Ansatz von Verpflegungsmehraufwand bei Einsatzwechseltätigkeit eines Leiharbeitnehmers
Gericht
FG Sachsen-Anhalt
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
05. 03. 2002
Aktenzeichen
4 K 30010/99
Im Falle einer Einsatzwechseltätigkeit ist der Ansatz von Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten nicht auf drei Monate beschränkt (so auch R 39 Abs. 1 Satz 5 LStR 1999 bis 2002).
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von Verpflegungsmehraufwendungen bei Einsatzwechseltätigkeit eines Leiharbeiters.
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Beklagte (Bekl.) hat zu Unrecht Werbungskosten i. H. von 1 648 DM als Kosten der doppelten Haushaltsführung im Rahmen der Einsatzwechseltätigkeit nicht anerkannt. Da der Bekl. in der mündlichen Verhandlung Werbungskosten für die Einsatzorte K, D, S, V, V2, K2 und L - wie bereits im Einspruchsverfahren beantragt - anerkannt hat, musste der Senat nur noch über die Verpflegungsmehraufwendungen in P für 21 Tage à 46 DM, insgesamt 966 DM, streitig entscheiden.
Leiharbeitnehmer üben grundsätzlich Einsatzwechseltätigkeit aus
Gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG, der nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG für den Bereich der Überschusseinkünfte sinngemäß gilt, dürfen Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen grundsätzlich den Gewinn bzw. den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten nicht mindern. Wird dieser jedoch vorübergehend außerhalb seiner Wohnung und von seiner dauerhaften Arbeitsstätte entfernt tätig, kann er gemäß Satz 2 dieser Vorschrift je nach Anwesenheitsdauer bestimmte Pauschbeträge abziehen. Wird der Steuerpflichtige gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 3 EStG bei seiner individuellen betrieblichen bzw. beruflichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten tätig, sog. Einsatzwechseltätigkeit (vgl. Abschn. 37 Abs. 6 LStR 1996, BFH v. 7. 2. 1997, VI R 61/96, BStBl II 1997, 333, DStR 1997, 654), gilt Satz 2 entsprechend. Die Finanzverwaltung geht entsprechend den Lohnsteuerrichtlinien grundsätzlich davon aus, dass Leiharbeitnehmer eine Einsatzwechseltätigkeit ausüben, wobei die Anzahl der während eines Kalenderjahres erreichten Tätigkeitsstätten ohne Bedeutung ist (Abschn. 37 Abs. 6 Satz 1 und 3 LStR).
Beschränkung auf drei Monate nicht einschlägig, da keine längerfristige vorübergehende Tätigkeit
Gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 5 EStG ist der pauschale Abzug nach Satz 2 bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte auf die ersten drei Monate beschränkt.
Eine solche längerfristige vorübergehende Tätigkeit liegt im Streitfall nicht vor. Für eine Tätigkeit, wie sie der Kläger (Kl.) ausübt, ist der Einsatz an ständig wechselnden Arbeitsstellen berufstypisch. Der Arbeitnehmer muss auf Grund des Direktionsrechts seines Arbeitgebers damit rechnen, dass er seine Arbeitsleistung an immer wieder anderen Arbeitsstätten zu erbringen hat. Auf Grund dieser Berufssituation hat er sich auf Fahrten zu immer wieder neuen Arbeitsstätten einzustellen, die er nicht durch eine entsprechende Wohnsitznahme vermeiden kann. Die Orte der Zweitwohnung sind allein davon abhängig, zu welcher Bau- oder Montagestelle der Kl. ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers entsandt wird (BFH v. 31. 10. 1973, VI R 98/73, BStBl II 1974, 258, 259, DStR 1974, 316; v. 20. 11. 1987, VI R 6/86, BStBl II 1988, 443, 444; FG Sachsen-Anhalt v. 22. 9. 1999, 2 K 364/98, EFG 2000, 545).
Nicht lediglich eine, sondern ständig wechselnde, neu beginnende doppelte Haushaltsführungen
Erfahrungsgemäß konnte der Kl. nicht sicher sein, dass er an einem bestimmten Einsatzort mehrfach tätig sein würde. Daher hat er seine Unterkunft an dem jeweiligen Einsatzort nach Beendigung des Einsatzes aufgegeben und sich erst, nachdem er an diesen Arbeitsort erneut eingesetzt bzw. „rückversetzt“ wurde, um eine neue Unterkunft bemüht. Auf Grund dieser Berufssituation kann auch nicht von einer einheitlichen doppelten Haushaltsführung ausgegangen werden, wenn der Kl. an eine Einsatzstelle wiederholt entsandt wurde. Es geht nicht um eine doppelte Haushaltsführung, sondern um ständig wechselnde neu beginnende doppelte Haushaltsführungen.
Auffassung des FG mittlerweile durch Finanzverwaltung bestätigt
Dem Kl. stehen für die Zeiten vom 5. 5. bis 14. 6. 1996 und vom 7. 7. bis 30. 8. 1996 Verpflegungsmehraufwendungen für insgesamt 38 Tage à 46 DM zu. Für den Kl. spricht, dass nach Ansicht der Finanzverwaltung für Arbeitnehmer, die eine Einsatzwechseltätigkeit ausüben, die Dreimonatsfrist für Verpflegungsmehraufwendungen ohne Bedeutung ist, weil sie sich auf eine vorübergehende Tätigkeit außerhalb einer regelmäßigen Arbeitsstätte bezieht, die bei Arbeitnehmern mit Einsatzwechseltätigkeit nicht vorhanden ist („Merkblatt für den Arbeitgeber“, BMF v. 24. 11. 1995, BStBl I 1995, 719 Rn. 3 a. E.). Das BMF hat nachfolgend diese Auffassung ab den LStR 1999 fortgeführt und bestätigt, denn in R 39 Abs. 1 Satz 5 LStR 1999 bis 2002 heißt es ausdrücklich, dass bei einer Einsatzwechseltätigkeit die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG nicht gelte. Hierbei handelt es sich um Verwaltungsvorschriften gemäß Art. 108 Abs. 7 GG, mit deren Hilfe eine gleichmäßige Gesetzesanwendung durch die Verwaltungsbehörden erreicht werden soll. Ihre tatsächliche Bindungswirkung ergibt sich aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Anders lautende Ansicht der OFD Magdeburg nicht anzuwenden
Auf diesen Aspekt geht die Verfügung der OFD Magdeburg v. 16. 12. 1999 nicht ein. Die Verfügung befasst sich gerade nicht mit der Einsatzwechseltätigkeit, obwohl dies unter Bezugnahme auf das Urteil des FG Sachsen-Anhalt vom 22. 9. 1999 (a. a. O.) notwendig gewesen wäre, denn auch in dem entschiedenen Sachverhalt ging es um die Anerkennung von Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen bei Einsatzwechseltätigkeit als Werbungskosten. Obwohl die Verfügung im Dezember 1999 verfasst wurde, wird nicht erwähnt, dass bereits nach den LStR 1999 bei Einsatzwechseltätigkeit die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG nicht gilt. Dies kann nur bedeuten, dass auf Grund der Bindung der LStR eine erneute Anweisung durch eine Verfügung überflüssig war. Der Bekl. hätte dann jedoch umso mehr erkennen können und müssen, dass die Dreimonatsfrist für Verpflegungsmehraufwendungen bei Einsatzwechseltätigkeit nicht gilt.
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