Schlüsselkopie und Fahrzeugdiebstahl an fremdem Ort
Gericht
OLG Hamm
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
21. 08. 1996
Aktenzeichen
20 U 109/96
Zur erheblichen Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung, wenn das Fahrzeug mit einer Schlüsselkopie von einem Ort entwendet worden sein soll, wo es üblicherweise nicht abgestellt ist (bejaht).
Der Kl. nimmt die Bekl. aus einer abgeschlossenen Kaskoversicherung wegen des Diebstahls eines Pkw VW Passat am 15. 8. 1992 in Z., dem früheren östlichen Stadtteil von G., in Anspruch. Die Bekl. hat den Diebstahl bestritten. Sie hat gemeint, die Vortäuschung des Diebstahls sei erheblich wahrscheinlich, weil nach dem von ihr eingeholten Schlüsselgutachten von dem komplett übergebenen Schlüsselsatz der Hauptschlüssel ohne Beleuchtung kopiert und danach nur wenig benutzt sei. Dies stellt der Kl. in Abrede und behauptet, jedenfalls habe er damit nichts zu tun. Er benennt insoweit verschiedene Werkstätten, wo das Fahrzeug vor dem behaupteten Diebstahl aus verschiedenen Anlässen repariert bzw. gewartet worden ist. Inzwischen ist das Fahrzeug ohne Spuren an den Schließzylindern mit zwei Nachschlüsseln in Z. von der polnischen Polizei sichergestellt worden. Das LG hat nach umfänglicher Beweisaufnahme die Klage abgewiesen, weil der Kl. keine plausible Erklärung für die vorgefundenen Nachschlüssel gegeben habe. Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.
Allerdings ist das äußere Bild eines versicherten Kfz-Diebstahls durch die Aussagen der Zeugen vor dem LG erwiesen. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH, entfällt das äußere Bild eines Kfz-Diebstahls nicht dadurch, dass das Fahrzeug später ohne Spuren an den Schließzylindern wieder aufgefunden wird und der Versicherungsnehmer keine plausible Erklärung für die Anfertigung einer Schlüsselkopie hat (BGH, VersR 1996, 319 - und ausdrücklich BGH, VersR 1996, 1135).
Der Tatrichter ist dadurch aber nicht gehindert, bei der Frage, ob der Diebstahl mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vorgetäuscht ist, neben weiteren Umständen in seine Würdigung auch einzubeziehen, dass aus vom Versicherungsnehmer unerklärter Weise von einem seiner Orginalschlüssel eine Kopie angefertigt wurde (BGH, LM H. 12/1996 § 49 VVG Nl. 4 ). Im Streitfall ist der vom Versicherer zu führende Beweis der erheblichen Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung des Diebstahls erbracht: Zunächst steht fest, dass von dem Hauptschlüssel ohne Beleuchtung Schlüsselkopien gezogen worden sind. Dies ergibt sich aus dem von der Bekl. eingeholten Gutachten, das zu verwerten der Senat allein deshalb keine Bedenken hat, weil nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme das Gutachten dadurch bestätigt worden ist, dass bei der nachfolgenden Sicherstellung des Fahrzeugs in Z. durch die polnische Polizei zwei mit dem Original identische Nachschlüssel aus westdeutscher Produktion vorgefunden worden sind. Dies allein begründet die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung allerdings nicht. Der Berufung ist auch zuzugeben, dass trotz des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme möglich bleibt, dass ohne Kenntnis der als Zeugen vernommenen Chefs der Werkstätten, in denen das Fahrzeug zur Reparatur war, ungetreue Angestellte die Möglichkeit gehabt haben, einen Nachschlüssel für dieses Fahrzeug zu fertigen.
Aufgrund der folgenden Besonderheit des Streitfalls bleibt eine solche Möglichkeit, um eine Formulierung des BGH aufzugreifen (BGH, NJW-RR 1996, 1424), nur theoretisch. Zunächst ist schon schwer nachzuvollziehen, warum ein Angestellter eines Autohauses, der sich in unlauterer Absicht einen Fahrzeugschlüssel kopiert, noch längere Zeit zuwarten sollte, bevor er den Schlüssel einsetzt und das Fahrzeug stiehlt. Entscheidend ist jedoch, dass das Fahrzeug nicht von einer Stelle entwendet worden ist, wo es im Hinblick auf die einem Täter etwa bekannten Personalien des Kl. vermutet werden konnte, nämlich in der Nähe seiner Wohnung. Es ist in Polen also jenseits der Grenze in Z. (angeblich) entwendet worden. Der Senat hat keine Erklärung dafür, warum ein Täter, der sich geraume Zeit zuvor den Schlüssel kopiert hat, das Fahrzeug nicht an Ort und Stelle, nämlich von dem üblichen Parkplatz an der Straße vor der Wohnung des Kl., entwendet haben sondern den Kl. auf eine für den Täter unbekannte Reise mit unbekanntem Ziel in ein anderes Land verfolgen sollte, um das Fahrzeug erst dort zu stehlen. Dass der Täter rein zufällig ebenfalls in Z. war und zufällig auch den Schlüssel dabei hatte und außerdem einen nach Lage der Dinge polnischen Abnehmer an der Hand hatte, ist mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit auszuschließen. Nach Auffassung des erkennenden Senats dürfen, nachdem der BGH die Anforderungen an den Nachweis des äußeren Bildes, gemessen an der bisherigen Rechtsprechung des Senats und anderer Oberlandesgerichte herabgesetzt hat, auch insoweit keine unerfüllbaren Anforderungen gestellt werden.
Der Senat hält die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung unter weiterer Berücksichtigung dessen, dass die finanzielle Situation des Kl. durch die Aufbringung nicht vorhersehbarer Kosten von nahezu 10000 DM für Reparaturen angespannt war, für gegeben.
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