Aufwendungen für „Handelsblatt“ nicht als Werbungskosten abziehbar
Gericht
FG Brandenburg
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
04. 04. 2002
Aktenzeichen
3 K 2613/01
Die Aufwendungen eines als Anlageberater bei einer Bank tätigen Bankkaufmanns für den Bezug der Tageszeitung „Handelsblatt“ können wegen des Aufteilungs- und Abzugsverbots des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht als Werbungskosten abgezogen werden (gegen BFH v. 12. 11. 1982, DB 1983, 372).
Der Kläger (Kl.) ist als Bankkaufmann bei der X-Bank AG beschäftigt. Dort ist er als Anlageberater von Privatkunden tätig. Seine Einkünfte aus dieser Tätigkeit beliefen sich im Streitjahr auf 108.390 DM.
In der Einkommensteuererklärung 1999 machte der Kl. u.a. Aufwendungen i. H. von 693 DM für den Bezug der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt“ als Werbungskosten geltend, die der Beklagte (Bekl.) unter Hinweis auf das rechtskräftige Urteil des FG Baden-Württemberg vom 17. 10. 1996 (6 K 252/96, EFG 1997, 467) versagte.
Mit seiner Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Er macht geltend, er sei dafür zuständig, die Kunden bei Anlageentscheidungen im Bereich der Aktien, Investmentfonds, Immobilienfonds und festverzinslichen Wertpapiere zu beraten. Grundvoraussetzung hierfür sei, dass er über wirtschaftliche und börsentechnische Daten täglich genauestens und umfassend informiert sei, um seinen Kunden tiefgreifend und aktuell über die verschiedenen Produkte Auskünfte erteilen zu können. Die Lektüre des „Handelsblattes“ sei insofern für ihn unverzichtbar. Er sei auf das „Handelsblatt“ angewiesen, um die Anlageentscheidungen zu untermauern. Denn das „Handelsblatt“ enthalte Informationen über Kurse, volks- und betriebswirtschaftliche Analysen, Analysen von Aktien, Investmentfonds, Anleihen und sonstigen Finanzprodukten, Chartanalysen für Aktien und Aktienfonds sowie die Beschreibung voraussichtlicher Entwicklungen im Aktien- und Rentenmarkt etc. Die Kunden würden zum Teil selbst das „Handelsblatt“ lesen und entsprechende Informationen vom Kl. erwarten. Derartige Informationen würden jedoch von der Bank - insbesondere im Analysebereich - nicht taggenau zur Verfügung gestellt.
Der Bekl. bestreitet die berufliche Nutzung des „Handelsblattes“ durch den Kl. nicht. Es sei aber davon auszugehen, dass die Zeitung in nicht untergeordnetem Maße privat genutzt werde und deshalb das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG greife. So ermögliche die Zeitung dem Kl., bei der eigenen Vermögensanlage schnellere und „optimalere“ Entscheidungen zu treffen, weshalb ggf. ein Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu prüfen sei. Ebenso enthalte das „Handelsblatt“ eine Reihe von Beiträgen allgemeinpolitischen und gesellschaftlichen Inhalts, die für den Kl. eher von allgemeinbildendem als von beruflichem Interesse seien. Diese private Veranlassung werde durch das Vorbringen des Kl. nicht widerlegt.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Versagung der Aufwendungen für den Erwerb des „Handelsblattes“ ist rechtmäßig und verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Die Aufwendungen für das „Handelsblatt“ sind im Streitfall nicht als Werbungskosten anzuerkennen. Sie fallen unter das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG.
Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG i. V. m. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG können Anschaffungskosten eines Wirtschaftsgutes nur dann als Arbeitsmittel berücksichtigt werden, wenn einwandfrei feststeht, dass der Arbeitnehmer den Gegenstand weitaus überwiegend beruflich verwendet, so dass eine private Mitbenutzung von ganz untergeordneter Bedeutung ist. Dabei ist ausschlaggebend, welche tatsächliche Zweckbestimmung im Einzelfall die Anschaffung verfolgt (BFH v. 19. 1. 1996, VI R 64/95, BFH/NV 1996, 402). Allerdings spielt der objektive Charakter des Wirtschaftsgutes bei der Beweiswürdigung zur Feststellung des Verwendungszwecks eine große Rolle. Ist nicht nachprüfbar oder nicht klar erkennbar, ob der Gegenstand mehr dem Beruf oder mehr den privaten Interessen des Steuerpflichtigen dient, sind die Aufwendungen für die Anschaffung schon aus Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit zu den Kosten der Lebensführung zu rechnen. Infolgedessen können Aufwendungen für eine Tageszeitung, die auch der allgemeinen Information und damit jedenfalls auch der privaten Lebensführung dient, nicht als Werbungskosten abgezogen werden.
Das „Handelsblatt“ ist nach Auffassung des Senats keine reine Wirtschafts-Fachzeitschrift. Der BFH hat zwar mit Urteil vom 12. 11. 1982 (VI R 193/79, DB 1983, 372) ausgeführt, dass bereits der objektive Charakter des „Handelsblattes“, das einer Fachzeitschrift nahezu gleichkomme, für eine berufliche Nutzung im wirtschaftlichen Bereich spreche. Dieser Einschätzung folgt der Senat jedoch nach Inaugenscheinnahme der Ausgabe des „Handelsblattes“ vom 18. 2. 2002 (Montag) nicht. Allerdings sieht auch der erk. Senat das „Handelsblatt“ nicht als typische Tageszeitung an. Dies ergibt sich zum einen aus dem lediglich börsentäglichen Erscheinen, zum anderen aus dem Fehlen eines Lokalteils. Aber im Gegensatz zu einer reinen Fachzeitschrift enthält das Handelsblatt - eben doch wie eine Tageszeitung - eine nicht nur untergeordnete Anzahl von Beiträgen zum allgemeinpolitischen Tagesgeschehen sowie gesellschaftlichen Inhalts, die keinen unmittelbaren Bezug zu der eine Fachzeitschrift kennzeichnenden Spezialmaterie - hier Wirtschaftsbeiträge - herstellen (so im Ergebnis auch von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 9 Rn. B 314). So verfügt das „Handelsblatt“ vor den sicherlich fachspezifischen Rubriken „Unternehmen und Märkte“, „Finanzzeitung“, „Anlegerzeitung“ und „Amtliche Bekanntmachungen“ über einen ausführlichen Einleitungsteil, der sich mit aktuellen Meldungen aus der allgemeinen Politik befasst. Zudem enthält das „Handelsblatt“, insbesondere zum Ende der Börsenwoche, jeweils Beilagen wechselnden Inhalts, wie z. B. aus dem Computerbereich, Reiseberichterstattungen, Feuilletonbeiträge, Sportnachrichten oder ähnliches. Auch wenn der Umfang dieser Beiträge mit dem in einer typischen Tageszeitung nicht gleichzusetzen ist, nimmt er dem „Handelsblatt“ doch den Charakter einer Fachzeitschrift, da er über das dort übliche Maß deutlich hinausgeht. Außerdem vermittelt das „Handelsblatt“ wirtschaftliches Allgemeinwissen, das als Teil der allgemeinen wirtschaftlichen Bildung nach den Grundsätzen des Großen Senats des BFH Teil der allgemeinen Lebensführung ist (BFH v. 27. 11. 1978, GrS 8/77, BStBl II 1979, 213, DStR 1979, 293). Weiterhin hat der Senat die Tatsache, dass die Bank dem Kl. das „Handelsblatt“ nicht zur Verfügung gestellt hat, als Indiz dafür angesehen, dass eine mehr als unbedeutende private Mitveranlassung der Aufwendungen vorlag. Schließlich gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der o. g. Ausgabe um einen „Ausreißer“ gehandelt hat. Bereits in den 80er Jahren kamen die betreffenden, nicht spezifisch fachgebundenen Artikel im Handelsblatt vor (von Bornhaupt, a. a. O.).
Zu keinem anderen Ergebnis führt das Vorbringen des Bekl., die Zeitung ermögliche dem Kl. bei der eigenen Vermögensanlage schnellere und optimale Entscheidungen zu treffen. Denn dass die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen den Kl. zum Bezug des „Handelsblattes“ tatsächlich mitveranlasst haben sollte, ist vom Kl. nicht vorgetragen worden und aus seiner Einkommensteuererklärung auch nicht ersichtlich.
Die Revision war zuzulassen. Im Hinblick auf die Entscheidung des BFH vom 12. 11. 1982 (a. a. O.), von der der Senat abgewichen ist, erscheint eine erneute Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
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