Werbungskostenabzug bei Reinigung von Bekleidung
Gericht
BFH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
29. 06. 1993
Aktenzeichen
VI R 53/92
Reinigungskosten für Bekleidung sind regelmäßig nur dann als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn es sich bei der Bekleidung um typische Berufskleidung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG handelt.
Wird die typische Berufskleidung in einer privaten Waschmaschine gereinigt, so können die hierdurch anfallenden Kosten anhand von Erfahrungen der Verbraucherverbände geschätzt werden.
Bekleidungskosten sind grundsätzlich Lebensführungskosten ...
1. Aufwendungen für die Anschaffung, Instandsetzung und Reinigung von Bekleidung sind grundsätzlich nicht den Werbungskosten, sondern den gem. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht berücksichtigungsfähigen Kosten für die allgemeine Lebensführung zuzurechnen. Dies gilt sowohl dann, wenn die Bekleidung nahezu ausschließlich während der Berufsausübung getragen wird (BFH-Urt. v. 20. 11. 1979, VI R 143/77, BStBl. II 1980, 73, DStR 1980, 144 zum Trachtenanzug eines Restaurant-Geschäftsführers), als auch dann, wenn die bürgerliche Kleidung durch die berufliche Tätigkeit verschmutzt worden sein sollte, es sei denn, diese Verschmutzung wäre ausnahmsweise von einer gewöhnlichen Verschmutzung nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzbar (BFH-Urt. v. 24. 7. 1981, VI R 171/78, BStBl. II 1981, 781, DStR 1981, 694).
... es sei denn, sie betreffen typische Berufskleidung
2. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG nur dann, wenn es sich um typische Berufskleidung handelt, also um Bekleidung, die ihrer Beschaffenheit nach objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Verwendung bestimmt und wegen der Eigenart des Berufs nötig ist (wie etwa bei Uniformen, Amtstrachten, Kittel und Schutzkleidung, vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung im BFH-Urt. v. 18. 4. 1991, IV R 13/90, BStBl. II 1991, 75, DStR 1991, 1182). Zwar dient auch die typische Berufskleidung neben ihrer besonderen beruflichen Zweckbestimmung regelmäßig ebenfalls dem allgemeinen menschlichen Bedürfnis, bekleidet zu sein, und damit der allgemeinen Lebensführung. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG tritt der berufliche Bezug jedoch bei typischer Berufskleidung derart in den Vordergrund, dass der Bezug zur allgemeinen Lebensführung hier nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zu vernachlässigen ist. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG stellt insofern eine konstitutive Regelung dar, die die typische Berufskleidung in den Werbungskostenbereich verlagert und die Anwendbarkeit des Aufteilungs- und Abzugsverbots des § 12 EStG insoweit als spezialgesetzliche Norm verdrängt (vgl. BFH-Urt. v. 6. 12. 1990, IV R 65/90, BStBl. II 1991, 348, DStR 1991, 347, und v. 20. 11. 1979, VI R 143/77, BStBl. II 1980, 73, DStR 1980, 144).
Reinigungskosten als Aufwendungen für Berufskleidung
3. Ist ein Kleidungsstück typische Berufskleidung, so sind nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch sonstige Aufwendungen zur Instandhaltung oder zur Reinigung als Werbungskosten zu qualifizieren (Akzessorietät der Folgekosten, BFH-Urt. v. 9. 3. 1979, VI R 171/77, BStBl. II 1979, 519, und v. 23. 2. 1990, VI R 149/87, BFH/NV 1990, 765). Dabei kommt es nicht darauf an, ob bei der Instandhaltung oder Reinigung nur Aufwendungen in einer Höhe entstehen, die ohnehin auch den Trägern gewöhnlicher bürgerlicher Bekleidung entstanden wären. Denn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG lässt auch den Abzug von Kosten der Anschaffung typischer Berufskleidung zu, obwohl sie die Beschaffung sonst erforderlicher bürgerlicher Kleidung entbehrlich macht. Das Entstehen eines berufsbedingten Mehraufwands setzt das Gesetz nicht voraus. Die Folgekosten teilen vielmehr das rechtliche Schicksal der Anschaffungskosten.
Aufteilbarkeit der Kosten bei privater Reinigung
4. Die Aufwendungen für die Reinigung typischer Berufskleidung können auch dann als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn sie im eigenen Haushalt anfallen. Abziehbar sind sowohl die unmittelbaren Kosten des Waschvorgangs (Wasser- und Energiekosten, Wasch- und Spülmittel), als auch die Aufwendungen in Form der Abnutzung sowie Instandhaltung und Wartung der für die Reinigung eingesetzten Waschmaschine. Dies gilt, wenn die Waschmaschine auch für die Reinigung privater Wäsche eingesetzt wird, unabhängig davon, ob die Berufswäsche gemeinsam mit Privatwäsche in einem Waschgang gereinigt wird oder in aufeinander folgenden Waschgängen. Denn das Aufteilungs- und Abzugsverbot kann gemäß der Rechtsprechung des BFH nach seinem Sinn und Zweck in den Fällen nicht anzuwenden sein, in denen es aus Gründen der Rechtssicherheit vertretbar erscheint, an bisheriger langjähriger Rechtsprechung festzuhalten, und eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nicht zu befürchten ist (BFH-Beschl. v. 19. 10. 1970, GrS 2/70, BStBl. II 1971, 17, DStR 1971, 89). Beispielhaft hat der Große Senat auf die BFH-Urt. v. 13. 4. 1961, IV 54/60 U (BStBl. III 1961, 308) sowie v. 13. 3. 1964, IV 158/61 S (BStBl. III 1964, 455, DStR 1964, 462) verwiesen, in denen der BFH die Aufteilung von Waschkosten zugelassen hatte, die durch die Nutzung einer privaten Waschmaschine für Praxis- und Privatwäsche entstanden waren. An dieser Rechtsprechung hat der III. Senat des BFH mit Urt. v. 25. 10. 1985, III R 173/80 (BFH/NV 1986, 281) festgehalten. Dem folgt der erk. Senat für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Schätzung anhand repräsentativer Daten
Die durch das Waschen von typischer Berufskleidung verursachten Aufwendungen können auf der Grundlage der Kosten einzelner Waschmaschinenläufe geschätzt werden, die z.B. anhand repräsentativer Daten von Verbraucherverbänden oder Herstellern ermittelbar sind. Der Senat hält eine Schätzung auch in der Form für möglich, dass ausgehend von der jährlich anfallenden Menge der zu reinigenden typischen Berufskleidung die dafür insgesamt erforderliche Zahl zusätzlicher Waschmaschinenläufe bestimmt und mit den Kosten eines Waschmaschinenlaufs vervielfältigt wird (vgl. z.B. das Urt. des FG Berlin v. 22. 10. 1981, I 220/80, EFG 1982, 463).
5. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht die Reinigungskosten für Hemden, Jacke, Unterhosen und Socken des Kl. nicht als Werbungskosten anerkannt, denn bei diesen Kleidungsstücken handelt es sich nicht um typische Berufskleidung. Auch sind klare und eindeutige Maßstäbe für die Abgrenzung der berufsbedingten Verschmutzung von der gewöhnlichen Verschmutzung nicht erkennbar. Allerdings reichen die Feststellungen des FG für eine abschließende Entscheidung hinsichtlich der Reinigungskosten für die Latzhosen nicht aus, weil das FG keine näheren Feststellungen getroffen hat, aus denen sich ergibt, ob die Latzhosen zur typischen Berufskleidung gehören.
Sollte das FG bei der erneuten Verhandlung die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG bejahen, wäre es nunmehr zu einer Schätzung der auf die Reinigung der Latzhosen entfallenden Waschkosten verpflichtet.
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