Haftung des Hauseigentümers bei Abgang einer Dachlawine

Gericht

LG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

14. 11. 1997


Aktenzeichen

9 S 306/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Das Unterlassen der Anbringung von Schneefanggittern im Dachbereich begründet in Karlsruhe keine Pflichtverletzung.

  2. Der Verantwortliche ist nur dann zu Abwehrmaßnahmen verpflichtet, wenn aufgrund besonderer Umstände mit einem Abgang von Schneelawinen alsbald zu rechnen ist. Die Beweislast hierfür obliegt dem Geschädigten (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung der Kammer, VersR 1983, 788).

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Der Kl. verlangt vollen Schadensersatz wegen der Beschädigung seines am 20. 1. 1997 vor dem Anwesen der Bekl. geparkten Pkw durch eine vom Dach abgegangene Schneelawine. Er stützt seine Klage auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, weil weder Schneefanggitter auf dem Dach angebracht waren, noch der Bekl. trotz ungewöhnlich ergiebiger Schneefälle Warnschilder aufgestellt hatte. Das AG hat einen Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht verneint und die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen

Der Kl. hat gegenüber der Bekl. keinen Anspruch gem. § 823 I BGB auf Ersatz der durch eine Dachlawine hervorgerufenen Beschädigungen seines Pkw. Die Bekl. war als Eigentümerin des Anwesens H-Straße in Karlsruhe unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherung nicht dazu verpflichtet, den Verkehr auf den Verkehrsflächen vor ihrem Haus vor den Gefahren drohender Dachlawinen besonders zu schützen. Zwar stellt die Unterhaltung eines Hausanwesens neben einer Verkehrsfläche die Eröffnung eines Verkehrs dar, was dem Verantwortlichen die Pflicht auferlegt, hierbei auftretende Gefahren für die Rechtsgüter Dritter im Rahmen des Zumutbaren zu verhindern. Die Verkehrssicherungspflicht des für den Zustand eines Hausanwesens Verantwortlichen gebietet es diesem jedoch nicht uneingeschränkt, Sicherungsmaßnahmen gegen die Folgen etwa von der Dachschräge abgleitender Schneemassen zu ergreifen. Vielmehr sind der Umfang einer solchen Verpflichtung und die im Einzelfall zu treffende Vorsorge jeweils an den konkreten Verhältnissen unter Beachtung der örtlichen Übung zu bestimmen (OLG Karlsruhe, NJW 1983, 2946). Nach den durch die Parteien geschilderten Umständen und einer Abwägung der örtlichen Übung des Bereichs der Stadt Karlsruhe bestand für die Bekl. weder eine Verpflichtung zur Anbringung von Schneefanggittern auf dem Dach ihres Anwesens noch zu einer Gefahrenkennzeichnung, etwa durch das Anbringen von Warnschildern oder durch das Aufstellen von Warnstangen.

1. Nach der st. Rspr. der Kammer kann in Karlsruhe von Hauseigentümern nicht allgemein das Anbringen von Schneefanggittern auf den Dächern verlangt werden (LG Karlsruhe, VersR 1983, 788). Solche sind weder durch öffentlichrechtliche Vorschriften vorgeschrieben noch durch die privatrechtliche Verkehrssicherungspflicht geboten, da üblicherweise in der Rheinebene im Raum Karlsruhe nur so wenig Schnee fällt, daß derartige Maßnahmen zum Schutz von Dachlawinen nicht erforderlich sind (ebenso OLG Karlsruhe NJW 1983, 2946; für andere Regionen vgl. z. B. LG Köln, NJW-RR 1986, 1404; LG Duisburg, NJW-RR 1986, 1405; LG München I, DAR 1987, 56, m. Anm. Berr; Schlund, DAR 1994, 49).

Auch durch die Neufassung der Landesbauordnung BadWürtt. vom 8. 8. 1995 (GBl S. 617) hat sich hieran keine Änderung ergeben: Gem. § 27 III LBO n. F. müssen Dächer an öffentlichen Verkehrsflächen und über Ausgängen nur dann Vorrichtungen zum Schutz gegen das Herabfallen von Schnee und Eis haben, soweit es die Verkehrssicherheit erfordert. Ein solches Erfordernis ist im Raum Karlsruhe grds. nicht gegeben. Ob sich für den Fall etwas anderes ergibt, daß von einem Gebäude aufgrund seiner Beschaffenheit und Lage Gefahren ausgehen, die weit über den Gefahren liegen, die von vergleichbaren Objekten drohen (vgl. den der Entscheidung des OLG Karlsruhe in NJW-RR 1986, 1404, zugrundeliegenden Fall eines Kirchturms mit 45 Grad geneigtem Kirchendach im Bereich Ortenau), kann dahingestellt bleiben, da der Kl. eine derartige besondere Gefahrenlage nicht geltend gemacht hat.

2. Die Bekl. trifft ebenfalls kein dahingehender Vorwurf, den Verkehr im Gefahrenbereich ihres Hausanwesens nicht ausreichend auf die drohende Dachlawine hingewiesen zu haben. Die Kammer hält ausdrücklich nicht mehr an ihrer bisherigen Rechtsprechung (vgl. VersR 1983, 788) fest, wonach sich ein Hauseigentümer bereits dann der drohenden Gefahren des Schneefalls bewußt sein muß, wenn sich auf dem Dach seines Anwesens solche Schneemassen angesammelt haben, daß deren Abrutschen eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentum anderer darstellen würde. Vielmehr schließt sich die Kammer der Ansicht des OLG Karlsruhe (NJW 1983, 2946 [2947]) an, wonach es hierfür bei einem bis zu ca. 30 Grad geneigten Dach eines Anwesens besonderer, Abwehrmaßnahmen erforderlich machender Umstände bedarf, die dem Verantwortlichen bei zumutbarer Beobachtung der Verhältnisse anzeigen, daß mit einem Niedergehen von Schneemassen an der Dachschräge alsbald zu rechnen ist. Im städtischen Straßennetz stellt es keine Besonderheit dar, daß Straßen und Plätze, die an bebaute Grundstücke angrenzen, vielfach oder regelmäßig von Teilnehmern des stehenden bzw. ruhenden Verkehrs benutzt werden. Hierin liegt keine für sich zur Begründung einer gesteigerten Verkehrssicherungspflicht hinreichende Besonderheit.

Der Kl. hat keine Ausführungen zu Umständen gemacht, aus denen sich eine besondere Gefahrenlage hätte ergeben können. Er hat vielmehr lediglich darauf verwiesen, daß in der Zeit vor dem Schadenseintritt in Karlsruhe umfangreiche Schneefälle niedergegangen seien, die letztlich jedermann bekannt gewesen seien. Gleichzeitig sei jedoch für die Ehefrau des Kl. in keiner Weise ersichtlich gewesen, daß eine Gefahr gedroht hätte. Der Kl. macht damit lediglich geltend, daß eine allgemeine Gefahrenlage vorgelegen hätte, ohne darzulegen, inwieweit die Bekl. auf diese Gefahrenlage hätte aufmerksam werden müssen. Auf eine allgemeine Gefahrenlage, deren Vorhandensein für jedermann ersichtlich ist, braucht nicht eigens hingewiesen zu werden (OLG Karlsruhe NJW 1983, 2946).

Rechtsgebiete

Schadensersatzrecht; Schnee und Glatteis

Normen

BGB § 823