Aufwendungen für eine Tageszeitung ausnahmsweise abzugsfähig
Gericht
BFH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
12. 11. 1982
Aktenzeichen
VI R 193/79 (FG Stuttgart)
Zur Abzugsfähigkeit von Tageszeitungen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben
Der Kl. ist als Diplom-Kaufmann in einer Rechtsanwalts-, Steuerberatungs-, Unternehmensberatungs- und Wirtschaftsprüfungspraxis beschäftigt. Sein Tätigkeitsgebiet umfasst die steuerliche und die wirtschaftliche Beratung von Mandanten sowie das Revisions- und Treuhandwesen. Im Antrag auf Lohnsteuerermäßigung für das Streitjahr 1978 machte der Kl. u. a. Aufwendungen für den Bezug der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt“ in Höhe von 298,80 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Das FinA lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen für das „Handelsblatt“ ab. Das FG wies die Klage ab. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt.
2. Die Aufwendungen für das „Handelsblatt“ sind als Werbungskosten anzuerkennen. Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, dürfen nach § 12 Nr. 1 S. 2 EStG allerdings nicht als Werbungskosten abgezogen werden, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Die Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts können deshalb nur dann nach § 9 I Nr. 6 EStG als Arbeitsmittel steuerrechtlich berücksichtigt werden, wenn einwandfrei feststeht, dass der Arbeitnehmer den Gegenstand weitaus überwiegend beruflich verwendet, so dass eine private Mitbenutzung von ganz untergeordneter Bedeutung ist. Dabei hängt nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. 10. 1970 (BFHE 100, 309 = BStBl 1971 II, 17) die Entscheidung, ob es sich um Aufwendungen für ein Arbeitsmittel oder um Lebenshaltungskosten handelt, grundsätzlich von der tatsächlichen Zweckbestimmung, d. h. der Funktion des Wirtschaftsguts im Einzelfall, ab. Allerdings spielt der objektive Charakter des Wirtschaftsguts bei der Beweiswürdigung zur Feststellung des Verwendungszwecks eine große Rolle. Ist nicht nachprüfbar oder nicht klar erkennbar, ob der Gegenstand mehr dem Beruf oder mehr den privaten Interessen des Steuerpflichtigen dient, sind die Aufwendungen für die Anschaffung schon aus Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit zu den Kosten der Lebensführung zu rechnen (vgl. BFHE 100, 309 = BStBl 1971 II, 17; BFH, Urt. v. 16. 10. 1981 - VI R 180/79; BFHE 134, 299 = BStBl 1982 II, 67). Der Senat hat diese Grundsätze neuerdings für die Anschaffung von Büchern durch einen Lehrer bestätigt. Aufwendungen sind demnach auch bei der Anschaffung von Büchern nur dann Werbungskosten, wenn sie ausschließlich oder doch weitaus überwiegend für berufliche Zwecke verwendet werden (BFHE 134, 299 = BStBl 1982 II, 67).
Demnach können Aufwendungen für eine Tageszeitung, die auch der allgemeinen Information und damit jedenfalls auch der Lebensführung dient, nicht als Werbungskosten abgezogen werden (ebenso Herrmann-Heuer-Raupach, EStG/KStG, 19. Aufl., § 9 EStG Anm. 33b, E 88; Schmidt-Drenseck, EStG, 1982, § 9 Anm. 10c; Hartz-Meeßen-Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort „Zeitungen“). Davon geht auch die Entscheidung des BFH aus, nach der die Aufwendungen eines Rechtsanwalts für eine Tageszeitung wegen des Aufteilungs- und Abzugsverbots des § 12 Nr. 1 EStG nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden können (BFHE 75, 279 = BStBl 1962 III, 368). Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um den Abzug der Aufwendungen für eine typische Tageszeitung. Das „Handelsblatt“ unterscheidet sich von einer typischen Tageszeitung nämlich schon dadurch, dass es nur an reinen Arbeitstagen - börsentäglich - erscheint. Vor allem ist es inhaltlich mit typischen Tageszeitungen deshalb nicht vergleichbar, weil es anders als jene keine lokalen Nachrichten sowie regelmäßig keinen Sportteil und kein Feuilleton enthält. Der ganz überwiegende Inhalt des „Handelsblatts“ befasst sich vielmehr - was bei anderen Tageszeitungen hingegen nur einen Teil ausmacht - mit Wirtschaftsfragen. Aus dem objektiven Charakter des „Handelsblatts“ lässt sich deshalb - anders als bei allgemeinbildenden Büchern und bei typischen Tageszeitungen - nicht die Vermutung ableiten, es sei (auch) aus Gründen der Lebenshaltung angeschafft worden.
Der objektive Charakter des „Handelsblatts“ ist auch nicht derart indifferent, dass die Zuordnung zum Gegenstand der Lebensführung einerseits oder zum Arbeitsmittel andererseits ausschließlich von der tatsächlichen Verwendung abhinge, wie das der BFH z. B. für den Schreibtisch eines Lehrers (BFHE 121, 444 = NJW 1977, 1471 = BStBl 1977 II, 464), für die Schreibmaschine eines Richters (BFHE 101, 381 = BStBl 1971 II, 327) und für den schwarzen Anzug eines Oberkellners (BFHE 127, 522 = BStBl 1979 II, 519) - jeweils Arbeitsmittel bejahend - angenommen hat. Vielmehr spricht der objektive Charakter des „Handelsblatts“ entgegen der Auffassung des FG dafür, dass es aus beruflichen Gründen bezogen und benutzt wird. Der Senat beurteilt diese Zeitung grundsätzlich eher wie eine Fachzeitschrift, in der fast ausschließlich fachbezogene Beiträge enthalten sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob der jeweilige Benutzer des „Handelsblatt“ an allen seinen Teilbereichen interessiert ist. Denn es würde auch niemand etwa bei einem Juristen deshalb die Aufwendungen für eine juristische Fachzeitschrift als Werbungskosten ausschließen, weil diese Zeitschrift neben anderen z. B. auch strafrechtliche Fragen abhandelt, an denen dieser Jurist gerade nicht interessiert ist.
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