Urlaubsanspruch bei Teilzeitarbeit

Gericht

BAG 9. Senat


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

22. 10. 1991


Aktenzeichen

9 AZR 621/90


Leitsatz des Gerichts

  1. Ist die regelmäßige Arbeitszeit eines Arbeitnehmers auf einen Zeitraum verteilt, der mit einer Kalenderwoche nicht übereinstimmt, muß für die Umrechnung eines nach Arbeitstagen bemessenen Urlaubsanspruchs auf längere Zeitabschnitte als eine Woche, ggf. auf ein Kalenderjahr, abgestellt werden (Bestätigung und Weiterführung von BAG 54, 141 = AP Nr. 30 zu § 13 BUrlG).

  2. Tarifvertragsparteien sind nicht gehindert, für tarifliche Urlaubsansprüche Abrundungsregelungen für Bruchteile von Urlaubstagen zu treffen, soweit davon nicht gesetzliche Urlaubsansprüche berührt werden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. ist bei der Bekl. als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Manteltarifvertrag für gewerbl. Arbeitnehmer und Angestellte in der chemischen Industrie (MTV) - zuletzt i. d. F. vom 1. 7. 1987 - anzuwenden. In § 12 MTV ist zum Urlaubsanspruch u. a. bestimmt:

"Urlaub

I. Urlaubsanspruch
...
2. Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
...
6. Bruchteile von Urlaubstagen von 0,5 an aufwärts sind auf volle Urlaubstage aufzurunden, Bruchteile darunter entsprechend abzurunden.
...
II. Urlaubsdauer
...
Ab dem Urlaubsjahr 1984 beträgt der Urlaub 30 Urlaubstage.
...
3 Arbeitnehmer, die im Urlaubsjahr überwiegend in vollkontinuierl. Wechselschichtarbeit eingesetzt sind und die deshalb regelmäßig nach ihrem Schichtplan Sonntagsarbeit leisten, erhalten einen Zusatzurlaub von 3 Urlaubstagen; Arbeitnehmer, die nicht überwiegend, aber mindestens 3 Monate im Urlaubsjahr in vollkontinuierl. Wechselschichtarbeit eingesetzt sind, erhalten einen Zusatzurlaub von einem Urlaubstag.
...
5. Für die Berechnung des sich aus den Ziffern 1, 3 und 4 Abs. 1 ergebenden Urlaubs zählen als Urlaubstage grundsätzl. die Arbeitstage mit Ausnahme der Sonntage und der gesetzl. Feiertage.

Für Arbeitnehmer, die regelmäßig in der 5-Tage-Woche mit einem arbeitsfreien Werktag, insbesondere mit arbeitsfreiem Samstag, beschäftigt sind, zählen als Arbeitstage die Tage, an denen der Arbeitnehmer aufgrund der regelmäßigen tarifl. wöchentl. Arbeitszeit zu arbeiten hätte.

Arbeitnehmer, deren regelmäßige Arbeitszeit auf mehr oder weniger als 5 Werktage in der Woche verteilt ist, ist ein zeitl. gleichwertiger Urlaub zu gewährleisten; das gilt insbesondere für Arbeitnehmer in regelmäßiger Schichtarbeit, Arbeitnehmer mit Arbeitsbereitschaft und für Teilzeitbeschäftigte. Der Urlaub dieser Arbeitnehmer gilt dann als zeitl. gleichwertig, wenn er unter Einrechnung der in die Urlaubszeit fallenden arbeitsfreien Werktage ebenso viele Werktage umfaßt wie bei der Urlaubsberechnung nach Absatz 2; hierbei sind die jeweiligen Schichtpläne und die danach anfallenden arbeitsfreien Werktage zu berücksichtigen.

Näheres kann durch Betriebsvereinbarung (BV) geregelt werden. Dabei müssen die tarifl. Urlaubsansprüche - einschließl. der Ansprüche auf Urlaubsentgelt und zusätzl. Urlaubsgeld - für den Jahresurlaub insgesamt gewährleistet werden."

Der Kl. ist in vollkontinuierl. Wechselschicht (Tagschicht, Nachtschicht, Freischicht, Freischicht) eingesetzt. Im Jahre 1988 hatte er außer den nach dem Schichtplan zu leistenden 182 Schichten noch weitere drei Schichten zu erbringen, um die tarifl. wöchentl. Arbeitszeit von 40 Stunden im Jahresdurchschnitt zu erreichen. Bei einem tarifl. Urlaubsanspruch des Kl. von 30 Urlaubstagen sowie weiteren 3 Urlaubstagen wegen des Einsatzes in vollkontinuierl. Wechselschicht hat die Bekl. dem Kl. im Jahre 1988 in der Zeit vom 12. 3. bis einschließl. 19. 3., vom 1. 7. bis einschließl. 22. 7. und vom 6. 11. bis einschließl. 19. 11. insgesamt für 24 Schichten Urlaub gewährt. Mit dieser Berechnung ist der Kl. nicht einverstanden und hat von der Bekl. ohne Erfolg die Gewährung von weiteren 2 Urlaubsschichten gefordert.

Der Kl. hat beantragt, die Bekl. zu verurteilen, dem Kl. für das Urlaubsjahr 1988 noch a) 2 Urlaubsschichten, b) hilfsweise 3 Urlaubstage zu gewähren. Die Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das ArbG hat die Bekl. verurteilt, dem Kl. eine weitere Urlaubsschicht für das Jahr 1988 zu gewähren, und hat im übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Bekl. hat das LAG die Klage insgesamt abgewiesen. Die Revision des Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Zutreffend ist das LAG für die Bestimmung des dem Kl. im Jahre 1988 zu gewährenden Urlaubs von § 12 MTV ausgegangen.

Der Kl. hat einen tarifl. Urlaubsanspruch von 30 Tagen und, weil er in vollkontinuierl. Wechselschicht eingesetzt ist, einen tarifl. Zusatzurlaubsanspruch von 3 Tagen. Dieser Anspruch auf insgesamt 33 Urlaubstage ist nach § 12 II Nr. 5 MTV bezogen auf Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit regelmäßig auf 5 Werktage einer Woche verteilt ist.

Mögl. Urlaubstage sind nach § 12 II Nr. 5 Abs. 1 MTV die Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer aufgrund der regelmäßigen tarifl. Arbeitszeit zu arbeiten hätte. Ausgenommen sind daher die für den Arbeitnehmer wegen der Verteilung seiner Arbeitszeit arbeitsfreien Sonntage und die gesetzl. Wochenfeiertage. Die tarifl. Regelung entspricht § 3 Abs. 2 BUrlG, mit der ebenfalls sichergestellt werden soll, daß für die Bestimmung des jeweiligen individuellen Urlaubsanspruchs nur die Tage heranzuziehen sind, an denen der Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsverhältnis zur Arbeit verpflichtet ist (vgl. BAG 54, 141 = AP Nr. 30 zu § 13 BUrlG; BAG 57, 366 = AP Nr. 3 zu § 8 BUrlG; vgl. außerdem BAG, Urt. vom 14. 2. 1991 - 8 AZR 97/90 - AP Nr. 1 zu § 3 BUrlG Teilzeit = EzA § 13 BUrlG Nr. 50).

2. Damit steht im Einklang, daß nach § 12 II Nr. 5 Abs. 2 MTV für Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit regelmäßig auf 5 Werktage einer Woche ver- teilt ist, für die Berechnung des Urlaubs als Arbeitstage die Tage zählen, an denen der Arbeitnehmer aufgrund der regelmäßigen tarifl. wöchentl. Arbeitszeit zu arbeiten hätte. Für Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit regelmäßig auf mehr als 5 Werktage einer Woche verteilt ist, ergibt sich daher eine größere Zahl von Urlaubstagen. Entsprechend ist die Dauer des Urlaubsanspruchs geringer, wenn der Arbeitnehmer an weniger als 5 Werktagen zu arbeiten hat. Für die Bestimmung der Urlaubsdauer von Arbeitnehmern, deren regelmäßige Arbeitszeit auf regelmäßig mehr oder weniger Tage einer Woche verteilt ist, müssen nach der Rechtspr. des bisher für Urlaubsrecht zuständigen 8. Senats des BAG Arbeitstage und Werktage zueinander rechnerisch in Beziehung gesetzt werden, indem die nach dem Gesetz oder TV maßgebl. Verteilung der Arbeitszeit auf eine Woche der Verteilung der individuellen, davon abweichenden Arbeitszeit gegenüberzustellen ist (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 3 BUrlG Teilzeit). Dieser Auffassung folgt auch der erk. Senat. Sie ist allerdings nicht schematisch auf den vorliegenden Rechtsstreit übertragbar.

3. Die regelmäßige Arbeitszeit des Kl. ist nicht regelmäßig auf jeweils eine Woche bezogen, sondern durch den Schichtrhythmus (Tag/Nacht/frei/frei) anders verteilt. Der Schichtrhythmus ist nicht auf eine Woche beschränkt. Er wiederholt sich entsprechend dem Schichtplan jeweils nach 4 Schichten, reicht also über den Zeitraum einer Woche hinaus. Eine auf eine Woche bezogene Umrechnung des Urlaubsanspruchs ist deshalb nicht mögl. Daran scheitert bereits im Ansatz die Berechnung des LAG, das angenommen hat, einem in der Fünf-Tage-Woche arbeitenden Arbeitnehmer mit 33 Urlaubstagen ( = Arbeitstagen) würden 39,6 Werktage des in Wechselschicht arbeitenden Arbeitnehmer entsprechen. Daher seien 33 Urlaubstage durch 5 (Arbeitstage) zu teilen und mit 6 (Werktagen) zu multiplizieren, so daß sich 39,6 Werktage Urlaub ergäben. Damit läßt das LAG nicht nur unbeachtet, daß der Schichtrhythmus hier nicht auf eine Kalenderwoche beziehbar ist, sondern auch, daß mit einer solchen Rechnung keine Aussage über die als Urlaub zu gewährende Arbeitsbefreiung des Arbeitnehmers gegeben werden kann. Aus der Zahl der vom LAG angenommenen Werktage ergibt sich nicht, an welchen Schichtarbeitstagen jeweils der Arbeitnehmer von der Arbeit freizustellen ist.

4. Nach § 12 II Nr. 5 Abs. 3 MTV ist auch für Arbeitsverhältnisse, für die wie für den Kl. die Arbeitszeit nicht regelmäßig auf jeweils eine Woche bezogen ist, bestimmt, daß ein "zeitl. gleichwertiger Urlaub zu gewährleisten" ist. Nach der Tarifvorschrift ist dafür erforderl., daß der Urlaub des Schichtarbeiters unter Einrechnung der aufgrund der Schichtpläne in die Urlaubszeit fallenden freien Werktage dieses Arbeitnehmers ebensoviele Werktage umfaßt wie die eines regelmäßig in Fünf-TageWoche beschäftigten Arbeitnehmers nach § 12 II Nr. 5 Abs. 2 MTV.

Für die Bestimmung der Gleichwertigkeit des Urlaubs muß in diesen Fällen auf einen längeren Zeitraum als eine Kalenderwoche abgestellt werden, etwa indem die nach den Arbeitsverhältnissen mögliche Arbeitsleistung im Urlaubsjahr zugrunde gelegt wird. Der Urlaubsanspruch ist zwar nicht von geleisteter Arbeit abhängig, wohl aber von der für den Arbeitnehmer jeweils nach dessen Arbeitsverhältnis zu leistenden Arbeitszeit in einem Jahr. Entsteht der Urlaubsanspruch als Jahresurlaubsanspruch, ist er nach dem BUrlG und nach den hier maßgebl. tarifvertragl. Bestimmungen auf die möglichen Arbeitstage im Urlaubsjahr bezogen. Möglich ist aber auch die Berechnung nach Bruchteilen eines Jahres oder nach Monaten, sofern der Schichtrhythmus entsprechend festgestellt und bestimmbar ist und sich jeweils monatl. oder in den Bruchteilen des Jahres wiederholt. Das trifft hier nicht zu.

5. Vorliegend ist vom Kalenderjahr auszugehen, weil das LAG nur Feststellungen über die Gesamtzahl der vom Kl. im Jahre 1988 zu leistenden Schichten getroffen hat. Bei Zugrundelegung des Kalenderjahres mit 52 Wochen ergeben sich für den in Fünf-Tage-Woche beschäftigten Arbeitnehmer 260 Arbeitstage (vgl. dazu bereits BAG, Urt. vom 2. 10. 1987 - 8 AZR 166/86 - AP Nr. 4 zu § 48 BAT). Außer Betracht für die Berechnung der Urlaubsdauer müssen aber dabei entgegen der Auffassung des Kl. die gesetzl. Wochenfeiertage bleiben, weil hierfür gesetzl. Sonderregelungen sowohl hinsichtl. der Arbeitsbefreiung als auch der Vergütung und ihrer Berechnung bestehen. Im übrigen fallen gesetzl. Feiertage gleichermaßen für Arbeitnehmer im Schichtdienst wie für andere Arbeitnehmer an. Damit kommt es auf die vom Kl. angenommene Zahl von 252 Arbeitstagen nicht an, ebenso nicht darauf, ob konkret ein Schaltjahr anfällt. Zu diesen 260 Arbeitstagen sind die nach den Schichtplänen möglichen Arbeitstage des Schichtarbeiters rechnerisch in Beziehung zu setzen. Für diese Berechnung ist nicht von Bedeutung, daß die vom Schichtarbeiter zu erbringenden Arbeitszeiten als Schichten bezeichnet werden. Mit dem Begriff Schicht wird nur die Lage der Arbeitszeit ausgedrückt. Er enthält aber keinen für die Urlaubsberechnung beachtl., von den Begriffen Arbeits- oder Werktag abweichenden Inhalt. Daran ändert nichts, daß die von einem Arbeitnehmer im Schichtdienst zu erbringende Arbeitszeit ggf. im Verhältnis zu der Arbeitszeit anderer Arbeitnehmer unterschiedl. lang auf die Arbeitstage des Schichtarbeiters verteilt ist oder ob gar die Arbeitszeit des Schichtarbeiters an einem Arbeitstag beginnt und erst am nächsten endet. Für den tarifl. ist ebenso wie für den gesetzl. Urlaubsanspruch nur darauf abzustellen, ob an einem Wochentag der Arbeitnehmer zur Arbeit verpflichtet ist. Die Dauer der jeweiligen Verpflichtung zur Arbeit ist nicht Inhalt des Anspruchs. Die Zahl der Schichten unterscheidet sich daher nicht von der Zahl der für den Schichtarbeiter möglichen Arbeitstage im Jahr. Dagegen spricht entgegen der Auffassung der Bekl. nicht, daß es nach dem MTV keine tarifl. Jahresarbeitszeit gibt: Hier handelt es sich nicht um eine tarifl. Vorgabe, sondern um die nach dem Arbeitsverhältnis tatsächl. möglichen Zeitabschnitte während eines Jahres.

6. Nach den Feststellungen des LAG hatte der Kl. nach den Schichtplänen im Jahre 1988 182 Schichten zu erbringen. Hinzu kamen außerdem 3 Schichten, die zur Erreichung der 40-Stunden-Woche im Jahresdurchschnitt zu erbringen waren. Der Auffassung des LAG und der Bekl., diese Schichten seien bei der Berechnung der Urlaubsdauer nicht zu berücksichtigen, kann nicht gefolgt werden. Sie sind ebenso wie die übrigen Schichten des Kl. zur Berechnung der Urlaubsdauer heranzuziehen, weil sich die Arbeitsverpflichtung des Kl. auch hierauf bezieht. Daß diese Schichten nicht im übrigen Schichtrhythmus des Kl. inbegriffen sind, ist vorläufig ohne Bedeutung. Entsprechen damit 185 Schichten des in vollkontinuierl. Schichtarbeit beschäftigten Kl. 260 jährl. möglichen Arbeitstagen eines in Fünf-Tage-Woche i. S. von § 12 II Nr. 5 Abs. 2 MTV tätigen Arbeitnehmers, ergibt sich für den Kl. mit einem tarifl. Urlaubsanspruch von 33 Urlaubstagen nach § 12 II Nr. 5 Abs. 3 MTV rechnerisch eine Urlaubsdauer von 23,48 Tagen (Schichten). Damit sind zugleich die nach § 12 II Nr. 5 Abs. 3 MTV einzubeziehenden freien Werktage berücksichtigt, an denen der Schichtarbeiter nicht arbeiten muß, im Gegensatz zum Arbeitnehmer, der regelmäßig in Fünf-Tage-Woche beschäftigt ist.

7. Nach § 12 I Nr. 6 MTV sind Bruchteile von Urlaubstagen, die weniger als einen halben Urlaubstag ausmachen, abzurunden. Diese Bestimmung bezieht sich entgegen der Auffassung des Kl. eindeutig auch auf den tarifl. Vollurlaubsanspruch, nicht nur auf den Teilurlaub. Soweit der Kl. insoweit auf das Urt. des BAG vom 26. 1. 1989 (8 AZR 730/87 - BAG 61, 52 = AP Nr. 13 zu § 5 BUrlG) Bezug nimmt, ist seine Auffassung durch den Inhalt dieser Entscheidung nicht gedeckt. TVParteien sind, soweit dadurch nicht gesetzl. Urlaubsansprüche betroffen sind, nicht gehindert, auch tarifl. Ausschlußtatbestände für Bruchteile von Urlaubstagen zu treffen.

Vorinstanzen

LAG Frankfurt a.M.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BUrlG §§ 3, 13 Abs. 1; Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in der chemischen Industrie in der Fassung vom 1. Juli 1987 § 12 I Nr. 6, II Nr. 5