Architekt- und Objektbetreuung

Gericht

BGH VII. Zivilsenat


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

20. 06. 1966


Aktenzeichen

VII ZR 40/64


Leitsatz des Gerichts

Führt ein Architekt einzelne Teilleistungen, die im Architektenvertrag oder in § 19 GebOA mit einem bestimmten Hundertsatz der Gesamtleistung bewertet sind, nur unvollständig aus, so mindert sich sein Vergütungsanspruch nicht, wenn gleichwohl das Architektenwerk mangelfrei erbracht wird.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Beklagte übertrug dem Kläger alle Architektenarbeiten für den Bau eines Wohnhauses. Der Kläger beansprucht das volle Honorar für seine Architektenleistungen.

Der Beklagte meint, der Kläger habe nichts mehr zu beanspruchen, weil er verschiedene der ihm nach dem Architektenvertrag obliegenden Leistungen nur unvollständig erbracht habe.

Die Vorinstanzen haben der Klage nur zum Teil stattgegeben. Die Revision des Klägers hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

I. Das Berufungsgericht kürzt die Vergütung des Klägers für die Bauführung um 50%, die Vergütung für die übrigen Architektenarbeiten um 20%, weil er mehrere der im Vertrag beschriebenen Einzelleistungen nur teilweise oder unvollständig erbracht habe. So habe er für verschiedene Handwerkerarbeiten gar keine, für andere nur eine unvollständige Massen- und Kostenberechnung geliefert. Eine künstlerische Oberleitung habe er nicht, die technische Oberleitung nicht voll ausgeübt. Die aus der Bauführung folgenden Pflichten habe er nur teilweise erfüllt; insbesondere habe er die Baustelle nur selten besucht. Aus diesen Gründen sei der Beklagte berechtigt, nach § 634 BGB die Vergütung zu mindern.

II. Das Berufungsgericht versagt dem Kläger zu Unrecht die volle vertragliche
Vergütung.

1. Die Begründung, die es dafür gibt, wird dem Wesen eines alle Architektenleistungen umfassenden Vertrages, wie er hier vorliegt, nicht gerecht. Ein solcher Vertrag ist ein Werkvertrag, bei dem alle dem Architekten obliegenden Einzelarbeiten einen bestimmten Erfolg erzielen sollen. Dieser Erfolg besteht vor allem in einem mangelfreien Bauwerk (BGHZ 31, 224, 228); daneben schuldet der Architekt oft noch andere Arbeitsergebnisse, z. B. die in § 19 Abs. 1 g GebOA erwähnte Feststellung der endgültigen Höhe der Herstellungskosten. Das Berufungsgericht führt zwar das genannte Urteil des Bundesgerichtshofs an, zieht aber daraus nicht die zutreffenden Folgerungen für den Vergütungsanspruch des Architekten. Wird nämlich der geschuldete Erfolg erreicht, so läßt sich nicht sagen, daß das Architektenwerk mangelhaft wäre und der Bauherr Gewährleistungsansprüche hätte.

Vielmehr muß dann der Bauherr grundsätzlich das volle Honorar zahlen, das für die gesamten zu leistenden Architektenarbeiten im Vertrage bzw. in § 10 GebOA vorgesehen ist. Es kommt dann nicht darauf an, ob jede Teilleistung, die im Vertrag oder in § 19 GebOA genannt ist, vollständig und genau erbracht ist. Diesen Standpunkt hat der erkennende Senat bereits im Urteil VII ZR 245/61 vom 10. Juni 1963 eingenommen.

Ein aus Werksmängeln hergeleiteter Gewährleistungsanspruch kommt demnach nur dann in Betracht, wenn die unvollständigen Einzelleistungen des Architekten zu einem Mangel seines Werks geführt haben. Im vorliegenden Falle sind weder Mängel des Bauwerks noch sonstige Mängel des Architektenwerks vom Berufungsgericht festgestellt oder vom Beklagten behauptet worden.

2. In einem früheren Urteil (VII ZR 29/58) vom 30. April 1959, das ergangen ist, ehe der Architektenvertrag in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes als Werkvertrag angesehen wurde, hat der Senat allerdings ausgesprochen, dass die für eine bestimmte Teilleistung in § 19 GebOA vorgesehene Gebühr (damals die Gebühr für Ausführungszeichnungen) nicht oder nur teilweise erwachse, wenn die betreffende Teilleistung nicht oder nur zu einem geringen Teil erbracht werde. Daran kann der Senat nicht uneingeschränkt festhalten.

Es mag berechtigt sein, einem Architekten, der eine im Vertrag oder in der Gebührenordnung mit einem bestimmten Prozentsatz des Gesamthonorars bewertete Leistung ü b e r h a u p t  n i c h t erbringt, insoweit eine Vergütung auch dann zu versagen, wenn der Bau ohne Mängel errichtet wird. Im Urteil vom 30. April 1959 sind die in § 19 GebOA für bestimmte Einzelleistungen erwachsenden Gebühren als eine Art "Aktgebühren" bezeichnet worden. Wird nun einer dieser "Akte", durch die der Architekt einen bestimmten Hundertsatz des vollen Honorars verdient, gar nicht vorgenommen, so ist es wohl berechtigt, dem Architekten den Teil der Vergütung, der nach dem Vertrag oder der Gebührenordnung auf diesen Akt entfällt, nicht zuzubilligen; auf einen dahingehenden Willen der Vertragsteile deutet die im Architektenvertrag oder in der ergänzend geltenden Gebührenordnung vorgenommene Aufteilung in Leistungsphasen hin; für dieses Ergebnis spricht auch, dass die betreffenden Phasen für sich allein in Auftrag gegeben werden können (vgl. § 2 Abs. 2 GebOA).

Die Frage kann jedoch offen bleiben, denn ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Das gilt auch, soweit es sich um die künstlerische Oberleitung handelt, die der Kläger nach dem Berufungsurteil überhaupt nicht ausgeübt haben soll. Sie ist nach dem Vertrag der Parteien keine eigene "Leistungsphase", wird vielmehr in § 6 des Vertrags mit der technischen Oberleitung zusammengefasst und ist mit dieser zusammen mit 25% des Honorars zu vergüten.

Kein Bedürfnis besteht aber dafür, das Honorar auch dann zu kürzen, wenn der Architekt nicht alle innerhalb einer "Leistungsphase" anfallenden Arbeiten vollständig erbringt. Dann ist es angemessen, gegebenenfalls die bei Werksmängeln gegebenen Rechtsbehelfe zu gewähren, das volle Honorar jedoch zuzubilligen, wenn das Werk frei von Mängeln ist. Dass dies unbillig wäre, kann dem Berufungsgericht nicht zugegeben werden. Der Architekt trägt das Risiko, wenn er seinen Beitrag zur Herstellung des Baus in einer Art und Weise leistet, die zu Mängeln des Werks führt. Durch die wegen solcher Mängel erwachsenden Gewährleistungsansprüche wird andererseits der Bauherr gegen Nachlässigkeit des Architekten schon weitgehend geschützt. Dagegen kann er sich auch mit anderen Rechtsbehelfen wehren. Arbeitet der Architekt so nachlässig, dass der Bauherr kein Vertrauen mehr zu ihm haben kann, so kann dieser den Vertrag kündigen, ohne den in § 649 BGB vorgesehenen Anspruch des Architekten auf das volle Honorar erfüllen zu müssen (BGHZ 31, 224, 229); in solchem Falle hat der Architekt auch etwa entstehenden Schaden, z. B. nicht zu vermeidende Mehraufwendungen für die Hinzuziehung eines anderen Architekten, zu ersetzen. Schadensersatzansprüche des Bauherrn können auch ohne Kündigung des Vertrags entstehen, z. B. dann, wenn der Architekt notwendige Zeichnungen nicht anfertigt und diese wegen des Verzugs des Architekten anderweitig in Auftrag gegeben werden müssen.

Ist aber weder das Werk mangelhaft noch sonst dem Bauherrn ein Schaden entstanden, so werden dessen Interessen nicht beeinträchtigt, wenn er die volle vertragliche Vergütung zahlen muss.

3. Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts wird auch nicht durch § 2 Abs. 2 GebOA gestützt. Wie der Senat in dem erwähnten Urteil vom 10. Juni 1963 ausgeführt hat, erfasst diese Bestimmung die Fälle, in denen von vornherein nur Teile der in § 19 GebOA beschriebenen vollen Leistung dem Architekten übertragen sind oder er die Leistung infolge vorzeitiger Auflösung des Architektenvertrags nur teilweise erbringt. Einen Fall der zuletzt genannten Art betrifft das vom Berufungsgericht angeführte, bei Schäfer/Finnern, Rechtsprechung der Bauausführung, Z. 3.01 Bl. 14 ff veröffentlichte Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig. Der Eintritt eines solchen Falles ist auch in § 15 Abs. 3 und 5 des Vertrags der Parteien vorgesehen; im übrigen aber ergeben die Bestimmungen des Vertrags, der in § 2 Abs. 2 die dem Architekten übertragenen Leistungen als ein einheitliches geistiges Werk bezeichnet, nichts für die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung.

Vorinstanzen

LG Kleve, OLG Düsseldorf

Rechtsgebiete

Architektenrecht

Normen

Gebührenordnung für Architekten §§ 2, 19