Unentgeltliche Wohnungsüberlassung i.S. des EigZulG
Gericht
BFH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
31. 07. 2001
Aktenzeichen
IX R 9/99 (Rheinland-Pfalz)
„Unentgeltlich“ i.S. des § 4 S. 2 EigZulG ist nur eine Wohnungsüberlassung, für die keinerlei Entgelt gezahlt wird; eine Gegenleistung gleich welcher Art und Höhe ist förderungsschädlich.
Die Kl. - Eheleute - erwarben im Bauträgermodell ein Wohnhaus für 399000 DM, das vom Bruder der Kl. (B) und dessen Ehefrau genutzt wird. Ab 1997 bewohnte auch ein studierender Sohn der Kl. ein Zimmer in diesem Wohnhaus, das den Kl. auch als Zweitwohnsitz dient. Mit Verträgen vom 23. 9. 1996 nahmen die Kl. zur Finanzierung des Wohnhauses drei Darlehen bei der Sparkasse auf, und zwar ein Darlehen in Höhe von 40000 DM (Zinssatz 6% p.a.), das bei Fälligkeit des abgetretenen auf B lautenden Sparkassenbriefs in dieser Höhe zurückgezahlt wurde, ein Darlehen in Höhe von 163000 DM (Zinssatz 6% p.a.), das u.a. mit Sonderzahlungen aus dem Verkaufserlös einer Eigentumswohnung der Eheleute B in Höhe von 150000 DM abgelöst wurde und ein Darlehen in Höhe von 100000 DM (Zinssatz 7% p.a.), worauf Sondertilgungen in Höhe von maximal 10000 DM pro Jahr geleistet werden konnten.
Von den Eheleuten B erhielten die Kl. im Oktober 1996 zunächst 14278,76 DM und dann weitere 46869,96 DM, insgesamt also 61148,72 DM. Hierauf zahlten die Kl. den Eheleuten B in bar 11148,72 DM zurück. Über den verbliebenen Betrag in Höhe von 50000 DM schlossen die Kl. Anfang Januar 1997 einen Darlehensvertrag, der sich darüber hinaus auf die Gewährung weiterer Darlehen in Höhe von insgesamt 190000 DM (40000 DM aus dem abgetretenen Sparkassenbrief, 150000 DM aus dem Verkaufserlös einer Eigentumswohnung) erstreckte. Bezüglich aller dieser Darlehen war ein Zinssatz von 2,5% p.a. über dem bei Beginn einer Abrechnungsperiode (= Kalenderjahr) geltenden Bundesbank-Diskontsatz vereinbart; die Zinsen waren zum Ende der Abrechnungsperiode fällig. Die Darlehen sollten auf unbestimmte Zeit gewährt werden; sie konnten vom Darlehensgeber jederzeit mit einer Frist von zwei Monaten zum Ende eines Kalendermonats und vom Darlehensnehmer jederzeit ganz oder teilweise schriftlich gekündigt bzw. ganz oder teilweise zurückgezahlt werden. Sicherheiten wurden nicht vereinbart. Die danach für 1997 zu zahlenden Zinsen beliefen sich bei einem zu Grunde gelegten Zinssatz von 5% p.a. auf 10847,69 DM.
Das bekl. Finanzamt lehnte die Gewährung der Eigenheimzulage ab, da wegen der Mitfinanzierung des Wohnhauses durch die Eheleute B keine unentgeltliche Überlassung an Angehörige vorliege. Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG statt mit der Begründung, dass keine Mittelverwendungsbestimmung zwischen Darlehensgeber und -nehmer getroffen worden sei; mangels fehlender „synallagmatischer Verknüpfung“ liege - auch im Fall der Nichtanerkennung des bestehenden Darlehensverhältnisses - in der Mitfinanzierung der Baukosten durch Angehörige keine Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung, da zum Umfang des Abwohnens nichts vereinbart worden sei (EFG 1999, 322). Die Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
… II. 1. Gem. §§ 1, 4 S. 1 EigZulG ist Voraussetzung für die Gewährung der Eigenheimzulage u.a., dass der anspruchsberechtigte Steuerpflichtige die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Nach § 4 S. 2 EigZulG liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vor, soweit eine Wohnung unentgeltlich an einen Angehörigen i.S. des § 15 AO (1977) zu Wohnzwecken überlassen wird. „Unentgeltlich“ i.S. des § 4 S. 2 EigZulG ist nur eine Wohnungsüberlassung, für die keinerlei Entgelt gezahlt wird; denn die den Nebensatz einleitende restriktive Konjunktion „soweit“ bezieht sich nicht auf das Merkmal der Unentgeltlichkeit, sondern auf das Überlassen der Wohnung. Ist dementsprechend eine Gegenleistung gleich welcher Art und Höhe förderungsschädlich (vgl. Blümich/Erhard, EigZulG, § 4 Rdnr. 24; Handzik/Meyer, Die Eigenheimzulage, 4. Aufl. (2001), Rdnr. 189; Wacker, EigZulG, 3. Aufl. (2001), § 4 Rdnr. 27 a.E.; Hausen/Kohlrust-Schulz, Die Eigenheimzulage, Rdnr. 187; Risthaus, EigZulG und Anwendungserlass, 1998, § 4 EigZulG Rdnr. 10; BMF-Schreiben v. 10. 2. 1998, BStBl I 1998, 190, 194 Tz. 26, sowie zu § 10h EStG: BFHE 194, 143 = BStBl II 2001, 596 = DStRE 2001, 625; aufhebend Urt. des FG Hessen, EFG 1997, 800 = DStRE 1997, 752; Schmidt/Drenseck, EStG, § 10h Rdnr. 8; Kleeberg, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10h Rdnr. B 12; Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 10h Rdnr. 15), so kann die Unentgeltlichkeit der Wohnungsüberlassung - entgegen der Ansicht des FG und der Kl. - nicht allein aus dem Fehlen synallagmatischer Vertragsbeziehungen, also eines Gegenseitigkeitsverhältnisses im zivilrechtlichen Sinne, hergeleitet werden.
Generell hängt die steuerrechtliche Beurteilung eines Vorgangs nicht entscheidend von der Vertragsgestaltung ab und wird nicht allein durch zivilrechtliche Vorgaben bestimmt; maßgeblich ist vielmehr das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse. Dementsprechend muss der als Gegenleistung in Betracht kommende Vorteil im wirtschaftlichen (Veranlassungs-)Zusammenhang (gerade) mit der Wohnungsüberlassung stehen.
In diesem Sinne versteht der erkennende Senat auch die Ausführungen des X. Senats zur Vorgängerregelung des § 10h EStG (BFHE 194, 143 = BStBl II 2001, 596, unter 2bbb). Für die vorstehende Auffassung spricht auch, dass die bisherige Regelung des § 10h EStG in § 4 S. 2 EigZulG ohne Änderung der Rechtslage übernommen werden sollte (vgl. Stephan, Die Wohneigentumsförderung, 6. Aufl. (1999), S. 637, unter 5.2.3.; Wacker, § 4 Rdnr. 27; Wilde, EigZulG, 1998, § 4 Rdnr. 18; Hausen/Kohlrust-Schulz, Rdnr. 189; i.E. auch BMF-Schreiben v. 10. 2. 1998, BStBl I 1998, 190 Tz. 26; a.A. Urban, Die steuerliche Förderung des Wohnungsbaus, 1998, Rdnr. 513; Hildesheim, Eigenheimzulage, 2000, Rdnr. 78). Damit wollte der Gesetzgeber nur solche Maßnahmen als „unentgeltlich“ erbracht begünstigen, zu denen die Angehörigen keinen - wie auch immer gearteten - finanziellen oder wirtschaftlichen Beitrag für die Wohnungsüberlassung leisten (BFHE 194, 143 = BStBl II 2001, 596 = DStRE 2001, 625).
Demgemäß kann auch bei Gewährung eines zinsverbilligten Darlehens durch einen Wohnungsnutzer an den Wohnungseigentümer in Höhe einer (möglichen) Zinsermäßigung jedenfalls dann eine - die Förderung nach § 4 S. 2 EigZulG ausschließende - Gegenleistung vorliegen, wenn das Darlehen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Wohnungsüberlassung steht (vgl. zu § 10h EStG BFHE 194, 143 = BStBl II 2001, 596 = DStRE 2001, 625; Paus, Inf 1992, 196 [199]; Schmidt/Drenseck, § 10h Rdnr. 8; Stephan, EStG, S. 375; ders., in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 10h Rdnr. 9; Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt, § 10h Rdnr. 15; Kleeberg, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 10h Rdnr. B 12).
2. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Der erkennende Senat kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob die Kl. ihr Wohnhaus „unentgeltlich“ an Angehörige überlassen haben. Dazu bedarf es zunächst der Feststellung, ob überhaupt und ggf. in welchem Umfang die Kl. von den Eheleuten B eine Leistung in Gestalt eines wirtschaftlichen Vorteils (Zinsermäßigung) erhalten haben. Eine solche Zinsermäßigung wird nur insoweit vorliegen, als die Eheleute B anderweitig für eine entsprechende Darlehenshingabe einen höheren Zins hätten erzielen können. Kommt eine solche Leistung in Betracht, ist des Weiteren festzustellen, ob im Streitfall ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der zinsverbilligten Gewährung des Darlehens und der Wohnungsüberlassung gegeben ist. Diese Feststellungen zu treffen und insgesamt zu würdigen, ist Sache des FG.
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