Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Gericht

LAG München 8. Kammer


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

02. 04. 1996


Aktenzeichen

8 Sa 1165/95


Leitsatz des Gerichts

  1. Zur Frage des Alkoholkonsums von Piloten bei mehrtägigem Einsatz (hier zwei Tage) außerhalb der Flugzeiten als wichtiger Grund für eine außerordentliche sowie umgedeutete ordentliche Kündigung.

  2. Zur Frage der sexuellen Belästigung einer Arbeitnehmerin als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob eine von der Beklagten dem Kläger ausgesprochene außerordentliche und vorsorgliche ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat, über die Verpflichtung der Beklagten, ihn zu den bisherigen Bedingungen über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus weiter zu beschäftigen und an ihn für die Zeit der ordentlichen Kündigungsfrist sein Gehalt zu zahlen.

Der am, geschiedene Kläger, Vater zweier Töchter im Alter von 16 und 22 Jahren, denen er unterhaltspflichtig ist, ist seit 1. April 1992 als Flugkapitän bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt ein Bedarfsflugzeugunternehmen im nichtplanmäßigen Charterverkehr - ein sogenanntes Lufttaxiunternehmen - mit mehr als fünf Arbeitnehmern. Die monatliche Durchschnittsvergütung des Klägers beträgt nach der Darstellung der Beklagten DM 10.466, -- brutto, nach seiner eigenen DM 8.000, --, einem Arbeitgeberzuschuß zur Krankenversicherung von DM 424,25 und eine steuerfreie Flugzulage von DM 1.120,-- sowie eine steuerpflichtige Flugzulage von DM 738,33.
Die Parteien haben in § 4 a ihres schriftlichen Arbeitsvertrages eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende vereinbart.
Im Unternehmen der Beklagten gilt für das Verhalten ihrer Arbeitnehmer ein Flugbetriebshandbuch vom 1. Juni 1992, das unter Kapitel 4 Ziff. 3.2.7 folgende Regelung enthält:
"Rausch- und Betäubungsmittel
1. Kein Crew-Mitglied darf bei Flugantritt unter Einfluß von Rausch-,
Betäubungsmitteln oder Drogen stehen.
2. Den Crew-Mitgliedern ist jeglicher Konsum von Rauschmitteln (inkl.
Wein und Bier) während des Dienstes untersagt.
BemeDies schließt ebenso den Konsum alkoholischer Getränke während der
Mahlzeiten ein.
3. Betäubungsmittel sollten nie zu sich genommen werden.
AusnNur unter ärztlicher Kontrolle und außerhalb der Dienstzeit."

Die Beklagte hat unter dem 20. Oktober 1993 ein Schreiben an den Beklagten gerichtet, das sie als Abmahnungsschreiben qualifiziert und auf das verwiesen wird.

In der Berufungsverhandlung haben die Parteien unstreitig gestellt (Protokoll S. 2), "daß ein Pilot wie der Kläger durchaus bei einem Einsatz, der sich über mehrere Tage hinweg erstreckt, sich in Bereitschaft halten muß, um für etwaige Nachrichten oder Anweisungen der Beklagten zur Verfügung zu stehen. Dabei kann es sich sowohl um Änderungen der Flugeinsätze als auch um Probleme im Zusammenhang mit dem Flugzeug auf dem jeweiligen Flughafen handeln". Weiter hat der Kläger darin (Protokoll S. 4) erklärt, "die Piloten müßten über ein Handy seitens der Beklagten erreichbar sein". Auf den Sachvortrag der Beklagten in der Berufungsverhandlung (Protokoll S. 2), es könne "durchaus vorkommen, daß ein Pilot mit seinem Flugzeug sich am Abend an einem bestimmten Flugplatz befindet und möglicherweise ursprünglich beabsichtigt war, daß er erst am folgenden Tag abends den Fluggast wieder zurückbringt, jedoch das Flugzeug in der Zwischenzeit gebraucht wird und die Rückführung des Fluggastes durch ein anderes Flugzeug und einen anderen Piloten erfolgt, weil das ursprüngliche Flugzeug mit dem ursprünglichen Piloten anders eingesetzt wurde", hat der Kläger (Protokoll S. 4) erwidert, "in der ganzen Zeit seiner Beschäftigung bei der Beklagten erinnere er sich nur an einen Fall, in dem er im Zuge eines Einsatzes davon erfahren habe, er müsse anders eingesetzt werden und dies auch erst erfahren habe, als der Ersteinsatz bereits zum Teil erledigt war - nach der ersten Landung. Umdispositionen durch die Beklagte erschienen ihm deshalb als der absolute Ausnahmefall, jedenfalls was seine Person anbelangt".
Die Beklagte hat an einen ihrer anderen Flugkapitäne ein Schreiben vom 14.10.1994 mit folgendem Inhalt gerichtet:
"Ihre Aussage anläßlich der Nachtalarmierung am 12.10.1994 früh morgens
veranlaßt uns doch, Sie darauf hinzuweisen, daß Sie grundsätzlich
gesetzlich verpflichtet sind, als Flugzeugführer 24 Stunden vor einem
Flugeinsatz keinen Alkohol mehr zu sich zu nehmen.

Dagegen haben Sie, trotz einer vorausgegangenen Freizeitperiode von drei
Tagen am Abend des letzten Freitages Alkohol in nicht unerheblicher Menge
zu sich genommen, die einen Einsatz auf der Basis der gesetzlichen
Bestimmungen (24-Stunden-Regelung) nicht zugelassen hätte. Es ist zwar
grundsätzlich richtig, daß die Freischicht bis 06.00 Uhr morgens aufgrund
interner Regelung von dauert, dies bedeutet aber auch, daß Sie ab 06.00
Uhr morgens uneingeschränkt für Flugeinsätze zur Verfügung stehen müssen.

Dies bitten wir nochmals in dieser Form zur Kenntnis zu nehmen und
verbleiben ...".

Unstreitig war der Kläger am 19. und 20. Juni 1995 als Flugkapitän eines Geschäftsreiseflugzeuges Typ Lear Jet 55 mit der am geborenen Copilotin in einem Flugeinsatz von München nach Nizza und zurück. Er war mit ihr bereits früher geflogen, als sie noch Flugbegleiterin gewesen war. Damals war es zwischen ihnen durchaus immer wieder zu "Schwierigkeiten" gekommen, was zu "Beanstandungen seinerseits geführt" hatte. Beim Einsatz Frau als Copilotin hat es mit ihr jedoch keinerlei Probleme mehr gegeben. Im Cockpit war sie einwandfrei (vgl. seine Erklärung zu Protokoll der Berufungsverhandlung S. 3).
Die Landung im Nizza am 19. Juni 1995 erfolgte um ca. 17.00 Uhr Ortszeit. Als der Fluggast (Herr das Luftfahrzeug verlassen hatte und die Besatzung die Kabine aufräumte, hat der Kläger nach seinem Vortrag mit Schriftsatz vom 6. Oktober 1995 (S. 2) "drei Probierfläschchen Whisky ..." zu sich genommen. Im Berufungsbeantwortungsschriftsatz (S. 2) werden nur noch zwei Fläschchen Scotch erwähnt. Nach seiner unwidersprochen gebliebenen Erklärung in der Berufungsverhandlung hat es sich bei den erwähnten Probierfläschchen Whisky "um Mengen von 0,2 cl = 0,02 1 gehandelt; ..." sog. "handelsüblichen Probierfläschchen (Stichwort: Magenbitter)".

Nach dem Verlassen des Flughafens suchten der Kläger und seine Copilotin das Hotel auf. Der Kläger hat diese zum Abendessen in ein Restaurant außerhalb des Hotels eingeladen. Anlaß sei für ihn gewesen, die Vergangenheit insoweit "zu begraben", wobei damit gemeint war, daß es früher zwischen ihnen zu den bereits erwähnten "Schwierigkeiten" mit "Beanstandungen" gekommen war. Unstreitig haben der Kläger und seine Copilotin auf dem Weg zum Abendessen gemeinsam je ein Glas Sekt getrunken. Zum Abendessen selbst hat der Kläger eine Flasche Rotwein bestellt, die nach seiner Darstellung "hälftig geleert" wurde, währen die Beklagte vorträgt, die Copilotin habe nur ein Glas Wein zu sich genommen. Danach wurde noch eine Flasche (0, 7 1) Champagner bestellt, der nach der Darstellung des Klägers "gemeinsam ... zu 2/3" getrunken wurde, während die Beklagte vorträgt, die Copilotin habe nur "ein halbes Glas ... mit einer Füllmenge von ca. 0,1 l" zu sich genommen.
Im Berufungsbegründungsschriftsatz (S. 7) findet sich u. a. folgende Formulierung:
"Bei einem Alkoholmißbrauch in der vorliegenden Form - denn es ging gerade
nicht darum, nur ein Bierchen oder ein Glas Wein zu sich genommen zu haben
- liegt ein Fall vor, in dem mit höchster Wahrscheinlichkeit mit einer
Gefährdung von Leib und Leben im Falle eines Flugeinsatzes gerechnet
werden muß."
Die Copilotin hat mit Schreiben vom 3. Juli 1995 ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 15. Juli 1995 "wie bereits telefonisch besprochen" gekündigt.

Mit Schreiben vom 11. Juli 1995 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers "außerordentlich mit Auslauffrist zum 31.07.1995" und "rein vorsorglich ... auch fristgemäß zum nächstmöglichen Termin, somit zum 30.09.1995" gekündigt.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, die ihm ausgesprochenen Kündigungen seien rechtsunwirksam, weil es der außerordentlichen Kündigung an einem wichtigen Grund fehle; auch werde die Einhaltung der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB bestritten. Die ordentliche Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt.
Ob das Schreiben der Beklagten vom 20. Oktober 1993 überhaupt als "Abmahnung im Rechtssinne" zu qualifizieren sei, werde bezweifelt. Jedenfalls werde darin die Verletzung eines ganz anderen Pflichtenkreises angesprochen als derjenige gelegentlich des Fluges vom 19./20. Juni 1995 nach Nizza.
Im Zuge seines Einsatzes im Flugauftrag Nizza habe er weder gegen ein betriebliches noch gesetzliches Alkoholverbot verstoßen. Die seitens der Beklagten aufgeführten Flugsicherheitsmitteilungen erwüchsen nicht "in Gesetzeskraft", sondern seien unverbindliche Empfehlungen, die weder ausdrücklich noch konkludent Bestandteile des Arbeitsvertrages der Parteien geworden seien. Er habe insbesondere auch nicht gegen die Regelung Ziff. 3.2.7 des Flugbetriebshandbuchs der Beklagten vom 1. Juni 1992 verstoßen, denn darin sei der "Konsum von Rauschmitteln (inkl. Wein und Bier) während des Dienstes" untersagt. Nach seiner Landung in Nizza am 19. Juni 1995, 16.54 Uhr, sei jedoch seine Dienstzeit beendet gewesen; Bereitschaftsdienst habe nicht mehr bestanden. Der Rückflug sei für den 20. Juni 1995, 17.00 Uhr, verabredet gewesen. Da zwischen Ankunft und Abflug eine Ruhezeit von 24 Stunden gelegen habe, die "weder Dienstzeit im Sinne der arbeitsvertraglichen Vereinbarung, noch Bereitschaftsdienst (gewesen sei, habe er) im gebotenen Umfang Alkohol zu sich nehmen" dürfen. Er habe auf dem Weg zum Abendessen mit der Copilotin auch nicht an einer "zweiten Bar zwei Gläser Bier zu sich genommen und eine Flasche Rotwein bis auf ein Glas allein getrunken und schließlich bis auf einen Rest von ca. 10 bis 20 % in der Flasche noch Champagner zu sich genommen. Der gemeinsam mit der Zeugin - vorgenommene Alkoholgenuß (habe) seine "Flugtüchtigkeit" nicht beeinträchtigt".
Dies habe auch die Copilotin so gesehen, denn sie habe gegen den Flug unter seiner Leitung als Flugkapitän weder vor noch während noch unmittelbar nach der Landung "Gegenvorstellungen" erhoben. Die Beklagte trage selbst vor, sie habe erst am 3. Juli 1995 Kenntnis von seinem angeblichen Pflichtverstoß erlangt. An den "angeblich gravierenden Alkoholverstößen" sei deshalb "nichts dran, denn die Zeugin habe diesen gravierenden Alkoholverstoß "ersichtlich nicht für umgehend erwähnenswert gehalten, sondern davon erst nach ca. 14 Tagen ihre Geschäftsleitung in Kenntnis gesetzt". "Wäre (seine) Flugtüchtigkeit beeinträchtigt gewesen, hätte (sie) zum einen darauf pflichtgemäß sofort hinweisen müssen, jedenfalls aber zum anderen die Geschäftsleitung der Beklagten über die behaupteten Mißstände informiert".
Er sei gegenüber der Copilotin weder während des gemeinsamen Abendessens am 19. Juni 1993 noch auf dem Nachhauseweg verbal oder tätlich zudringlich geworden, habe sie insbesondere nicht sexuell belästigt. Der Sachvortrag der Beklagten insoweit sei zu unsubstantiiert.
Die Copilotin habe ihren Arbeitsvertrag mit der Beklagten gekündigt, weil ihre Flugzeiten mit ihren privaten Vorhaben nicht in Übereinstimmung zu bringen gewesen seien. Sie habe vor ihrem Ausscheiden noch gesagt:
"Jetzt ist Schluß, aber bevor ich gehe, mache ich noch einen Kapitän
fertig".
Der Ausspruch der fristlosen Kündigung sei der untaugliche Versuch der Beklagten, einen ihrer mißliebigen Angestellten loszuwerden. Sie rationalisiere und habe in der letzten Betriebsversammlung "vor versammelter Mannschaft über den Kläger erklärt, dieser sei alt genug, er möge jetzt in den Vorruhestand gehen".

Die Beklagte sei darüberhinaus verpflichtet, ihn zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen und ihm sein Gehalt innerhalb der Kündigungsfrist (August und September 1995) zu zahlen.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, bereits die außerordentliche Kündigung habe das Arbeitsverhältnis beendet, weil dafür ein wichtiger Grund vorgelegen habe. Die zweiwöchige Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei deshalb eingehalten worden, weil sie erst am 3. Juli 1995 von der Copilotin entsprechend informiert worden sei. Der Kläger sei dadurch, daß er am 19. Juni 1995 nach der Landung drei bis vier 0,4 cl-Becher Whisky ohne Verdünnung und auf dem Weg zum mit der Copilotin verabredeten Abendessen in einer Bar zwei Gläser (ca. 0,2 cl) Sekt oder Champagner und in einer weiteren Bar zwei Gläser Bier (ca. 0,33 1) und gelegentlich dieses Abendessens bis auf 1 Glas (das die Copilotin getrunken habe) eine Flasche Rotwein und anschließend bis auf einen "Rest von ca. 10 oder 20 %" und einem halben Glas, das die Copilotin trank, eine Flasche Champagner (0,7 l) zu sich genommen habe, am nächsten Morgen und bis in den Nachmittag hinein fluguntauglich gewesen; jedenfalls sei seine Flugtauglichkeit erheblich beeinträchtigt gewesen. Er habe dadurch gegen das bei ihr während des Dienstes bestehende Alkoholverbot verstoßen. Während eines Einsatzes außerhalb des Heimatortes befinde sich ein Besatzungsmitglied permanent im Dienst. Er habe daher unter Abzug der gesetzlichen Ruhezeiten damit rechnen müssen, am nächsten Morgen ab 6 Uhr wieder eingesetzt zu werden.
Da er mit Schreiben vom 20. Oktober 1993 bereits einmal wegen Alkoholmißbrauchs abgemahnt worden sei, stelle bereits dieser neuerliche Fall der Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten einen wichtigen Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB dar.

Hier komme noch hinzu, daß er seine Copilotin während des gemeinsamen Abendessens am 19. Juni 1995 verbal und danach verbal und tatsächlich sexuell belästigt habe. Der Kläger versuche die Copilotin als Zeugin unglaubwürdig zu machen, indem er ihr ein Motiv für ihre Aussage unterstelle, nämlich ihm Schaden zufügen zu wollen, was bei ihr tatsächlich nicht vorhanden gewesen sei. Welchen Grund sollte sie dafür haben, da sie bereits entschlossen gewesen sei, ihr Arbeitsverhältnis bei ihr, der Beklagten, zu kündigen.
Die Darstellung des Klägers, ihr "Geschäftsführer ... hätte bewußt an (seine) Person ... gerichtet, davon gesprochen, aufgrund seines Alters solle er in den Vorruhestand gehen" sei unrichtig. Richtig sei dagegen, daß allgemein über die Altersstruktur ihrer Flugkapitäne gesprochen worden sei und ihr Geschäftsführer darauf hingewiesen habe, mittelfristig jüngeren Nachwuchs an eigenen Copiloten heranzuziehen.
Das Verhalten des Klägers rechtfertige zumindest die ihm gegenüber ausgesprochene ordentliche Kündigung.
Da bereits die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet habe, stehe dem Kläger für die Monate August und September 1995 auch kein Gehaltsanspruch aus dem Rechtsgrund des Verzuges zu. Aus den gleichen Gründen bestehe auch der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch nicht.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 30. Oktober 1995, das der Beklagten am 9. November 1995 zugestellt worden ist, der Klage im wesentlichen entsprochen und sie nur insoweit abgewiesen, als der Weiterbeschäftigungsanspruch bereits vor der Urteilsverkündung verlangt werde. Auf die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen und angestellten rechtlichen Erwägungen wird verwiesen.

Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung ist am Landesarbeitsgericht am 30. November 1995 eingegangen und mit hier am Montag, den 2. Januar 1995, eingegangenem Schriftsatz begründet worden.

Sie hält ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und ihre entsprechenden rechtlichen Wertungen aufrecht und vertieft sie. Dabei hebt sie hervor, daß der Kläger bei seinem Flugeinsatz München-Nizza-München einen Fluggast befördert habe, der als Dauerkunde dafür bekannt gewesen sei, daß es zu kurzfristigen Änderungen der geplanten Abflugszeiten kommen könne, "daß gegebenenfalls bei einem ursprünglich für den Nachmittag angesagten Rückflug, dieser bereits auf den frühen Vormittag oder schlimmstenfalls sogar auf den gleichen Abend vorverlegt werden könnte". Wenn er unter diesen Umständen Alkohol zu sich genommen habe, rechtfertige dies die ausgesprochene außerordentliche Kündigung, jedenfalls aber die ordentliche Kündigung. Der Kläger gehöre als Berufsflugzeugführer einer Arbeitnehmergruppe an, bei der eine Abmahnung wegen Alkoholkonsums entbehrlich sei. Er habe sich der besonderen Gefahren bewußt sein müssen, die mit Alkoholkonsum im Zuge eines Einsatzes verbunden seien. Durch sein Verhalten habe er gegen § 1 Abs. 3 LuftVO verstoßen. So habe das Luftfahrtbundesamt, die Aufsichtsbehörde für Luftfahrtunternehmen und Berufsluftfahrzeugführer in ihren "Nachrichten für Luftverkehr (NfL)" vom 15. Februar 1972 unter dem Stichwort: "Alkoholgenuß und Flugbetrieb" eine Flugsicherheitsmitteilung herausgegeben, daß 24 Stunden vor Antritt des Fluges ein Mitglied der Flugbesatzung keinen Alkohol zu sich nehmen dürfe.
Der Kläger habe aufgrund der ihm bereits erteilten Abmahnung vom 20. Oktober 1993, die den insoweit von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen entspreche und noch nicht verwirkt gewesen sei, darüber hinaus gewußt, daß sein Alkoholkonsum während eines Flugauftrags nicht geduldet werde. Das Verhalten des Flugkapitäns, an den sie das vom Kläger dem Gericht vorgelegte Schreiben vom 14. Oktober 1994 gerichtet habe, sei mit seinem am 19. Juni 1995 nicht vergleichbar. Dieser habe zum einen von sich aus mitgeteilt, er habe Alkohol getrunken und sich im übrigen auch nicht im Einsatz befunden, wie er selbst, sondern in Nachtbereitschaft vor seiner Einteilung.
Im vorliegenden Fall, in dem es "grundsätzlich nicht darum (ging), nur ein Bierchen oder ein Glas Wein zu sich genommen zu haben, habe "mit höchster Wahrscheinlichkeit mit einer Gefährdung von Leib und Leben im Falle eines Flugeinsatzes gerechnet werden müssen".
Das Arbeitsgericht habe ohne überzeugende Begründung für das vom Kläger gezeigte Verhalten einer sexuellen Belästigung der ihm unterstellten Copilotin eine vorherige Abmahnung verlangt. Der Kläger habe schließlich in seinen Zudringlichkeiten erst nach wiederholter Abwehr der Copilotin nachgelassen.
Da eine den Betriebszwecken dienende weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht erwartet werden könne, werde vorsorglich auch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses verlangt. Dieser Antrag bedürfe keiner Begründung gem. § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG i. V. mit § 25 Abs. 5 KSchG. Allerdings lägen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG vor, weil ihr Vertrauen in den Kläger durch sein Verhalten endgültig zerstört sei.

Die Beklagte stellt daher folgende Anträge:
Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 30. Oktober 1995 - Gz.: 22 Ca
11346/95 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen.
Hilfsweise werde beantragt:
Das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung, die in das
Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 24.000,-- DM nicht überschreiten
sollte, aufgelöst.

Der Kläger beantragt:
Die Berufung und der Eventualantrag nach § 8 KSchG wird zurückgewiesen.

Er hält das angegriffene Urteil für richtig.
Auch er erweitert und vertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag, er weist insoweit darauf hin, er habe sich beim Fluggast selbst, als er diesen am 19. Juni 1995 nach der Landung in Nizza zum Abholfahrzeug gebracht habe, noch einmal die vorgebuchte Abflugzeit 17.00 Uhr des Folgetages bestätigen lassen und in seiner Gegenwart "den Agenten der Beklagten, der das Abholfahrzeug fuhr, dahingehend (befragt), ob eine den Abflugzeitpunkt ändernde Nachricht der Beklagten vorläge", was nicht der Fall gewesen sei. Anschließend sei er noch einmal zum Büro des Agenten gefahren, um sich zu erkundigen, ob etwaige - gegebenenfalls flugändernde - Nachrichten vorlägen, was verneint worden sei. Schließlich habe er sich vor Verlassen des Hotels zum mit der Copilotin verabredeten Abendessen noch an der Hotelrezeption erkundigt, ob gegebenenfalls geänderte Abflugszeiten vorlägen, was ebenfalls verneint worden sei.
Die Beklagte habe im übrigen durchaus Alkoholkonsum geduldet, was dadurch bewiesen werde, daß sie die Copilotin nicht einmal deshalb abgemahnt habe. Außerdem habe sie, wie aus ihrem zu den Gerichtsakten gegebenen Schreiben vom 14. Oktober 1994 ersichtlich sei, auch einen anderen Flugkapitän deshalb nicht einmal abgemahnt.
Was die behauptete sexuelle Belästigung der Copilotin anbelange, sei noch einmal klarzustellen, daß es dazu nicht gekommen sei, weil es über einen "Brüderschaftskuss aus Anlaß der Klärung dienstlicher Mißhelligkeit" hinaus zu keinem Kontakt zu ihr gekommen sei. Er verfüge über einen einwandfreien Leumund.

Zum Auflösungsantrag der Beklagten verweise er auf § 25 Abs. 5 KSchG, wonach der Kündigungsschutz des ersten Abschnittes dieses Gesetzes abweichend auch für Kapitäne von Luftfahrzeugen gelte.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die Gerichtsprotokolle, die gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt beider Rechtszüge verwiesen. Insbesondere ist klarzustellen, daß die Parteien nach ihren Erklärungen in der Berufungsverhandlung nicht mehr über die erstinstanzlich noch entschiedene Kündigung vom 6. Juli 1995 streiten. Der Prozeßvertreter des Klägers hat in der Berufungsverhandlung - nach Stellung der Anträge - erklärt, "er trete nunmehr für den Kläger nicht mehr auf."

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und insoweit begründet, als die am 11. Juli 1995 ausgesprochene ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 30. September 1995 aufgelöst hat sowie, daß die Beklagte nicht verpflichtet ist, den Kläger weiterzubeschäftigen. Insoweit ist die Klage unbegründet und daher abzuweisen. Im übrigen, soweit es um die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom selben Tag und die Verpflichtung zur Zahlung des Gehalts an den Kläger für die Monate August und September 1995 geht, ist die Berufung unbegründet und daher zurückzuweisen.

Es ist trotz der Erklärung des Klägervertreters in der mündlichen Berufungsverhandlung nach Stellung der Anträge und anschließender Verhandlung, "er trete nunmehr für den Kläger nicht mehr auf" durch kontradiktorisches Urteil zu entscheiden, nicht durch Versäumnisurteil, denn sie führte nicht zur Säumnis seiner Partei. Auf § 334 ZPO wird verwiesen. Die Antragstellung und das Verhandeln zur Hauptsache zu Beginn der mündlichen Verhandlung wirken nämlich fort (BGH vom 9.10.1994 - VIII ZR 215/73 - BGHZ 63/94 ff.).

I.

Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft, denn sie richtet sich gegen ein arbeitsgerichtliches Endurteil und der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt DM 800,-- (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG).
Sie ist auch in der richtigen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 518, 519 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 sowie 222 Abs. 2 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG).

II.

1. Die Berufung ist insoweit begründet, als das Arbeitsgericht erkannt hat, daß die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 11. Juli
1995 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Die Tatsache, daß die Beklagte dem Kläger eine soziale Auslauffrist bis 30. Juli 1995
gewährt hat, steht der Qualifikation der angegriffenen Kündigung als außerordentlicher nicht entgegen. Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann die
Arbeitgeberin zwar eine außerordentliche Kündigung als fristlose aussprechen, sie ist aber auch berechtigt, aus wichtigem Grund mit
einer Frist zu kündigen, die der gesetzlichen oder vereinbarten Kündigungsfrist nicht zu entsprechen braucht (BAG vom 8. Oktober 1957
- 3 AZR 136/55 - AP Nr. 16 zu § 626 BGB).

Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis nur aus einem wichtigen Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt werden und zwar innerhalb zwei Wochen ab Kenntnis des Kündigungsberechtigten von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen (§ 626 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB). An einem solchen wichtigen Grund fehlt es hier, so daß es darauf, ob die zweiwöchige Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB eingehalten wurde, gar nicht mehr ankommt. Im einzelnen gilt:
1.1 Ein wichtiger Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB ist anzunehmen, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar
machen. Dabei kommt es darauf an, ob die Tatsachen überhaupt geeignet sind, einen wichtigen Grund zu bilden und im Rahmen einer
Zumutbarkeitsprüfung alle Umstände des Einzelfalles bei der Interessenabwägung berücksichtigt und gewürdigt worden sind. Eine
außerordentliche Kündigung ist die ultima ratio; sie ist nur zulässig, wenn die Kündigungstatsachen das Arbeitsverhältnis unzumutbar belasten.
Sie kommt also nur in Betracht, wenn mildere Mittel wie eine ordentliche Kündigung, Änderungskündigung, Versetzung, Abmahnung oder Betriebsbuße nicht mehr genügen (BAG vom 30. Mai 1978 - 2 AZR 630/76 - AP Nr. 70 zu § 626 BGB).
1.2 Diese Voraussetzungen erfüllt das Verhalten des Klägers hier nicht. Allerdings ist der Konsum von Alkohol im unstreitigen Umfang durch den
Kläger während der Dauer seines Einsatzes im Zuge des Flugauftrages München-Nizza-München vom 19./ 20. Juni 1995 nach der Landung durchaus
geeignet, einen wichtigen Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Sein Verhalten gegenüber der Copilotin rechtfertigt diese Annahme jedoch nicht.
1.2.1 Sein Verhalten im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum belastet das Arbeitsverhältnis sehr schwer, insbesondere auch unter Berücksichtigung der ihm mit Schreiben der Beklagten vom 20. Oktober 1993 ausgesprochenen Abmahnung. Dennoch ist die Berufungskammer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und der Tatsache, daß eine außerordentliche Kündigung die ultima ratio sein muß sowie der Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Überzeugung gelangt, es sei der Beklagten nicht unzumutbar, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Im einzelnen gilt:
Was die Qualifikation des Alkoholkonsums des Klägers nach der Landung am 19. Juni 1995 in Nizza als Tatsache, die überhaupt geeignet ist, für die Annahme eines wichtigen Grundes herangezogen zu werden, anbelangt, gilt folgendes:
Für das Arbeitsverhältnis gelten die Regeln des Flugbetriebshandbuchs der Beklagten vom 1. Juni 1992 und damit auch die Regeln dessen Kapitel 4 Abs. 3.2.7. Nach dessen Nr. 2 ist den Crew-Mitgliedern jeglicher Konsum von Rauschmitteln (inkl. Wein und Bier) während des Dienstes untersagt, was den Konsum alkoholischer Getränke während der Mahlzeiten einschließt.
Nach seiner Nr. 1 dürfen Crew-Mitglieder bei Flugantritt nicht unter Einfluß von Rausch-, Betäubungsmitteln oder Drogen stehen und nach Nr. 3 sollten Betäubungsmittel nie zu sich genommen werden, mit der dort genannten Ausnahme der ärztlichen Kontrolle und außerhalb der Dienstzeit. Diese Formulierungen zeigen beinahe typisch die Probleme, die immer dann entstehen, wenn versucht wird, eine möglichst genaue Regelung festzulegen, nämlich einerseits in Nr. 1 das Nebeneinander von untersagtem Konsum von Rausch-, Betäubungsmitteln oder Drogen bei Flugantritt, ohne daß die "Rauschmittel" näher definiert werden und das Verbot jeglichen Konsums allein von Rauschmitteln und deren Konkretisierung im Klammerzusatz "(inkl. Wein und Bier)" während des Dienstes in Nr. 2 und schließlich der Appell, nie (mit gewissen Ausnahmen) - nur - noch - Betäubungsmittel zu sich zu nehmen. Daraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, Crew-Mitglieder, wozu auch der Kläger gehört, dürften nur in der Zeit ihres tatsächlichen fliegerischen Einsatzes vom Start bis zur Landung keine Rauschmittel (inkl. Wein und Bier) konsumieren, wohl aber danach, z. B. in der Zeit außerhalb dieses Zeitraums, aber durchaus noch im Rahmen eines arbeitsvertraglichen Einsatzes, z. B. nach der Landung in Nizza am 19. Juni 1995 bis zum Start am Folgetag.
Die entsprechende Regelung des Flugbetriebshandbuchs der Beklagten ist nämlich auszulegen. Gem. § 133 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdruckes zu haften und gem. § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Nach diesen Kriterien scheidet eine Beschränkung des Verbots des Alkoholkonsums auf die Zeit des reinen fliegerischen Einsatzes des Klägers vom Start bis zur Landung als dort genannter "Dienstzeit" im Sinne des § 3.2.7 Nr. 2 des erwähnten Flugbetriebshandbuchs aus. Dies kann zwar nicht daraus geschlossen werden, daß nach der "Bemerkung" zu dieser Regelung davon der "Konsum alkoholischer Getränke während der Mahlzeiten" eingeschlossen werde, denn Mahlzeiten von Flugpersonal können auch während des Fluges selbst eingenommen werden. Dies ist nicht nur gerichts- sondern allgemeinbekannt. Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr zum einen, daß die Tätigkeit eines Flugkapitäns vom Start bis zur Landung auch durch vor dem Start konsumierten Alkohol beeinträchtigt werden kann und zu einer nicht hinzunehmenden Gefahr für sämtliche am Flug selbst beteiligten, aber auch andere Personen werden kann. Das kommt in aller Deutlichkeit in § 1 Abs. 3 LuftVO zum Ausdruck, wonach derjenige, welcher "infolge des Genusses alkoholischer Getränke ... in der Wahrnehmung der Aufgaben als Führer eines Luftfahrzeuges ... behindert ist, ... kein Luftfahrzeug führen darf". Nach Giemulla/Schmid (LuftVO § 1 Rdn. 14) erfordert das Führen eines Luftfahrzeuges "nicht nur bei Start und Landung, sondern auch während des Fluges ungleich höhere Aufmerksamkeit als das Führen eines Kraftfahrzeuges. Erhöhte Anforderungen ergeben sich aus dem Verarbeiten sämtlicher Sinneseindrücke, der Koordination von Steuerbewegungen in mehreren Achsen, Interpretation von Instrumenten, terrestrische Navigation, Führen des Sprechfunkverkehrs etc.. Aus diesem Grund ist die vollständige Leistungsfähigkeit des Luftfahrzeugführers unabdingbar.
Dies kann durch Alkohol ... eingeschränkt sein. Abgesehen davon, daß Alkohol ohnehin die Leistungsfähigkeit einschränkt, kommt beim Fliegen hinzu, daß bei einem Aufenthalt mit zunehmender Höhe wegen des nachlassenden Drucks und der verringerten Luftdichte die Wirkungen deutlicher werden." Deshalb sind "nach Erkenntnissen der internationalen Flugmedizin ... bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promill bereits meßbare, bei 0,35 Promill eine deutliche Leistungsbeeinträchtigung festzustellen (relative Fluguntauglichkeit). Bei 0,5 Promill ist bereits eine absolute Fluguntauglichkeit anzunehmen (mit zahlreichen Nachweisen). Die Abbauphase muß mit ca. 0,5 Promill BAK in 12 Stunden, 1,2 Promill BAK in 24 Stunden veranschlagt werden."
Ob und gegebenenfalls wann die Abbauphase für Alkohol im Blut tatsächlich im Einzelfall beendet ist, kann dabei dahinstehen und bedurfte im hier zu entscheidenden Fall keines Sachverständigengutachtens. Angesichts der besonderen Gefahren im Zusammenhang mit dem Führen von Luftfahrzeugen muß nämlich nach Giemulla/Schmid (a. a. O., § 1 Rdn. 14) und Graumann (DDB, Erl. zu § 1 LuftVO) "als Grundsatz ... gelten, daß 24 Stunden vor Antritt eines Fluges ein Mitglied der Besatzung keinen Alkohol zu sich nehmen darf". der Direktor des Luftfahrt- Bundesamtes, hat in den "Nachrichten für Luftfahrer Teil II vom 2. März 1972 unter Nfl. 2-15/72 ausgeführt: "Nach Genuß alkoholischer Getränke ... sollte jeder Luftfahrer zumindest eine fliegerische Sperrfrist von 24 Stunden einhalten. Bei fliegerischer Tätigkeit über mehrere Tage hinweg (...) sollte auf jeglichen Alkoholgenuß verzichtet werden". Ob diese Beiträge nur als Empfehlungen zu qualifizieren sind, wie der Kläger dies annimmt, kann allerdings genauso dahinstehen, wie die Frage ihrer Richtigkeit. Aus der Gesamtregelung des Kapitel 4 Abs. 3.2.7 des Flugbetriebshandbuchs der Beklagten läßt sich nämlich für jedermann - auch den Kläger - erkennen, daß die Beklagte an einer umfassenden Sicherung ihres Beitrags zum Luftverkehr interessiert ist und nicht, gerade im Hinblick auf den Konsum von Alkohol durch Besatzungsmitglieder vor einem Flug von z. B. "seitens eines Direktors des Luftfahrt-Bundesamtes (vgl. die Nachrichten für Luftfahrer vom 2. März 1972) oder namhafter Fachautoren ausgesprochenen "Empfehlungen" abweichen wollte. Immerhin handelte es sich beim Luftfahrt-Bundesamt um eine Aufsichtsbehörde, die auch die Beklagte kontrolliert und von der sie bei etwaigen Verstößen mit Sanktionen zu rechnen hat und der entsprechende Appell ist nicht nur an sie, sondern gleichermaßen an Luftfahrer wie den Kläger gerichtet. Dies gilt insbesondere auch angesichts der auch und gerade ihm als einem Berufsflugzeugführer bekannt seienden Gefahren im Flugverkehr im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol und der Aufmerksamkeit, die dadurch verursachte eventuelle Unfälle durch eine breite Öffentlichkeit zuteil wird, was insbesondere seiner Arbeitgeberin in geschäftlicher Hinsicht erheblich schaden kann. Daß die Beklagte durch die erwähnte Regelung in ihrem Flugbetriebshandbuch jegliches Risiko im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol, auch außerhalb des Flugeinsatzes vom Start bis zur Landung, ausschließen wollte, erhellt letztlich gerade aus ihrem vom Kläger selbst vorgelegten Schreiben vom 14. Oktober 1994, worin ein anderer Flugkapitän darauf verwiesen wurde, daß er "grundsätzlich gesetzlich verpflichtet sei, als Flugzeugführer 24 Stunden vor einem Flugeinsatz keinen Alkohol mehr zu sich zu nehmen". Es ist daher davon auszugehen, daß der Kläger das Alkoholverbot gemäß Kapitel 4 Abs. 7.2.3 des Luftbetriebshandbuchs der Beklagten auch so verstanden hat, daß 24 Stunden vor einem Flug i. S. vom Start bis zur Landung ein absolutes Alkoholverbot bestand.

Auch die ihm erteilte Abmahnung vom 20. Oktober 1993 mußte ihn erkennen lassen, daß die Beklagte im Hinblick auf Alkohol nicht bereit war, Arbeitspflichtverletzungen während eines Einsatzes, auch wenn es dabei nicht um die Zeit vom Start bis zur Landung ging, hinzunehmen. Die Berufungskammer vermag sich der Wertung des angegriffenen Urteils nicht anzuschließen, die Abmahnung habe den Eindruck erweckt, daß ein absolutes Alkoholverbot während des gesamten Verlaufs der Dienstreise, um die es bei der Abmahnung vom 20. Oktober 1992 ging, von der Beklagten gar nicht gewollt oder zwar ausgesprochen, aber nicht wirklich erst gewesen sei (vgl. dazu noch 1.2.2).
Da schließlich nach ihren Erklärungen in der Berufungsverhandlung zwischen den Parteien unstreitig ist, daß ein Pilot wie der Kläger durchaus bei einem Einsatz, der sich über mehrere Tage hinweg erstreckt, sich in Bereitschaft halten muß um für etwaige Nachrichten oder Anweisungen der Beklagten zur Verfügung zu stehen, wobei es sich sowohl um Änderungen des Flugeinsatzes, als auch um Probleme im Zusammenhang mit dem Flugzeug auf dem jeweiligen Flughafen selbst handeln kann, Piloten sogar über ein sogenanntes Handy seitens der Beklagten erreichbar sein müßten, ist davon auszugehen, daß er durchaus den erhöhten Stellenwert seiner Verfügbarkeit für die Beklagte oder den jeweiligen Fluggast während eines zweitägigen Einsatzes im Ausland, wie z. B. in Nizza am 19./20. Juni 1995 kannte. Daran ändert es auch nichts, daß er sich für die ganze Zeit seines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten nur an einen einzigen Fall erinnerte, in dem er nach einem z. T. bereits erledigten sogenannten Ersteinsatz noch anders eingesetzt worden sei, weshalb ihm derartige eventuelle Umdispositionen der Beklagten als Ausnahmefall erschienen seien. Letztlich widerlegt er sich durch seinen eigenen - allerdings von der Beklagten bestrittenen - Sachvortrag, er habe sich am 19. Juni 1995 in Nizza, nach der Landung, zweimal bei seinem Fluggast, zweimal bei dem Agenten der Beklagten und einmal an der Hotelrezeption über die vorgesehene Rückflugzeit bzw. etwaige Anweisungen der Beklagten erkundigt. Behauptet er derartige Aktivitäten, deutet dies klar darauf hin, daß er, um seine Verfügbarkeit für die Beklagte und seinen Fluggast für die Zeit nach der Landung und vor dem nächsten Start wußte.
Sein zugestandener Alkoholkonsum von ursprünglich drei - in der Berufungsverhandlung dann reduziert auf zwei - Probierfläschchen Whisky, ein Glas Sekt, eine hälftig geleerte Flasche Rotwein sowie die Hälfte von zwei Drittel von 0,7 1 Champagner stellen entgegen seiner eigenen Auffassung einen so eklatanten Verstoß gegen das für ihn geltende Alkoholverbot während eines zweitägigen Einsatzes im Rahmen eines Flugauftrages im Ausland - auch zwischen Landung und Start - dar, daß darin ein Verhalten liegt, das an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung zu bilden. 1.2.2 Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes erfüllt das Schreiben der Beklagten vom 20. Oktober 1992 auch die Anforderungen an eine von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei verhaltensbedingten Kündigungen regelmäßig geforderte einschlägige Abmahnung wegen Alkoholkonsums und hat darüberhinaus ihre Wirkung zum Zeitpunkt der ausgesprochenen Kündigung noch nicht verloren. Der Alkoholkonsum des Klägers bei seinem Einsatz im Jahre 1993 wird in dieser Abmahnung "nicht nur am Rande" erwähnt. Aus der Formulierung "so sollen Sie unter anderem unter Alkoholeinfluß, der das übliche Maß überstiegen haben soll, über unsere Gesellschaft negativ geäußert haben", kann nicht geschlossen werden, diese Abmahnung habe bei ihm den Eindruck erweckt oder erwecken können, daß ein absolutes Alkoholverbot während des gesamten Verlaufs der Dienstreise von der Beklagten gar nicht gewollt oder, zwar ausgesprochen aber nicht wirklich ernst genommen werde. In dieser Abmahnung sind auch die Folgen dieses Alkoholkonsums angesprochen worden, wenn es darin heißt, daß er "als Folge dieses gelinde genannten "Ausfalls" ... am folgenden Tag nicht in der Lage (war, seinen) Copiloten und (...) bei der Arrangierung der notwendigen Vorbereitungen für die notwendige technische Maßnahme zu unterstützen." Zudem sei beim Kunden negativ aufgefallen, daß er am Abend vor dem Abflug noch gegen 22.00 Uhr Alkohol zu sich genommen haben solle. Der Kläger ist in diesem Schreiben darauf hingewiesen worden, "daß der gesamte oben geschilderte Sachverhalt gerade in der heutigen Zeit nicht geeignet ist, einen bestehenden Kunden auch in der Zukunft zu motivieren, unsere Dienste in Anspruch zu nehmen".
Bereits der Hinweis auf den "gesamten oben geschilderten Sachverhalt" genügt, um den Anforderungen an die für eine Abmahnung geforderte Rüge der Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten infolge Alkoholkonsums für ihn deutlich zu machen und rechtfertigt nicht, daraus zu schließen, es komme dabei auch auf den Umfang des Alkoholkonsums in einem Maße, wie demjenigen während des Flugauftrags vom 19./20. Juni 1995 an. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 20. Oktober 1992 konnte und mußte der Kläger mit der geforderten Deutlichkeit nämlich entnehmen, daß es der Beklagten zwar um ihr Ansehen bei gegenwärtigen und künftigen Kunden, aber auch und in gleichem Maße um seine sonstige Verfügbarkeit im Zuge eines Flugauftrages ging, wobei beides durch Alkoholkonsum in dem von ihm am 19. Juni 1995 zugestandenen Ausmaß gefährdet gewesen sein könnte, unabhängig davon, ob er beim vereinbarten Start um 17.00 Uhr voll flugtauglich war. Die Abmahnung in diesem Schreiben endet nämlich mit dem Satz, daß es an ihm liege, ihrem Unternehmen nach wie vor "loyal zur Verfügung zu stehen und stets im Kundeninteresse (seine) gegenüber (ihr) bestehenden Arbeitspflicht (zu) erfüllen". Gerade auch dieser Appell an seine arbeitsvertraglichen Pflichten ihr gegenüber konnte der Kläger nicht zu seinen Gunsten dahin verstehen, daß er Alkohol des Ausmaßes wie am 19. Juni 1995 konsumieren durfte, solange dies zum einen der Kunde nicht bemerkte und er selbst versucht hatte, sich zu versichern, daß sein nächster fliegerischer Einsatz für diesen Kunden vom Start bis zur Landung erst am Folgetag um 17.00 Uhr stattfinden sollte.
Immerhin war eine entsprechende Umdisposition im Sinne eines früheren Rückflugs durch diesen Kunden, von dem, wie von der Beklagten unwidersprochen vorgetragen, und damit zugestanden (gem. § 138 Abs. 3 ZPO) bekannt war, daß es zu kurzfristigen Änderungen der geplanten Abflugszeiten kommen konnte, möglich und darüberhinaus, davon unabhängig auch ein etwaiger Einsatz durch die Beklagte, nicht ausgeschlossen. Auch, daß alleine durch die Beklagte verursachte entsprechende Umdispositionen bei ihm in der Vergangenheit den absoluten Ausnahmefall gebildet hatten, wie er in der Berufungsverhandlung vortrug, vermag ihn insoweit nicht zu entlasten.
1.3 Was das Verhalten des Klägers am 19. Juni 1995 gegenüber der Copilotin anbelangt, so ist im Hinblick auf dessen grundsätzliche
Geeignetheit, einen wichtigen Grund i. S. des § 626 Abs. 1 BGB zu bilden, zu differenzieren zwischen der behaupteten sexuellen Belästigung und seinen Verpflichtungen als deren Vorgesetzter auch im Hinblick auf die Einhaltung des Alkoholverbotes durch sie selbst.
1.3.1 Die von der Beklagten behaupteten Zudringlichkeiten des Klägers, die dieser bestreitet, erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Unstreitig sollen sie während eines verabredeten Abendessens und danach auf dem Weg zurück zum Hotel verbal und tätlich dergestalt erfolgt sein, daß der Kläger seiner Copilotin gegenüber auf seinen Versuch, sie zu küssen und zu umarmen, gesagt haben soll: "Ach komm schon, du alter Feigling, du traust dich ja bloß nicht". Der Copilotin sei es auf ihre Frage, wie er dazu stehen würde, erführe er von einem solchen Sachverhalt unter Beteiligung seiner Töchter, gelungen, ihn von seinen Zudringlichkeiten langsam abzubringen.

Selbst wenn dieser Sachvortrag als wahr unterstellt würde, ist er noch nicht grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Das gilt auch angesichts der Regelung des Beschäftigtenschutzgesetzes, die es der Arbeitgeberin nach dessen § 4 Abs. 1 Nr. 1 erlaubt, bei sexuellen Belästigungen, "die im Einzelfall angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen". Insoweit läßt der Sachvortrag der Beklagten in seiner Gesamtschau durchaus erkennen, daß der Kläger offenbar unter Alkohol stand. Weiter lassen die behauptete Art und das Ausmaß der Zudringlichkeiten sowie der Erfolg der Begründung der behaupteten Zurückweisung erkennen, daß deren Intensität auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Gesetzgeber eine bloße Belästigung bereits sanktioniert und nicht einmal eine Gefährdung verlangt, nicht als Grund für eine so strenge Maßnahme wie eine außerordentliche Kündigung geeignet ist. Zwar ist der Beklagten, wie auch der Copilotin zuzugestehen, daß auch ein vereinbartes Abendessen zwischen dem Kläger und Frau, auch wenn sein Zweck war, in der Vergangenheit aufgetretene Spannungen bei der gemeinsamen Arbeit auszuräumen, keinesfalls die hier dem Kläger angelastete Verhaltensweise rechtfertigt, doch können diese Umstände und der Ausgang der ganzen Angelegenheit bei ihrer Beurteilung als grundsätzlicher Geeignetheit, einen wichtigen Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden, nicht unberücksichtigt bleiben. Der Copilotin ist es immerhin gelungen, den Kläger zur Einsicht zu bringen. Die Tatsache, daß sie mit Schreiben vom 3. Juli 1995 selbst ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten kündigte, kann unter dem Gesichtspunkt, daß darin die behauptete sexuelle Belästigung durch ihn gar nicht erwähnt ist, insoweit für deren etwaige grundsätzliche Geeignetheit, einen entsprechenden wichtigen Grund zu bilden, nicht herangezogen werden. Außerdem kommt es für diese Geeignetheit auch nicht auf die subjektive Wertung der belästigten Person, sondern auf eine objektive Wertung, die zur Überzeugung der Berufungskammer den hier geforderten Grad noch nicht erreicht hat, an. Da es sich beim Kläger um einen offenbar erstmals insoweit aufgetretenen (bestrittenen) Fall handelte, hätte ein klärendes Gespräch hier wohl genügt.
1.3.2 Was den Alkoholkonsum der Copilotin selbst anbelangt, so gilt für sie grundsätzlich das gleiche im Hinblick auf ein arbeitsvertragliches Fehlverhalten, wie für den Kläger und es wäre an sich gerade an ihm gelegen, dafür zu sorgen, daß auch sie während des gesamten Flugauftrages vom 19. auf den 20. Juni 1995 keinen Alkohol zu sich nimmt. Insoweit hat er als ihr Vorgesetzter daher seine Aufsichtspflicht verletzt, ohne daß dies näher erörtert zu werden braucht, wenngleich ihr Alkoholkonsum selbst nach seinem eigenen Sachvortrag erheblich niedriger lag. Zusammen mit seinem eigenen Verhalten insoweit erweist es sich deshalb als grundsätzlich geeignet, anzuerkennen einen wichtigen Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden.
1.4 Dennoch war bei Abwägung der beidseitigen Interessen und aller Umstände des Einzelfalles der Beklagten nicht unzumutbar, den Kläger noch bis zum Ende der vertraglichen Kündigungszeit von 6 Wochen zum Quartalsende, die länger und damit günstiger als die ansonsten zwingend geltende Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist, zu beschäftigen.
Der Kläger vermittelte dem Gericht nämlich den Eindruck, daß im Hinblick auf den Konsum von Alkohol im Zuge eines Flugauftrages nach der Landung und dem erneuten Start in der vereinbarten ordentlichen Kündigungsfrist, die Beklagte durchaus durch geeignete Maßnahmen Vorsorge hätte treffen können, um etwaige Gefahren für die allgemeine Sicherheit, die Sicherheit des Bordpersonals und auch ihre geschäftlichen Interessen auszuschließen. Dazu hätte zum einen ein ernsthaftes Gespräch mit ihm beitragen können und zum anderen die Zuordnung insoweit zuverlässigen, erfahrenen und tatkräftigen sowie durchsetzungsfähigen Bordpersonals bis hin zu Copiloten, das entsprechend informiert war sowie seine ständige aufmerksame Kontrolle und sein ihr durchaus zumutbarer Einsatz im Rahmen einer für sie relativ leicht zu bewältigenden Reichweite. Das hätte zwar sicher zu einem erhöhten Aufwand bei ihren Dispositionen geführt; dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, daß der Kläger offenbar nicht ständig durch Alkoholkonsum während seines Einsatzes im Zuge eines Flugauftrages gefährdet ist und war, wobei die zweimalige Verletzung seiner diesbezüglichen arbeitsvertraglichen Pflichten in den drei Jahren seines Arbeitsverhältnisses nicht herabgewürdigt werden soll und kann. Die ihm bereits erteilte Abmahnung vom 20. Oktober 1992 steht dem nicht entgegen. Dies beruht zwar nicht auf dem Zeitablauf von knapp zwei Jahren, denn das Bundesarbeitsgericht hat sich sowohl in seiner Entscheidung vom 21. Mai 1987 (2 AZR 313/86 - DB 1987/2367) als auch vom 18. November 1986 (7 AZR 674/84 - DB 1987/1303) gegen die Anerkennung einer Regelfrist für die Wirkungslosigkeit von Abmahnungen ausgesprochen und insoweit gerade auf die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Art der Verfehlung des Arbeitnehmers und das Verhalten der Arbeitgeberin im Anschluß an die Abmahnung abgestellt. Bei den hier dem Kläger angelasteten Verhaltensweisen handelte es sich jeweils um besondere Situationen, die nicht symptomatisch für eine Wiederholungsgefahr während der noch verbleibenden Zeit seines Einsatzes im Rahmen einer ordentlichen Kündigungsfrist sind. Immerhin hat die Abmahnung vom 20. Oktober 1993 doch für die Zeit bis 19. Juni 1995 gefruchtet, wenngleich der neuerliche Anlaß die Gefährdung des Klägers insoweit durchaus erkennen, aber auch vorsorglich begrenzen, läßt. Diese Unberechenbarkeit des Klägers kann von der Beklagten für die vereinbarte ordentliche Kündigungsfrist durch entsprechende Vorsorgemaßnahmen, wie geschildert, gesichert werden und ist ihr damit zumutbar.

2. Da die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich zugleich unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist fristgemäß zum 30. September 1995 gekündigt hat, kann die Frage einer etwaigen Umdeutung der außerordentlichen Kündigung zum 30. Juli 1995 gem. § 140 BGB in eine ordentliche offenbleiben. Diese ordentliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. September 1995 aufgelöst, denn sie war nicht sozial ungerechtfertigt. Insoweit ist die Berufung deshalb begründet. Es handelt sich nämlich um eine verhaltensbedingte Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG, dessen allgemeine Voraussetzungen gem. § 1 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 S. 2 - 4 KSchG erfüllt sind.
Das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit seinem Alkoholgenuß vom 19. Juni 1995 steht seiner Weiterbeschäftigung bei der Beklagten entgegen. Hinsichtlich der vorliegenden Arbeitspflichtverletzungen wird insoweit auf oben 1.2 und 1.3.2 verwiesen; dies gilt auch hinsichtlich der Wirkungen der ihm ausgesprochenen Abmahnung vom 20. Oktober 1993. Der Beklagten ist es nicht zumutbar, den Kläger über die Zeit der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus weiter zu beschäftigen, in dem sie ihm nur noch Flugaufträge erteilt, in denen er ständig in ihrer unproblematischen Reichweite ist, um gegebenenfalls eingreifen zu können und ihn entsprechend zuverlässiges, durchsetzungsfähiges Bordpersonal bis hin zu Copiloten zur Seite zu stellen, um eventuellen neuerlichen unerlaubten Alkoholkonsum im Zuge eines Flugauftrages zu verhindern. Es kann nämlich nicht unberücksichtigt bleiben, daß er immerhin der jeweilige Flugkapitän ist, der gerade für die Einhaltung der Disziplin insoweit auch gegenüber nachgeordneten Bordmitgliedern verantwortlich ist, und nicht umgekehrt.
Eine Versetzung oder Umsetzung des Klägers scheidet daher genauso aus, wie eine etwaige Änderungskündigung, z. B. im Sinne eines Einsatzes als Copilot. Dadurch wird die bei ihm auftretende Problematik für die Beklagte letztlich nicht befriedigend gelöst. Ihr kommt es nämlich darauf an, im Hinblick auf Alkohol zuverlässiges Personal zum Einsatz zu bringen und nicht, wie beim Kläger, durchaus damit rechnen zu müssen, daß es insoweit zu Arbeitspflichtverletzungen kommt.
Er kann dem nicht entgegenhalten, daß die Beklagte in seinem Verhalten letztlich einen sogenannten vorgeschobenen oder gesuchten Grund sieht, um eine sozial ungerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung zu kaschieren, weil sie ihm bei einem vorausgegangenem sogenannten Captains nahegelegt habe, er solle in den Vorruhestand treten, da personelle Maßnahmen im Hinblick auf die Verjüngung der Gruppe der Flugkapitäne und eine eventuelle Rationalisierung anstehe. Welche von grundsätzlich kündigungsgeeigneten Gründen die Arbeitgeberin letztlich bestimmt, ist unerheblich, wenn deren Qualifikation ausreicht. Allein die Tatsache, daß es sich auch um einen sogenannten vorgeschobenen oder gesuchten Grund handelt, macht diese Kündigung noch nicht sozial ungerechtfertigt.
Es ist dem Kläger zwar einzuräumen, daß er aufgrund seines Alters auf dem Arbeitsmarkt nur noch sehr geringe Chancen hat, eine entsprechende Stelle als Flugkapitän zu finden und ihn wegen seiner Unterhaltspflichten die Kündigung besonders trifft, doch vermag sich dies nicht vor dem unzumutbar weit höherem Risiko der Beklagten zu seinen Gunsten auszuwirken. Besondere Verdienste um die Beklagte hat er sich, jedenfalls soweit erkennbar, nicht erworben. Deshalb ist die ihm ausgesprochene Kündigung zum 30. September 1995 gerechtfertigt und die seitens der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil insoweit eingelegte Berufung begründet.
3. Die Berufung ist unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. September 1995 aufgelöst hat, auch insoweit begründet, als die Beklagte zu seiner Weiterbeschäftigung verurteilt worden ist. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1995 (GS 1/84 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) besteht für einen Arbeitnehmer kein Beschäftigungsanspruch, wenn die Wirksamkeit der ihm ausgesprochenen Kündigung feststeht, wie nunmehr hier. Die Klage ist daher insoweit unbegründet und die gegen das entsprechende Urteil eingelegte Berufung folglich begründet.
4. Hinsichtlich des Leistungsanspruchs hat das Arbeitsgericht richtig entschieden. Die dagegen eingelegte Berufung, die erkennbar im wesentlichen auf den Erfolg im Hinblick auf die ausgesprochene außerordentliche und ordentliche Kündigung ausgelegt war, ist unbegründet. Die Berufungskammer folgt den Entscheidungsgründen des Ersturteils und sieht daher von deren Darstellung gem. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i. V. mit § 543 Abs. 1, 2. Alt. ZPO ab.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil wird die Revision nicht zugelassen (§ 72 Abs. 1 ArbGG). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht ersichtlich (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird verwiesen (§ 72 a ArbGG).

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB § 626, BGB § 140, KSchG § 1 Abs 2