Umzugskosten bei erstmaliger Arbeitsaufnahme
Gericht
FG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
21. 01. 2000
Aktenzeichen
7 K 3191/98
Die im Zusammenhang mit einem Umzug verbundenen Aufwendungen gehören grundsätzlich zu den nicht abzugsfähigen Aufwendungen der privaten Lebensführung. Sie sind nur als Werbungskosten abzugsfähig, wenn der Umzug beruflich veranlasst ist.
Eine berufliche Veranlassung zum Wohnungswechsel ist nicht schon stets dann gegeben, wenn der Steuerpflichtige erstmals eine berufliche Tätigkeit aufnimmt.
Zieht ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit der erstmaligen Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit aus der elterlichen Wohnung aus, besteht besondere Veranlassung zu der Prüfung, ob private Motive die berufliche Veranlassung des Umzugs überlagern.
Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von Umzugskosten.
Der Kläger (Kl.) war vom 1. 5. 1995 bis zum 31. 3. 1996 im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses bei der Firma A GmbH mit Sitz in V-Stadt nichtselbstständig tätig. Danach nahm er eine Beschäftigung bei der Firma B GmbH in X-Stadt an. Er wohnte zunächst im Hause seiner Eltern in X-Stadt und suchte von dort aus seine Arbeitsstelle bei der Firma A auf. Seit dem 1. 7. 1996 wohnt der Kl. in einer eigenen Wohnung in X-Stadt.
Die mit dem Umzug verbundenen Kosten machte der Kl. in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit geltend. Der Beklagte (Bekl.) ließ die Aufwendungen jedoch unberücksichtigt. Dazu führte er aus, dass die durch den Umzug in X-Stadt entstandenen Kosten nicht beruflich veranlasst seien.
Nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren trägt der Kl. mit seiner Klage vor: Der angefochtene Steuerbescheid sei rechtswidrig, denn entgegen der Rechtsauffassung des Bekl. seien die Aufwendungen beruflich veranlasst. Zwar handele es sich bei der neuen Wohnung nicht um eine Dienstwohnung und er habe seinen Wohnsitz auch nicht auf Anweisung des neuen Arbeitgebers gewechselt. Es sei aber fraglich, ob es dem Arbeitgeber tatsächlich recht gewesen wäre, wenn er weiter bei den Eltern gewohnt hätte. Letztlich könne diese Frage aber dahinstehen, denn nach Abschn. H 41 Satz 1 Nr. 3 des Amtlichen Lohnsteuer-Handbuches 1999 seien die Umzugskosten als Werbungskosten zu qualifizieren. Er habe nämlich nach dem Ende der Ausbildungszeit erstmals eine feste Anstellung angenommen und erst danach sei es ihm möglich gewesen, eine eigene Wohnung zu beziehen.
Die Klage ist unbegründet.
Der Kl. wird durch den angefochtenen Steuerbescheid nicht in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), denn dieser Bescheid ist rechtmäßig. Der Bekl. hat die geltend gemachten Umzugskosten zu Recht außer Ansatz gelassen.
Umzugskosten sind nur bei eindeutiger beruflicher Veranlassung Werbungskosten. Zwar können Umzugskosten nach ständiger Rechtssprechung des BFH trotz ihres privaten Charakters auf Grund einer eindeutigen beruflichen Veranlassung im Einzelfall als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit berücksichtigt werden (vgl. dazu BFH v. 15. 10. 1976, VI R 162/74, BStBl II 1977, 117, DStR 1977, 317; v. 22. 11. 1991, VI R 77/89, BStBl II 1992, 494, DStR 1992, 613 und v. 27. 7. 1995, VI R 17/95, BStBl II 1995, 728, DStR 1995, 1505). Eine berufliche Veranlassung hat im Streitfall aber nicht vorgelegen.
Nach dem eigenen Vortrag des Kl. hat es sich bei der neuen Wohnung nicht um eine Dienstwohnung gehandelt und der Umzug ist auch nicht auf Anweisung des neuen Arbeitgebers erfolgt. Bei der Überlegung des Kl., dass der Arbeitgeber möglicherweise nicht damit einverstanden gewesen wäre, wenn er weiterhin bei seinen Eltern gewohnt hätte, handelt es sich um eine Mutmaßung, die nicht durch konkrete Anhaltspunkte oder Äußerungen des Arbeitgebers gedeckt ist. Eine nennenswerte Verkürzung des Weges zur Arbeitsstelle ist offenbar ebenfalls nicht eingetreten, denn der Kl. hat dem Vortrag des Bekl., dass das Haus der Eltern und die neue Wohnung lediglich drei Kilometer voneinander entfernt seien, nicht widersprochen.
Allein eine erstmalige Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit reicht für berufliche Veranlassung eines Umzugs nicht aus. Soweit der Kl. die berufliche Veranlassung des Umzuges allein aus der Tatsache ableitet, dass er nach seiner Ausbildung erstmalig ein festes Arbeitsverhältnis begründet habe, kann seiner Argumentation nicht gefolgt werden.
Entgegenstehende Ausführungen in LStH 41Nr. 3 binden das Gericht nicht. Allerdings ist sein Hinweis auf die Anweisungen im Lohnsteuer-Handbuch berechtigt. Soweit dort der Wohnungswechsel als beruflich veranlasst angesehen wird, wenn er „aus Anlass der erstmaligen Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit“ durchgeführt werde, spricht viel dafür, dass die Steuerverwaltung jeden Umzug im zeitlichen Zusammenhang mit der erstmalig ausgeübten nichtselbstständigen Tätigkeit als beruflich veranlasst einstuft. Wenn mit der gewählten Formulierung nämlich nur zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die steuerliche Abzugsfähigkeit von den beruflichen Anlässen abhängig ist, die auch sonst die Anerkennung als Werbungskosten auslösen, wäre der spezielle Hinweis auf die erstmalige Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit überflüssig. Versteht man aber die Richtlinie im Sinne des Vortrags des Kl., kann sie wegen eines Verstoßes gegen das den Verwaltungsanweisungen übergeordnete Gesetz durch das Gericht nicht angewandt werden (vgl. dazu BFH v. 17. 1. 1984, VI R 24/81, BStBl II 1984, 522 und v. 4. 6. 1997, X R 12/94, BStBl II 1997, 740, DStRE 1997, 922), und zwar unabhängig davon, ob die erste feste Anstellung als erstmalige Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit angesehen werden kann.
Die berufliche Veranlassung des Umzugs ist stets im Einzelfall zu prüfen. Die konsequente Anwendung dieser Richtlinie ohne konkrete Prüfung des beruflichen Anlasses würde nämlich in einer Vielzahl von Fällen eine der Regelung des § 12 Nr. 1 EStG entgegenstehende Berücksichtigung nichtabziehbarer Kosten der Lebensführung erlauben, denn die Nutzung einer Wohnung oder der Wechsel des Wohnsitzes gehören dem Grunde nach zu diesen Aufwendungen (vgl. dazu ebenfalls die oben erwähnten Urt. des BFH v. 15. 10. 1976, VI R 162/74, a. a. O., DStR 1977, 317; v. 22. 11. 1991, VI R 77/89, a. a. O., DStR 1992, 613 und v. 27. 7. 1995, VI R 17/95, a. a. O., DStR 1995, 1505).
Der Auszug aus dem Elternhaus ist in der Regel ein Indiz für die private Veranlassung des Umzugs. Das gilt auch bei einer erstmaligen Aufnahme einer nichtselbstständigen Tätigkeit, denn es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass ein im zeitlichen Zusammenhang vollzogener Wohnungswechsel nur auf beruflichen Gründen beruhen kann. Vielmehr können im Einzelfall gerade private Gründe in besonderer Weise hervortreten. Bei jungen Menschen steht beim Auszug aus dem Elternhaus und dem Bezug einer eigenen Wohnung in aller Regel der Wunsch nach einer größeren Selbstständigkeit und Unabhängigkeit im Vordergrund (vgl. dazu auch BFH v. 16. 9. 1993, VI R 108/89, BFH/NV 1994, 234). Das gilt auch für den Streitfall, denn konkrete berufliche Gründe für den Wohnungswechsel hat der Kl. nicht bezeichnen können. Demgegenüber können seiner Klagebegründung private Gründe entnommen werden, und zwar die Anpassung der Lebensverhältnisse an veränderte Einkünfte. Aus dem Hinweis des Kl., dass es ihm erst nach Aufnahme des festen Arbeitsverhältnisses möglich gewesen sei, eine eigene Wohnung zu beziehen, kann nämlich gefolgert werden, dass er zuvor auf die Nutzung einer eigenen Wohnung verzichtet hat, weil er geglaubt hat, sich eine solche Wohnung wegen der im Ausbildungsverhältnis geringen Bezahlung oder wegen des Risikos des Arbeitsplatzverlustes nicht leisten zu können. Die feste Anstellung mit einer besseren Bezahlung hat offenbar seine Bedenken gegen höhere private Ausgaben zerstreut.
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