudes, insbesondere der Bauweise des Daches bedingt sein (vgl. insoweit LG Passau, Urt. v. 13. 2. 1986 - 1 S 247/85 und v. 26. 11. 1985 - 1 S 163/85). Dahingehend trägt der Kl. die besonders starke Neigung des Daches des Anwesens der Bekl. vor. Trotz eines gerichtlichen Hinweises, dieses Vorbringen näher zu substantiieren, wurden weitere Ausführungen zu diesem Punkt nicht gemacht (bis auf die pauschale und vom Gegner nicht zugestandene Behauptung in mündlicher Hauptverhandlung, das Dach weise eine Neigung von ca. 45 Grad auf). Auch insoweit konnte mangels ausreichenden rechtzeitigen Sachvortrages die kl. Behauptung der Entscheidung nicht zugrundegelegt werden, die dahingehenden Beweisangebote (Augenschein, Sachverständigenbeweis) waren als auf Ausforschung von Tatsachen gerichtete Beweisanträge nicht zu berücksichtigen.

Ausdrücklich ist dem AG dahin zuzustimmen, daß allein der Umstand stärkerer Schneefälle bzw. starker Schneeablagerungen auf Hausdächern eine Warnungsverpflichtung der Hausbesitzer nicht auslöst. Ausgehend von einer geographischen Lage, die weder als schneearm noch als schneereich bezeichnet werden kann, ist es für die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht durch Warnung vor der Gefahr abgehender Schneelawinen ausreichend, aber auch notwendig, erst bei konkreten Anzeichen des drohenden Abganges einer Dachlawine Warntafeln aufzustellen. Insoweit können durchaus die durch das OLG Karlsruhe (NJW 1983, 2946) entwickelten Grundsätze herangezogen werden, auch wenn sich diese Entscheidung auf ein schneearmes Gebiet bezieht. Denn ausgehend von der grundsätzlichen Verantwortlichkeit in erster Linie des Passanten bzw. Kfz.-Halters, sich selbst vor Dachlawinen durch Achtsamkeit zu schützen (vgl. Birk, NJW 1982, 2911 (2912)), ist auch für Ortslagen mit stärkerem Schneefall festzuhalten, daß die stets vorhandene, generelle Gefahr des Abganges einer Schneelawine jedermann bewußt sein muß und keiner besonderen Warnung durch den Hauseigentümer bedarf. Das von der Berufung insoweit verwendete Argument entwertet sich selbst durch den gleichzeitigen Vortrag, daß die starken Schneeablagerungen auf dem Dach des Anwesens der Bekl. von Schneefällen am Abend vorher, also dem Zeitpunkt, an dem der Kl. sein Kfz. vor dem Haus parkte, stammten. Da damit - so behauptet der Kl. - der Lawinenabgang für ihn selbst nicht vorhersehbar war, muß das gleiche für die Bekl. gelten. Andere Umstände, die eine Warnpflicht hervorriefen (wie z. B. ein Lawinenabgang kurze Zeit vor dem Schadensereignis) sind nicht vorgetragen. Damit hat die Bekl. auch nicht gegen eine zu verleugnende Warnungspflicht verstoßen.
Nur am Rande sei erwähnt, daß eine Absperrung des Gehsteiges oder der öffentlichen Straße, wie vom Kl. gefordert, der Bekl. durch das öffentliche Straßenverkehrsrecht verboten ist.

Abschließend kann damit festgehalten werden, daß die Bekl. sowohl ihrer generellen Verkehrssicherungspflicht bezüglich der Verhinderung des Abganges von Dachlawinen nachgekommen ist und ferner eine besondere Gefahrenlage, die von der Bekl. auch besondere Zurüstungen verlangt hätte, nach dem der Kammer vorliegenden Sachverhalt nicht gegeben war. Eine Schadensersatzpflicht für die gleichwohl vom Dach des Anwesens der Bekl. abgegangene Lawine entfällt damit, gleich welche Anspruchsgrundlage man dann zugrundelegen mag.

Rechtsgebiete

Schadensersatzrecht; Schnee und Glatteis

Normen

BGB § 823 I