Kein schädlicher räumlicher Zusammenhang zwischen eigengenutzter und unentgeltlich überlassener Wohnung in einem Haus

Gericht

FG Brandenburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

21. 03. 2001


Aktenzeichen

3 K 1018/00


Leitsatz des Gerichts

Eine Objektbeschränkung i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG liegt nicht vor, wenn Ehegatten, die ein Gebäude mit zwei Wohnungen errichtet haben, eine Wohnung unentgeltlich an einen Angehörigen überlassen. Dies gilt auch dann, wenn die überlassene Wohnung in räumlichem Zusammenhang mit der von den zulagenberechtigten Ehegatten selbstgenutzten Wohnung steht und die Ehegatten die überlassene Wohnung in tatsächlicher Hinsicht nicht selbst nutzen.

Tatbestand

Sachverhalt:

Die Kläger (Kl.) sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erwarben im Jahre 1997 ein Grundstück, das sie im Streitjahr mit einem Wohnhaus bebauten. Die Herstellungskosten beliefen sich einschließlich der Anschaffungskosten für Grund und Boden auf 500 000 DM. Das Haus verfügt über zwei Wohnungen, die in sich abgeschlossen sind. Eine Wohnung wird von den Kl. selbst bewohnt, die andere Wohnung ist der Mutter des Kl. unentgeltlich überlassen.

Die Kl. beantragten für beide Wohnungen eine Eigenheimzulage. Der Beklagte (Bekl.) gewährte lediglich für die von den Kl. genutzte Wohnung eine Eigenheimzulage ab 1998. Für die der Mutter des Kl. überlassene Wohnung lehnte der Bekl. die Festsetzung einer Eigenheimzulage ab mit der Begründung, eine Förderung könne nicht gleichzeitig für zwei in räumlichem Zusammenhang belegene Objekte in Anspruch genommen werden. Der hiergegen eingelegte Einspruch der Kl. blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Die Kl. haben einen Anspruch auf Eigenheimzulage für die an ihre Angehörige unentgeltlich überlassene Wohnung.

Eine Eigenheimzulage kann u. a. für die Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung in einem im Inland gelegenen eigenen Haus gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG).

Der Anspruch besteht für Kalenderjahre, in denen der Anspruchsberechtigte die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt auch vor, wenn eine Wohnung an einen Angehörigen unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen wird (§ 4 EigZulG). Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen (unbeschränkte Steuerpflicht und kein dauerndes Getrenntleben), können die Eigenheimzulage für insgesamt zwei Objekte in Anspruch nehmen, jedoch nicht gleichzeitig für zwei in räumlichem Zusammenhang belegene Objekte, wenn die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG bereits im Zeitpunkt der Fertigstellung oder Anschaffung der Objekte vorliegen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG). Das (Gesamt-)Recht der Ehegatten, die Eigenheimzulage für insgesamt zwei Objekte in Anspruch nehmen zu können, wird demnach für in räumlichem Zusammenhang belegene Objekte dahingehend eingeschränkt, dass die Eigenheimzulage nicht gleichzeitig für beide Objekte gewährt wird (vgl. Wacker, EigZulG, 3. Aufl. 2001, § 6 Rn. 40). Ein räumlicher Zusammenhang wird allgemein angenommen, wenn beide Objekte durch geringfügige Baumaßnahmen verbunden werden können. Dies ist stets der Fall, wenn die Wohnungen unmittelbar neben- oder übereinander liegen (vgl. Blümich/Erhard, a. a. O. Rn. 26; BMF-Schrb. v. 10. 2. 1998, BStBl I 1998, 190, Rn. 41; vgl. auch Schmidt, EStG, 20. Aufl. 2001, § 10e Rn. 53 zu dem gleichlautenden § 10e Abs. 4 Satz 2 EStG ) und betrifft vornehmlich Einfamilienhäuser mit Einliegerwohnung, bei denen durch einfache Entfernung des Wohnungsabschlusses der Einliegerwohnung eine Vereinigung der Wohnungen vorgenommen werden kann (vgl. Märkle/Franz, Selbstgenutztes Wohneigentum, 6. Aufl. 1999, S. 45). Nach h. M. im Schrifttum ist aber auch die Belegenheit mehrerer Wohnungen „unter einem Dach schädlich“ (vgl. dazu Wacker, a. a. O., § 6 Rn. 46, m. w. N.). Entscheidend müsse sein, ob eine einheitliche Lebensführung gleichzeitig in beiden Wohnungen möglich sei. Dies könne auch bei durch ein Geschoss getrennten Wohnungen der Fall sein, so dass dann eine gleichzeitige Förderung beider Wohnungen nicht in Betracht komme (vgl. Schmidt, a. a. O., § 10e Rn. 53).

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich im Streitfall um im räumlichen Zusammenhang belegene Wohnungen. Die überlassene Wohnung ist nach dem Vorbringen der Kl. über die im Hauseingang befindliche Treppe zu erreichen. Insofern besteht kein Unterschied zu einem sich über zwei Etagen erstreckenden einheitlichen Wohnraum (BFH v. 10. 10. 2000, IX R 60/96, DStRE 2001, 295). Die Abgeschlossenheitsbescheinigung hinsichtlich beider Wohnungen steht dem nicht entgegen, da diese lediglich das Vorhandensein sondereigentumsfähiger Wohnungen i. S. des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG), d. h. die bauliche Abgrenzung zu anderen (Wohn-)Räumen (im Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum) bestätigt (vgl. Palandt, BGB, 58. Aufl. 1999, WEG 3 Rn. 7). In diesem Zusammenhang wird z. B. eine abschließbare Verbindungstür zwischen zwei Wohnungen für ausreichend angesehen (Palandt, a. a. O.), so dass aus dieser Bescheinigung keine Rückschlüsse auf das Vorliegen eines räumlichen Zusammenhangs möglich sind. Zudem ist eine baulich abgeschlossene Einheit Merkmal des hier maßgeblichen bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriffs (vgl. Wacker, a. a. O. § 2 Rn. 10, 11 unter Hinweis auf Rechtsprechung des BFH). Hierzu gehört außerdem das Vorhandensein von Küche und Bad (vgl. Wacker, a. a. O.), so dass die Kl. sich auch auf diese Umstände ohne Erfolg berufen.

Die Regelung über die Objektbeschränkung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG gilt nach Auffassung des Senats jedoch nicht im Verhältnis zwischen der einem Angehörigen überlassenen Wohnung und der in räumlichem Zusammenhang mit dieser gelegenen, von den anspruchsberechtigten Ehegatten selbst genutzten Wohnung. Der Senat folgt insoweit nicht der im Schrifttum allgemein vertretenen Auffassung, wonach sich aus der Gleichstellung der Selbstnutzung und der unentgeltlichen Überlassung an Angehörige in § 4 Satz 2 EigZulG der Ausschluss der Zulage auf die in räumlichem Zusammenhang stehende überlassene Wohnung erstreckt, diese somit auch dem Objektverbrauch i. S. des § 6 EigZulG unterfällt (so Urban, Die steuerliche Förderung des Wohnungsbaus, S. 243 Rn. 550; Wacker, a. a. O., § 4 Rn. 23; Stephan, Die Wohneigentumsförderung, 6. Aufl. 1999, S. 647 Rn. 7.2; Handzik/Meyer, Die Eigenheimzulage, S. 77 Rn. 156; Greger, Die neue Eigenheimförderung, S. 66 Rn. 88; Schmidt, a. a. O., § 10h Rn. 2; Blümich/Erhard, a. a. O., § 6 Rn. 25).

Sinn dieser Objektbeschränkung ist, eine Doppelförderung bei entsprechender räumlicher Gestaltung zu verhindern. Der Steuerpflichtige soll nicht in den Genuss einer doppelten Förderung kommen, wenn er seinen Wohnbedarf anstelle einer einzigen großen Wohnung durch zwei im Zwei- oder Mehrfamilienhaus belegene Wohnungen befriedigt (vgl. Handzik/Meyer, a. a. O., S. 95, 96 Rn. 208 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung zu § 10e Abs. 4 Satz 2 EStG, BT-Drs. 10/3633, S. 16; Schmidt, a. a. O., § 10e Rn. 53 zu der gleichlautenden Regelung des § 10e Abs. 4 Satz 2).

Die zweifache Nennung der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG im Rahmen dieser Vorschrift erscheint aber nur in Bezug auf den eigenen Wohnbedarf der Ehegatten sinnvoll. Eine Einbeziehung auch der überlassenen Wohnung widerspricht dem Wortlaut dieser Regelung insoweit, als es auf die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung im Zeitpunkt der Anschaffung/Herstellung bei Überlassung einer Wohnung nicht ankommt. Im Falle der unentgeltlichen Nutzung der Wohnung durch einen Angehörigen ist es unerheblich, ob bei deren Anschaffung oder Fertigstellung die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG hinsichtlich der anspruchsberechtigten Ehegatten vorgelegen haben. Dies hat nur Konsequenzen für die anspruchsberechtigten Steuerpflichtigen selbst: Schaffen nämlich Steuerpflichtige, die heiraten wollen, vor der Eheschließung zwei in räumlichem Zusammenhang belegene Objekte an und bewohnen beide Objekte nach der Eheschließung gemeinsam, kann die Förderung für beide Objekte gleichzeitig in Anspruch genommen werden (vgl. Schmidt, a. a. O., § 10e Rn. 54). Nachvollziehbar ist lediglich, dass während der Dauer der Überlassung einer der beiden räumlich zusammenhängenden Objekte an einen Angehörigen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen müssen, da sich nur in diesem Fall, also dem des Zusammenlebens der Ehegatten, die Frage einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Doppelförderung stellt. Ein sich aus dem EigZulG zweifelsfrei ergebender Ausschluss der Förderung einer überlassenen Wohnung, die in räumlichem Zusammenhang mit der eigengenutzten Wohnung steht, liegt nach Auffassung des Senats daher nicht vor.

Auch der Gesetzesbegründung ist nicht der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, die Förderung von an Angehörige überlassene Wohnungen im Gegensatz zu der alten Rechtslage nach dem § 10e und § 10h EStG aufzugeben. Dort heißt es vielmehr, dass durch § 4 EigZulG die Vorschrift des § 10h EStG entfallen kann und die in dieser Vorschrift enthaltene Beschränkung auf Fälle der Wohnungsüberlassung an Angehörige i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AO nicht in § 4 Satz 2 EigZulG übernommen wird (vgl. BT-Drs. 13/2235, S. 15 zu § 3 und § 4). Diese Aussage ist nur so zu verstehen, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 10h EStG in die Neuregelung des EigZulG aufnehmen und gegenüber dieser noch zu Gunsten des Steuerpflichtigen erweitern will, nicht aber, dass er mit der Neuregelung in Bezug auf den räumlichen Zusammenhang die alte Regelung einschränken will. Hinzu kommt, dass § 10h EStG die Gewährung der Förderung gerade davon abhängig gemacht hat, dass Anspruchsberechtigter und Nutzender in demselben Haus jeweils eine Wohnung bewohnten. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann der § 10h EStG nur dann als überflüssig bezeichnet werden, wenn er in der ersetzenden Regelung aufgeht.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass selbst scheinbar rein rechtstechnische Rechtsbegriffe lediglich durch die Gerechtigkeitsfrage ihren Sinn beziehen (vgl. Viehweg, Topik und Jurisprudenz, 3. Aufl., S. 69 unter Hinweis auf Josef Esser). Mit der steuerlichen Gerechtigkeit erscheint aber die Auslegung des Begriffs „räumlicher Zusammenhang“ nicht vereinbar, nach der die dem Angehörigen im Nachbarhaus überlassene Wohnung begünstigt wird, auch wenn der Anspruchsberechtigte daneben ein nach § 2 EigZulG begünstigtes Objekt zu eigenen Wohnzwecken nutzt, während er von der Förderung für das überlassene Objekt ausgeschlossen wird, wenn dieses sich in räumlichem Zusammenhang mit der eigengenutzten Wohnung befindet.

Schließlich sind im Streitfall keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass tatsächlich beide Wohnungen von den Kl. selbst bewohnt werden. Die Kl. haben überzeugende Gründe für die Wohnungsüberlassung an die Mutter des Kl. vorgetragen. Auch der Bekl. hat eine tatsächliche Wohnungsüberlassung nicht in Zweifel gezogen. Die im Schrifttum h. M. stützt den von ihr befürworteten Ausschluss der Förderung aber ausdrücklich nicht auf eine nur mögliche, sondern auf eine tatsächliche Nutzung beider Wohnungen durch die Ehegatten gemeinsam (vgl. Handzik/Meyer, a. a. O., S. 95, 96 Rn. 208; Schmidt, a. a. O., § 10e Rn. 53). Dies ist hier aber auszuschließen. Die lediglich theoretische Möglichkeit der einheitlichen Nutzung, solange der Angehörige dort wohnt, genügt wie bei § 10h EStG nicht.

Rechtsgebiete

Steuerrecht

Normen

EigZulG § 6 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 2