Werbungskosten bei Rückumzug ins Ausland

Gericht

BFH


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

08. 11. 1996


Aktenzeichen

VI R 65/94


Leitsatz des Gerichts

Wird ein ausländischer Arbeitnehmer unbefristet an einen Arbeitsort im Inland versetzt, zieht er mit seiner Familie dorthin um und dauert der Aufenthalt im Inland viele Jahre bis zum Erreichen der Pensionsgrenze an, so steht dem Abzug der Kosten für den Rückumzug ins Heimatland die Vorschrift des §; 12 Nr. 1 EStG entgegen.

Tatbestand

Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der 1924 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kl.) und seine Ehefrau (Klägerin und Revisionsbeklagte) sind Schweizer Staatsbürger. Anlässlich seiner Versetzung durch den Arbeitgeber (A-AG, Schweiz) an ein deutsches Tochterunternehmen (B-GmbH) zog der Kl. mit seiner Familie 1969 in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Mit Ablauf des Streitjahres 1986 schied er aus Altersgründen aus den Diensten seines Arbeitgebers aus und zog noch im Streitjahr in die Schweiz zurück. Die pauschal ermittelten Umzugskosten i. H. von 5826,50 DM machte der Kl. bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) lehnte den Abzug dieser Aufwendungen ab, da die Kosten nicht im Zusammenhang mit inländischen Einkünften stünden.

Das FG gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit den in EFG 1994, 347 veröffentlichten Gründen im wesentlichen statt.

Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Dazu führt es u. a. aus: Der Rückumzug in die Schweiz sei nicht durch die Tätigkeit im Inland veranlasst; er beruhe auf privaten Motiven. Hieran ändere der Einwand der Kl. nichts, sie hätten ihr Eigenheim in der Schweiz nicht veräußert, um nach Eintritt des Ruhestandes dorthin zurückkehren zu können. Die Tatsache, dass jemand eine Immobilie über einen Zeitraum von 17 Jahren vorhalte, ohne diese selbst zu nutzen, sondern diese vermiete, lege den Schluss nahe, dass diese Immobilie als Einkunftsquelle und/oder als Kapitalanlage benutzt werde. Eine von vornherein beabsichtigte Rückkehr lasse sich hieraus jedenfalls nicht ableiten. Selbst wenn die Kl. von einer möglichen Rückkehr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in die Schweiz ausgegangen wären, spräche schon der lange Aufenthalt in der Bundesrepublik von insgesamt 17 Jahren gegen einen endgültigen Rückumzugsentschluss schon beim Zuzug in die Bundesrepublik. Während eines so langen Zeitraums werde eine Vielzahl sozialer Kontakte aufgebaut, so dass ein Rückumzug regelmäßig einer zweiten Entscheidung bedürfe, deren Ergebnis beim Zuzug noch nicht abzusehen sei. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des BFH. Dieser habe im Urteil vom 4. 12. 1992, VI R 11/92 (BFHE 170, 129, BStBl II 1993, 722, DStR 1993, 604) zum Ausdruck gebracht, dass ein ausländischer Arbeitnehmer nur bei einer befristeten Versetzung ins Inland die Aufwendungen für den späteren Rückumzug ins Ausland als Werbungskosten abziehen könne. Die Auffassung des FG, wonach die Tätigkeit des Kl. im Inland zumindest durch den Eintritt des Ruhestandes befristet gewesen sei, stehe mit der vorbezeichneten Rspr. nicht im Einklang. Eine solche Befristung würde auf jeden erwerbstätigen Stpfl. zutreffen. Die Auffassung des FG würde die vom BFH entwickelte Unterscheidung zwischen befristeter und unbefristeter Versetzung überflüssig machen.

Die Kl. treten der Revision im wesentlichen mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen. Weiter führen sie aus, der Werbungskostenabzug müsste zumindest dann anerkannt werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalles davon auszugehen sei, dass der Rückumzug in das Ausland von vornherein beabsichtigt gewesen sei, auch wenn die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung zu keinem Zeitpunkt erfüllt gewesen seien. In diesem Fall sei der Rückumzug in das Ausland durch den Zuzug in das Inland wirtschaftlich in dem Sinn veranlasst, dass der Rückumzug lediglich die Folgen des Zuzugs beseitige. Dieses habe der BFH in den Urteilen vom 29. 4. 1992, VI R 146/89 (BFHE 167, 446, BStBl II 1992, 667, DStR 1992, 979) und in BFHE 170, 129, BStBl II 1993, 772 als maßgeblich angesehen.

Entscheidungsgründe

Auszüge aus den Gründen:

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Rückumzug bei befristetem und unbefristetem Arbeitsplatz unterschiedlich zu behandeln

Das FG hat zu Unrecht die Aufwendungen des Kl. für den Rückumzug in sein Heimatland als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt. Der Senat hat durch Urteil in BFHE 170, 129, BStBl II 1993, 722 entschieden, dass die Rückumzugskosten eines für eine von vornherein bestimmte Zeit in das Inland versetzten ausländischen Arbeitnehmers durch die Erzielung inländischer Einkünfte veranlasst und als Werbungskosten anzuerkennen sind. Entscheidender Gesichtspunkt war, dass der Rückumzug die Beseitigung der beruflich bedingten Wohnsitzveränderung war, welcher die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen erst ermöglicht hatte (vgl. auch Urt. des Senats v. 12. 1. 1990, VI R 29/86, BFHE 159, 341, BStBl II 1990, 423, zur Beurteilung der Kosten für die Rückfahrt zur Fortsetzung eines aus betrieblichen Zwängen unterbrochenen Urlaubs). Bei einem auf vorübergehende Zeit versetzten Arbeitnehmer ist der Zusammenhang des Rückumzugs mit der bisherigen Einkunftserzielung offenkundig. Dies ist hingegen nicht der Fall, wenn ein Arbeitnehmer unbefristet an einen anderen Arbeitsort versetzt wird, dorthin umzieht und der Aufenthalt an diesem Arbeitsort viele Jahre bis zum Erreichen der Pensionsgrenze andauert. In einem derartigen Fall dient der Rückumzug nicht lediglich der Folgenbeseitigung einer berufsbedingt eingetretenen Veränderung der Wohnsituation. Vielmehr hängt der Rückumzug nach Eintritt des Pensionsalters mit der Entscheidung über die weitere Lebensplanung zusammen. Diese Entscheidung wird freiwillig getroffen und steht zur früheren beruflich bedingten Wohnsitznahme am Arbeitsort allenfalls in einem entfernten Zusammenhang. In einem derartigen Fall treffen private und berufliche Umstände bzw. Erwägungen zusammen, so dass die Umzugskosten in nicht nur völlig untergeordnetem Umfang durch die private Lebensführung veranlasst sind (§ 12 EStG).

Die dienstrechtliche Kostenübernahme aus Fürsorgegesichtspunkten ist nicht entscheidend. Unerheblich ist, dass nach § 19 Abs. 1 Satz 1 der einem Berechtigten mit Dienstort im Ausland, der in den Ruhestand tritt, eine Umzugskostenvergütung für einen Umzug nach einem Ort seiner Wahl im Inland zuzusagen ist. Diese dienstrechtliche Bestimmung hat nicht zur Folge, dass die von einem Arbeitnehmer selbst getragenen Umzugskosten zum Werbungskostenabzug zuzulassen sind. Die steuerrechtliche Entscheidung hängt im wesentlichen von der Frage ab, ob die zu beurteilenden Aufwendungen auch die private Lebensführung berühren (vgl. BFH v. 27. 5. 1994, VI R 67/92, BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17, DStR 1994, 1416). Ist diese Frage wie im Streitfall zu bejahen, so steht die Vorschrift des § 12 EStG dem Werbungskostenabzug entgegen.

Da die Vorentscheidung von anderen Erwägungen ausgegangen ist, war sie aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der unbefristet versetzte Kl. hat mit seiner Familie rund 17 Jahre bis zu seiner Pensionierung im Inland gelebt. Unter diesen Umständen stellt sich der Rückumzug ungeachtet der Tatsache, dass die Kl. ihren Wohnsitz im Ausland als Zweitwohnsitz beibehalten haben, als eine Entscheidung der weiteren privaten Lebensgestaltung dar. Damit scheidet ein Abzug der Umzugskosten als Werbungskosten im Hinblick auf § 12 EStG aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Rechtsgebiete

Steuerrecht