Baukindergeld für im Zeitpunkt der Wohnungsanschaffung haushaltszugehöriges Kind
Gericht
BFH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
27. 07. 2000
Aktenzeichen
X R 135/97
Dem Steuerpflichtigen steht für ein Kind, das zum Zeitpunkt der Anschaffung, aber nicht mehr bei Bezug der Wohnung zu seinem Haushalt gehört hat, Baukindergeld nach § 34f II EStG unter den weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift zu, wenn die Haushaltszugehörigkeit des Kindes zum Zeitpunkt der Wohnungsanschaffung auf Dauer angelegt war.
Die Kl. wohnte nach der Trennung von ihrem Ehemann seit April 1987 mit ihrer damals elf Jahre alten Tochter in einer Mietwohnung. Durch notariellen Vertrag vom 29. 11. 1988 erwarb sie eine Drei-Zimmer-Eigentumswohnung, deren Nutzungen und Lasten laut Vertrag am 1. 2. 1989 auf sie übergingen. Seit 1. 6. 1989 wohnte die Tochter bei ihrem Vater. Am 11. 7. 1989 wurde die Ehe geschieden. Die Kl. bezog die Eigentumswohnung am 31. 7. 1989. Die Kl. nahm für die Eigentumswohnung Abzugsbeträge nach § 10e I EStG i.d.F. des Wohneigentumsförderungsgesetzes vom 15. 5. 1986 (BStBl I 1986, 278) in Anspruch. Die beantragte Steuerermäßigung gem. § 34f II EStG (das sog. Baukindergeld) in Höhe von 600 DM lehnte der Bekl. (das Finanzamt) ab, weil die Tochter bereits vor Beginn der erstmaligen Eigennutzung der Eigentumswohnung im Haushalt des Vaters gelebt habe. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1994 machte die Kl. wiederum erfolglos Baukindergeld nach § 34f II EStG geltend. Ihr Anspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 1994 war erfolglos.
Da FG (EFG 1997, 1434) hat die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl. hatte Erfolg.
1. Nach § 34f II EStG ermäßigt sich bei Steuerpflichtigen, welche wie im Streitfall die Steuerbegünstigung nach § 10e I EStG in Anspruch nehmen, die tarifliche Einkommensteuer um 600 DM für jedes Kind des Steuerpflichtigen, das zu seinem Haushalt gehört oder in dem für die Steuerbegünstigung maßgebenden Begünstigungszeitraum gehört hat; die Zugehörigkeit zum Haushalt muss auf Dauer angelegt oder angelegt gewesen sein.
a) Der Erwerber eines nach § 10e I EStG begünstigten Objekts kann im Jahr der Anschaffung der Wohnung und in den sieben folgenden Jahren bestimmte Prozentsätze der Anschaffungskosten „wie Sonderausgaben“ abziehen. Dieser vom Gesetz als Abzugszeitraum bezeichnete Zeitraum ist identisch mit dem in Anlehnung an den Sprachgebrauch des § 7b EStG in § 34f EStG verwendeten Begriff des Begünstigungszeitraums.
b) Nach dem zu § 34f I Nr. 2 i.V. mit § 7b EStG ergangenen Senatsurteil vom 11. 8. 1993 (BFHE 172, 89 = BStBl II 1993, 873) beginnt bei Erwerb eines begünstigten Objekts der „für die erhöhten Absetzungen maßgebende Begünstigungszeitraum“ erst mit dem Zeitpunkt der Anschaffung. Zwar stehe dem Steuerpflichtigen bereits im Jahr der Anschaffung die volle erhöhte Absetzung zu, so dass nach dem bloßen Wortsinn der Begriff „maßgebender Begünstigungszeitraum“ auch das gesamte Kalenderjahr der Anschaffung umfassen könne. Nach der Zielsetzung des § 34f EStG sei die Inanspruchnahme des Baukindergelds aber nicht gerechtfertigt, wenn bei Erwerb des begünstigten Objekts bereits feststehe, dass das Kind beim Einzug in das Objekt dem elterlichen Haushalt nicht mehr angehören werde.
c) Anders als die Begünstigung nach § 7b EStG steht die Grundförderung nach § 10e I EStG dem Steuerpflichtigen nur für die Jahre des Begünstigungszeitraums (Abzugszeitraums) zu, in denen er die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt (§ 10e I 2 EStG). Er ist daher erst ab dem Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken zur Inanspruchnahme der Grundförderung berechtigt. Der Begünstigungszeitraum als solcher wird durch die Eigennutzung aber nicht berührt. Bezieht der Steuerpflichtige die Wohnung z.B. erst in einem dem Jahr der Anschaffung folgenden Jahr, verlängert sich der Begünstigungszeitraum nicht. Die Jahre, in denen der Steuerpflichtige die Wohnung nach der Anschaffung (noch) nicht zu eigenen Wohnzwecken nutzt, gehen für die Förderung verloren (BFHE 161, 537 = BStBl II 1990, 977). Für die Bestimmung des Beginns des Begünstigungszeitraums kann es daher auf den Beginn der Eigennutzung nicht ankommen. Es reicht aus, dass das Kind im Zeitpunkt der Anschaffung im Haushalt des Steuerpflichtigen lebt und dem Haushalt voraussichtlich auf längere Zeit angehören wird.
d) Diese Auslegung stimmt mit der Zielsetzung des § 34f II EStG überein. Das Baukindergeld wird nicht nur für die im jeweiligen Jahr des Begünstigungszeitraums tatsächlich zum Haushalt gehörenden Kinder gewährt, sondern auch für die Kinder, die dem Haushalt während des Begünstigungszeitraums angehört haben, sofern die Zugehörigkeit auf Dauer angelegt war. Das zeigt, dass für die Förderung nicht nur die durch die Unterhaltsverpflichtung gegenüber Kindern geminderte Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, sondern auch der erhöhte Wohnraumbedarf durch die Kinder zweckbestimmend ist (BFHE 172, 89 = BStBl II 1993, 873, m.w. Nachw.); Steuerpflichtigen mit Kindern soll ein zusätzlicher Anreiz zum Erwerb von Wohneigentum gegeben werden (Senat, BFHE 166, 85 = BStBl II 1992, 241). Die Förderung berücksichtigt (auch) den zum Zeitpunkt der Anschaffung voraussichtlichen erhöhten Wohnraumbedarf durch die Kinder. Deshalb verliert der Steuerpflichtige den Anspruch auf das Baukindergeld nicht, wenn das Kind nach Erwerb des Wohneigentums (wider Erwarten) aus dem Haushalt ausscheidet. Daher stimmt es mit dem Förderungszweck überein, auf die Zahl der voraussichtlich dauerhaft zum Haushalt gehörenden Kinder zum Zeitpunkt des Erwerbs und nicht zum Zeitpunkt des Beginns der Eigennutzung abzustellen.
2. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, werden das finanzgerichtliche Urteil und die Einspruchsentscheidung aufgehoben. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1994 wird die Einkommensteuer auf 2221 DM (tarifliche Einkommensteuer: 2821 DM./.Steuerermäßigung nach § 34f II EStG: 600 DM) festgesetzt.
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