Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Gericht
LAG München 8. Kammer
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
02. 04. 1996
Aktenzeichen
8 Sa 1165/95
Zur Frage des Alkoholkonsums von Piloten bei mehrtägigem Einsatz (hier zwei Tage) außerhalb der Flugzeiten als wichtiger Grund für eine außerordentliche sowie umgedeutete ordentliche Kündigung.
Zur Frage der sexuellen Belästigung einer Arbeitnehmerin als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob eine von der Beklagten dem Kläger ausgesprochene außerordentliche und vorsorgliche ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat, über die Verpflichtung der Beklagten, ihn zu den bisherigen Bedingungen über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus weiter zu beschäftigen und an ihn für die Zeit der ordentlichen Kündigungsfrist sein Gehalt zu zahlen.
Der am, geschiedene Kläger, Vater zweier Töchter im Alter
von 16 und 22 Jahren, denen er unterhaltspflichtig ist, ist seit
1. April 1992 als Flugkapitän bei der Beklagten beschäftigt.
Diese betreibt ein Bedarfsflugzeugunternehmen im
nichtplanmäßigen Charterverkehr - ein sogenanntes
Lufttaxiunternehmen - mit mehr als fünf Arbeitnehmern. Die
monatliche Durchschnittsvergütung des Klägers beträgt nach der
Darstellung der Beklagten DM 10.466, -- brutto, nach seiner
eigenen DM 8.000, --, einem Arbeitgeberzuschuß zur
Krankenversicherung von DM 424,25 und eine steuerfreie Flugzulage
von DM 1.120,-- sowie eine steuerpflichtige Flugzulage von DM
738,33.
Die Parteien haben in § 4 a ihres schriftlichen Arbeitsvertrages
eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende vereinbart.
Im Unternehmen der Beklagten gilt für das Verhalten ihrer
Arbeitnehmer ein Flugbetriebshandbuch vom 1. Juni 1992, das unter
Kapitel 4 Ziff. 3.2.7 folgende Regelung enthält:
"Rausch- und Betäubungsmittel
1. Kein Crew-Mitglied darf bei Flugantritt unter Einfluß von
Rausch-,
Betäubungsmitteln oder Drogen stehen.
2. Den Crew-Mitgliedern ist jeglicher Konsum von Rauschmitteln
(inkl.
Wein und Bier) während des Dienstes untersagt.
BemeDies schließt ebenso den Konsum alkoholischer Getränke
während der
Mahlzeiten ein.
3. Betäubungsmittel sollten nie zu sich genommen werden.
AusnNur unter ärztlicher Kontrolle und außerhalb der
Dienstzeit."
Die Beklagte hat unter dem 20. Oktober 1993 ein Schreiben an den Beklagten gerichtet, das sie als Abmahnungsschreiben qualifiziert und auf das verwiesen wird.
In der Berufungsverhandlung haben die Parteien unstreitig
gestellt (Protokoll S. 2), "daß ein Pilot wie der Kläger
durchaus bei einem Einsatz, der sich über mehrere Tage hinweg
erstreckt, sich in Bereitschaft halten muß, um für etwaige
Nachrichten oder Anweisungen der Beklagten zur Verfügung zu
stehen. Dabei kann es sich sowohl um Änderungen der
Flugeinsätze als auch um Probleme im Zusammenhang mit dem
Flugzeug auf dem jeweiligen Flughafen handeln". Weiter hat
der Kläger darin (Protokoll S. 4) erklärt, "die Piloten
müßten über ein Handy seitens der Beklagten erreichbar
sein". Auf den Sachvortrag der Beklagten in der
Berufungsverhandlung (Protokoll S. 2), es könne "durchaus
vorkommen, daß ein Pilot mit seinem Flugzeug sich am Abend an
einem bestimmten Flugplatz befindet und möglicherweise
ursprünglich beabsichtigt war, daß er erst am folgenden Tag
abends den Fluggast wieder zurückbringt, jedoch das Flugzeug in
der Zwischenzeit gebraucht wird und die Rückführung des
Fluggastes durch ein anderes Flugzeug und einen anderen Piloten
erfolgt, weil das ursprüngliche Flugzeug mit dem ursprünglichen
Piloten anders eingesetzt wurde", hat der Kläger (Protokoll
S. 4) erwidert, "in der ganzen Zeit seiner Beschäftigung
bei der Beklagten erinnere er sich nur an einen Fall, in dem er
im Zuge eines Einsatzes davon erfahren habe, er müsse anders
eingesetzt werden und dies auch erst erfahren habe, als der
Ersteinsatz bereits zum Teil erledigt war - nach der ersten
Landung. Umdispositionen durch die Beklagte erschienen ihm
deshalb als der absolute Ausnahmefall, jedenfalls was seine
Person anbelangt".
Die Beklagte hat an einen ihrer anderen Flugkapitäne ein
Schreiben vom 14.10.1994 mit folgendem Inhalt gerichtet:
"Ihre Aussage anläßlich der Nachtalarmierung am 12.10.1994
früh morgens
veranlaßt uns doch, Sie darauf hinzuweisen, daß Sie
grundsätzlich
gesetzlich verpflichtet sind, als Flugzeugführer 24 Stunden vor
einem
Flugeinsatz keinen Alkohol mehr zu sich zu nehmen.
Dagegen haben Sie, trotz einer vorausgegangenen
Freizeitperiode von drei
Tagen am Abend des letzten Freitages Alkohol in nicht
unerheblicher Menge
zu sich genommen, die einen Einsatz auf der Basis der
gesetzlichen
Bestimmungen (24-Stunden-Regelung) nicht zugelassen hätte. Es
ist zwar
grundsätzlich richtig, daß die Freischicht bis 06.00 Uhr
morgens aufgrund
interner Regelung von dauert, dies bedeutet aber auch, daß Sie
ab 06.00
Uhr morgens uneingeschränkt für Flugeinsätze zur Verfügung
stehen müssen.
Dies bitten wir nochmals in dieser Form zur Kenntnis zu nehmen
und
verbleiben ...".
Unstreitig war der Kläger am 19. und 20. Juni 1995 als
Flugkapitän eines Geschäftsreiseflugzeuges Typ Lear Jet 55 mit
der am geborenen Copilotin in einem Flugeinsatz von München nach
Nizza und zurück. Er war mit ihr bereits früher geflogen, als
sie noch Flugbegleiterin gewesen war. Damals war es zwischen
ihnen durchaus immer wieder zu "Schwierigkeiten"
gekommen, was zu "Beanstandungen seinerseits geführt"
hatte. Beim Einsatz Frau als Copilotin hat es mit ihr jedoch
keinerlei Probleme mehr gegeben. Im Cockpit war sie einwandfrei
(vgl. seine Erklärung zu Protokoll der Berufungsverhandlung S.
3).
Die Landung im Nizza am 19. Juni 1995 erfolgte um ca. 17.00 Uhr
Ortszeit. Als der Fluggast (Herr das Luftfahrzeug verlassen hatte
und die Besatzung die Kabine aufräumte, hat der Kläger nach
seinem Vortrag mit Schriftsatz vom 6. Oktober 1995 (S. 2)
"drei Probierfläschchen Whisky ..." zu sich genommen.
Im Berufungsbeantwortungsschriftsatz (S. 2) werden nur noch zwei
Fläschchen Scotch erwähnt. Nach seiner unwidersprochen
gebliebenen Erklärung in der Berufungsverhandlung hat es sich
bei den erwähnten Probierfläschchen Whisky "um Mengen von
0,2 cl = 0,02 1 gehandelt; ..." sog. "handelsüblichen
Probierfläschchen (Stichwort: Magenbitter)".
Nach dem Verlassen des Flughafens suchten der Kläger und
seine Copilotin das Hotel auf. Der Kläger hat diese zum
Abendessen in ein Restaurant außerhalb des Hotels eingeladen.
Anlaß sei für ihn gewesen, die Vergangenheit insoweit "zu
begraben", wobei damit gemeint war, daß es früher zwischen
ihnen zu den bereits erwähnten "Schwierigkeiten" mit
"Beanstandungen" gekommen war. Unstreitig haben der
Kläger und seine Copilotin auf dem Weg zum Abendessen gemeinsam
je ein Glas Sekt getrunken. Zum Abendessen selbst hat der Kläger
eine Flasche Rotwein bestellt, die nach seiner Darstellung
"hälftig geleert" wurde, währen die Beklagte
vorträgt, die Copilotin habe nur ein Glas Wein zu sich genommen.
Danach wurde noch eine Flasche (0, 7 1) Champagner bestellt, der
nach der Darstellung des Klägers "gemeinsam ... zu
2/3" getrunken wurde, während die Beklagte vorträgt, die
Copilotin habe nur "ein halbes Glas ... mit einer Füllmenge
von ca. 0,1 l" zu sich genommen.
Im Berufungsbegründungsschriftsatz (S. 7) findet sich u. a.
folgende Formulierung:
"Bei einem Alkoholmißbrauch in der vorliegenden Form - denn
es ging gerade
nicht darum, nur ein Bierchen oder ein Glas Wein zu sich genommen
zu haben
- liegt ein Fall vor, in dem mit höchster Wahrscheinlichkeit mit
einer
Gefährdung von Leib und Leben im Falle eines Flugeinsatzes
gerechnet
werden muß."
Die Copilotin hat mit Schreiben vom 3. Juli 1995 ihr
Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 15. Juli 1995 "wie
bereits telefonisch besprochen" gekündigt.
Mit Schreiben vom 11. Juli 1995 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers "außerordentlich mit Auslauffrist zum 31.07.1995" und "rein vorsorglich ... auch fristgemäß zum nächstmöglichen Termin, somit zum 30.09.1995" gekündigt.
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, die ihm
ausgesprochenen Kündigungen seien rechtsunwirksam, weil es der
außerordentlichen Kündigung an einem wichtigen Grund fehle;
auch werde die Einhaltung der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2
BGB bestritten. Die ordentliche Kündigung sei sozial nicht
gerechtfertigt.
Ob das Schreiben der Beklagten vom 20. Oktober 1993 überhaupt
als "Abmahnung im Rechtssinne" zu qualifizieren sei,
werde bezweifelt. Jedenfalls werde darin die Verletzung eines
ganz anderen Pflichtenkreises angesprochen als derjenige
gelegentlich des Fluges vom 19./20. Juni 1995 nach Nizza.
Im Zuge seines Einsatzes im Flugauftrag Nizza habe er weder gegen
ein betriebliches noch gesetzliches Alkoholverbot verstoßen. Die
seitens der Beklagten aufgeführten Flugsicherheitsmitteilungen
erwüchsen nicht "in Gesetzeskraft", sondern seien
unverbindliche Empfehlungen, die weder ausdrücklich noch
konkludent Bestandteile des Arbeitsvertrages der Parteien
geworden seien. Er habe insbesondere auch nicht gegen die
Regelung Ziff. 3.2.7 des Flugbetriebshandbuchs der Beklagten vom
1. Juni 1992 verstoßen, denn darin sei der "Konsum von
Rauschmitteln (inkl. Wein und Bier) während des Dienstes"
untersagt. Nach seiner Landung in Nizza am 19. Juni 1995, 16.54
Uhr, sei jedoch seine Dienstzeit beendet gewesen;
Bereitschaftsdienst habe nicht mehr bestanden. Der Rückflug sei
für den 20. Juni 1995, 17.00 Uhr, verabredet gewesen. Da
zwischen Ankunft und Abflug eine Ruhezeit von 24 Stunden gelegen
habe, die "weder Dienstzeit im Sinne der
arbeitsvertraglichen Vereinbarung, noch Bereitschaftsdienst
(gewesen sei, habe er) im gebotenen Umfang Alkohol zu sich
nehmen" dürfen. Er habe auf dem Weg zum Abendessen mit der
Copilotin auch nicht an einer "zweiten Bar zwei Gläser Bier
zu sich genommen und eine Flasche Rotwein bis auf ein Glas allein
getrunken und schließlich bis auf einen Rest von ca. 10 bis 20 %
in der Flasche noch Champagner zu sich genommen. Der gemeinsam
mit der Zeugin - vorgenommene Alkoholgenuß (habe) seine
"Flugtüchtigkeit" nicht beeinträchtigt".
Dies habe auch die Copilotin so gesehen, denn sie habe gegen den
Flug unter seiner Leitung als Flugkapitän weder vor noch
während noch unmittelbar nach der Landung
"Gegenvorstellungen" erhoben. Die Beklagte trage selbst
vor, sie habe erst am 3. Juli 1995 Kenntnis von seinem
angeblichen Pflichtverstoß erlangt. An den "angeblich
gravierenden Alkoholverstößen" sei deshalb "nichts
dran, denn die Zeugin habe diesen gravierenden Alkoholverstoß
"ersichtlich nicht für umgehend erwähnenswert gehalten,
sondern davon erst nach ca. 14 Tagen ihre Geschäftsleitung in
Kenntnis gesetzt". "Wäre (seine) Flugtüchtigkeit
beeinträchtigt gewesen, hätte (sie) zum einen darauf
pflichtgemäß sofort hinweisen müssen, jedenfalls aber zum
anderen die Geschäftsleitung der Beklagten über die behaupteten
Mißstände informiert".
Er sei gegenüber der Copilotin weder während des gemeinsamen
Abendessens am 19. Juni 1993 noch auf dem Nachhauseweg verbal
oder tätlich zudringlich geworden, habe sie insbesondere nicht
sexuell belästigt. Der Sachvortrag der Beklagten insoweit sei zu
unsubstantiiert.
Die Copilotin habe ihren Arbeitsvertrag mit der Beklagten
gekündigt, weil ihre Flugzeiten mit ihren privaten Vorhaben
nicht in Übereinstimmung zu bringen gewesen seien. Sie habe vor
ihrem Ausscheiden noch gesagt:
"Jetzt ist Schluß, aber bevor ich gehe, mache ich noch
einen Kapitän
fertig".
Der Ausspruch der fristlosen Kündigung sei der untaugliche
Versuch der Beklagten, einen ihrer mißliebigen Angestellten
loszuwerden. Sie rationalisiere und habe in der letzten
Betriebsversammlung "vor versammelter Mannschaft über den
Kläger erklärt, dieser sei alt genug, er möge jetzt in den
Vorruhestand gehen".
Die Beklagte sei darüberhinaus verpflichtet, ihn zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen und ihm sein Gehalt innerhalb der Kündigungsfrist (August und September 1995) zu zahlen.
Die Beklagte hat dem entgegengehalten, bereits die
außerordentliche Kündigung habe das Arbeitsverhältnis beendet,
weil dafür ein wichtiger Grund vorgelegen habe. Die zweiwöchige
Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei deshalb eingehalten
worden, weil sie erst am 3. Juli 1995 von der Copilotin
entsprechend informiert worden sei. Der Kläger sei dadurch, daß
er am 19. Juni 1995 nach der Landung drei bis vier 0,4 cl-Becher
Whisky ohne Verdünnung und auf dem Weg zum mit der Copilotin
verabredeten Abendessen in einer Bar zwei Gläser (ca. 0,2 cl)
Sekt oder Champagner und in einer weiteren Bar zwei Gläser Bier
(ca. 0,33 1) und gelegentlich dieses Abendessens bis auf 1 Glas
(das die Copilotin getrunken habe) eine Flasche Rotwein und
anschließend bis auf einen "Rest von ca. 10 oder 20 %"
und einem halben Glas, das die Copilotin trank, eine Flasche
Champagner (0,7 l) zu sich genommen habe, am nächsten Morgen und
bis in den Nachmittag hinein fluguntauglich gewesen; jedenfalls
sei seine Flugtauglichkeit erheblich beeinträchtigt gewesen. Er
habe dadurch gegen das bei ihr während des Dienstes bestehende
Alkoholverbot verstoßen. Während eines Einsatzes außerhalb des
Heimatortes befinde sich ein Besatzungsmitglied permanent im
Dienst. Er habe daher unter Abzug der gesetzlichen Ruhezeiten
damit rechnen müssen, am nächsten Morgen ab 6 Uhr wieder
eingesetzt zu werden.
Da er mit Schreiben vom 20. Oktober 1993 bereits einmal wegen
Alkoholmißbrauchs abgemahnt worden sei, stelle bereits dieser
neuerliche Fall der Verletzung seiner arbeitsvertraglichen
Pflichten einen wichtigen Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB dar.
Hier komme noch hinzu, daß er seine Copilotin während des
gemeinsamen Abendessens am 19. Juni 1995 verbal und danach verbal
und tatsächlich sexuell belästigt habe. Der Kläger versuche
die Copilotin als Zeugin unglaubwürdig zu machen, indem er ihr
ein Motiv für ihre Aussage unterstelle, nämlich ihm Schaden
zufügen zu wollen, was bei ihr tatsächlich nicht vorhanden
gewesen sei. Welchen Grund sollte sie dafür haben, da sie
bereits entschlossen gewesen sei, ihr Arbeitsverhältnis bei ihr,
der Beklagten, zu kündigen.
Die Darstellung des Klägers, ihr "Geschäftsführer ...
hätte bewußt an (seine) Person ... gerichtet, davon gesprochen,
aufgrund seines Alters solle er in den Vorruhestand gehen"
sei unrichtig. Richtig sei dagegen, daß allgemein über die
Altersstruktur ihrer Flugkapitäne gesprochen worden sei und ihr
Geschäftsführer darauf hingewiesen habe, mittelfristig
jüngeren Nachwuchs an eigenen Copiloten heranzuziehen.
Das Verhalten des Klägers rechtfertige zumindest die ihm
gegenüber ausgesprochene ordentliche Kündigung.
Da bereits die außerordentliche Kündigung das
Arbeitsverhältnis beendet habe, stehe dem Kläger für die
Monate August und September 1995 auch kein Gehaltsanspruch aus
dem Rechtsgrund des Verzuges zu. Aus den gleichen Gründen
bestehe auch der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch
nicht.
Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 30. Oktober 1995, das der Beklagten am 9. November 1995 zugestellt worden ist, der Klage im wesentlichen entsprochen und sie nur insoweit abgewiesen, als der Weiterbeschäftigungsanspruch bereits vor der Urteilsverkündung verlangt werde. Auf die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen und angestellten rechtlichen Erwägungen wird verwiesen.
Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung ist am Landesarbeitsgericht am 30. November 1995 eingegangen und mit hier am Montag, den 2. Januar 1995, eingegangenem Schriftsatz begründet worden.
Sie hält ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und ihre
entsprechenden rechtlichen Wertungen aufrecht und vertieft sie.
Dabei hebt sie hervor, daß der Kläger bei seinem Flugeinsatz
München-Nizza-München einen Fluggast befördert habe, der als
Dauerkunde dafür bekannt gewesen sei, daß es zu kurzfristigen
Änderungen der geplanten Abflugszeiten kommen könne, "daß
gegebenenfalls bei einem ursprünglich für den Nachmittag
angesagten Rückflug, dieser bereits auf den frühen Vormittag
oder schlimmstenfalls sogar auf den gleichen Abend vorverlegt
werden könnte". Wenn er unter diesen Umständen Alkohol zu
sich genommen habe, rechtfertige dies die ausgesprochene
außerordentliche Kündigung, jedenfalls aber die ordentliche
Kündigung. Der Kläger gehöre als Berufsflugzeugführer einer
Arbeitnehmergruppe an, bei der eine Abmahnung wegen
Alkoholkonsums entbehrlich sei. Er habe sich der besonderen
Gefahren bewußt sein müssen, die mit Alkoholkonsum im Zuge
eines Einsatzes verbunden seien. Durch sein Verhalten habe er
gegen § 1 Abs. 3 LuftVO verstoßen. So habe das
Luftfahrtbundesamt, die Aufsichtsbehörde für
Luftfahrtunternehmen und Berufsluftfahrzeugführer in ihren
"Nachrichten für Luftverkehr (NfL)" vom 15. Februar
1972 unter dem Stichwort: "Alkoholgenuß und
Flugbetrieb" eine Flugsicherheitsmitteilung herausgegeben,
daß 24 Stunden vor Antritt des Fluges ein Mitglied der
Flugbesatzung keinen Alkohol zu sich nehmen dürfe.
Der Kläger habe aufgrund der ihm bereits erteilten Abmahnung vom
20. Oktober 1993, die den insoweit von der Rechtsprechung
aufgestellten Anforderungen entspreche und noch nicht verwirkt
gewesen sei, darüber hinaus gewußt, daß sein Alkoholkonsum
während eines Flugauftrags nicht geduldet werde. Das Verhalten
des Flugkapitäns, an den sie das vom Kläger dem Gericht
vorgelegte Schreiben vom 14. Oktober 1994 gerichtet habe, sei mit
seinem am 19. Juni 1995 nicht vergleichbar. Dieser habe zum einen
von sich aus mitgeteilt, er habe Alkohol getrunken und sich im
übrigen auch nicht im Einsatz befunden, wie er selbst, sondern
in Nachtbereitschaft vor seiner Einteilung.
Im vorliegenden Fall, in dem es "grundsätzlich nicht darum
(ging), nur ein Bierchen oder ein Glas Wein zu sich genommen zu
haben, habe "mit höchster Wahrscheinlichkeit mit einer
Gefährdung von Leib und Leben im Falle eines Flugeinsatzes
gerechnet werden müssen".
Das Arbeitsgericht habe ohne überzeugende Begründung für das
vom Kläger gezeigte Verhalten einer sexuellen Belästigung der
ihm unterstellten Copilotin eine vorherige Abmahnung verlangt.
Der Kläger habe schließlich in seinen Zudringlichkeiten erst
nach wiederholter Abwehr der Copilotin nachgelassen.
Da eine den Betriebszwecken dienende weitere Zusammenarbeit mit
dem Kläger nicht erwartet werden könne, werde vorsorglich auch
die Auflösung des Arbeitsverhältnisses verlangt. Dieser Antrag
bedürfe keiner Begründung gem. § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG i. V.
mit § 25 Abs. 5 KSchG. Allerdings lägen die Voraussetzungen des
§ 9 Abs. 1 S. 2 KSchG vor, weil ihr Vertrauen in den Kläger
durch sein Verhalten endgültig zerstört sei.
Die Beklagte stellt daher folgende Anträge:
Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 30. Oktober 1995 -
Gz.: 22 Ca
11346/95 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen.
Hilfsweise werde beantragt:
Das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung, die in
das
Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 24.000,-- DM nicht
überschreiten
sollte, aufgelöst.
Der Kläger beantragt:
Die Berufung und der Eventualantrag nach § 8 KSchG wird
zurückgewiesen.
Er hält das angegriffene Urteil für richtig.
Auch er erweitert und vertieft seinen erstinstanzlichen
Sachvortrag, er weist insoweit darauf hin, er habe sich beim
Fluggast selbst, als er diesen am 19. Juni 1995 nach der Landung
in Nizza zum Abholfahrzeug gebracht habe, noch einmal die
vorgebuchte Abflugzeit 17.00 Uhr des Folgetages bestätigen
lassen und in seiner Gegenwart "den Agenten der Beklagten,
der das Abholfahrzeug fuhr, dahingehend (befragt), ob eine den
Abflugzeitpunkt ändernde Nachricht der Beklagten vorläge",
was nicht der Fall gewesen sei. Anschließend sei er noch einmal
zum Büro des Agenten gefahren, um sich zu erkundigen, ob etwaige
- gegebenenfalls flugändernde - Nachrichten vorlägen, was
verneint worden sei. Schließlich habe er sich vor Verlassen des
Hotels zum mit der Copilotin verabredeten Abendessen noch an der
Hotelrezeption erkundigt, ob gegebenenfalls geänderte
Abflugszeiten vorlägen, was ebenfalls verneint worden sei.
Die Beklagte habe im übrigen durchaus Alkoholkonsum geduldet,
was dadurch bewiesen werde, daß sie die Copilotin nicht einmal
deshalb abgemahnt habe. Außerdem habe sie, wie aus ihrem zu den
Gerichtsakten gegebenen Schreiben vom 14. Oktober 1994
ersichtlich sei, auch einen anderen Flugkapitän deshalb nicht
einmal abgemahnt.
Was die behauptete sexuelle Belästigung der Copilotin anbelange,
sei noch einmal klarzustellen, daß es dazu nicht gekommen sei,
weil es über einen "Brüderschaftskuss aus Anlaß der
Klärung dienstlicher Mißhelligkeit" hinaus zu keinem
Kontakt zu ihr gekommen sei. Er verfüge über einen
einwandfreien Leumund.
Zum Auflösungsantrag der Beklagten verweise er auf § 25 Abs. 5 KSchG, wonach der Kündigungsschutz des ersten Abschnittes dieses Gesetzes abweichend auch für Kapitäne von Luftfahrzeugen gelte.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die Gerichtsprotokolle, die gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt beider Rechtszüge verwiesen. Insbesondere ist klarzustellen, daß die Parteien nach ihren Erklärungen in der Berufungsverhandlung nicht mehr über die erstinstanzlich noch entschiedene Kündigung vom 6. Juli 1995 streiten. Der Prozeßvertreter des Klägers hat in der Berufungsverhandlung - nach Stellung der Anträge - erklärt, "er trete nunmehr für den Kläger nicht mehr auf."
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und insoweit begründet, als die am 11. Juli 1995 ausgesprochene ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 30. September 1995 aufgelöst hat sowie, daß die Beklagte nicht verpflichtet ist, den Kläger weiterzubeschäftigen. Insoweit ist die Klage unbegründet und daher abzuweisen. Im übrigen, soweit es um die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom selben Tag und die Verpflichtung zur Zahlung des Gehalts an den Kläger für die Monate August und September 1995 geht, ist die Berufung unbegründet und daher zurückzuweisen.
Es ist trotz der Erklärung des Klägervertreters in der mündlichen Berufungsverhandlung nach Stellung der Anträge und anschließender Verhandlung, "er trete nunmehr für den Kläger nicht mehr auf" durch kontradiktorisches Urteil zu entscheiden, nicht durch Versäumnisurteil, denn sie führte nicht zur Säumnis seiner Partei. Auf § 334 ZPO wird verwiesen. Die Antragstellung und das Verhandeln zur Hauptsache zu Beginn der mündlichen Verhandlung wirken nämlich fort (BGH vom 9.10.1994 - VIII ZR 215/73 - BGHZ 63/94 ff.).
I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft, denn sie richtet sich gegen ein
arbeitsgerichtliches Endurteil und der Wert des
Beschwerdegegenstandes übersteigt DM 800,-- (§ 64 Abs. 1 und 2
ArbGG).
Sie ist auch in der richtigen Form und Frist eingelegt und
begründet worden (§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 518, 519 Abs. 2
S. 1 und Abs. 3 sowie 222 Abs. 2 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG).
II.
1. Die Berufung ist insoweit begründet, als das
Arbeitsgericht erkannt hat, daß die außerordentliche Kündigung
mit Schreiben vom 11. Juli
1995 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Die Tatsache,
daß die Beklagte dem Kläger eine soziale Auslauffrist bis 30.
Juli 1995
gewährt hat, steht der Qualifikation der angegriffenen
Kündigung als außerordentlicher nicht entgegen. Gem. § 626
Abs. 1 BGB kann die
Arbeitgeberin zwar eine außerordentliche Kündigung als
fristlose aussprechen, sie ist aber auch berechtigt, aus
wichtigem Grund mit
einer Frist zu kündigen, die der gesetzlichen oder vereinbarten
Kündigungsfrist nicht zu entsprechen braucht (BAG vom 8. Oktober
1957
- 3 AZR 136/55 - AP Nr. 16 zu § 626 BGB).
Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis nur aus
einem wichtigen Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist
gekündigt werden und zwar innerhalb zwei Wochen ab Kenntnis des
Kündigungsberechtigten von den für die Kündigung maßgebenden
Tatsachen (§ 626 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB). An einem solchen
wichtigen Grund fehlt es hier, so daß es darauf, ob die
zweiwöchige Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB
eingehalten wurde, gar nicht mehr ankommt. Im einzelnen gilt:
1.1 Ein wichtiger Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB ist anzunehmen,
wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller
Umstände des
Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider
Vertragsteile dem Kündigenden die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses unzumutbar
machen. Dabei kommt es darauf an, ob die Tatsachen überhaupt
geeignet sind, einen wichtigen Grund zu bilden und im Rahmen
einer
Zumutbarkeitsprüfung alle Umstände des Einzelfalles bei der
Interessenabwägung berücksichtigt und gewürdigt worden sind.
Eine
außerordentliche Kündigung ist die ultima ratio; sie ist nur
zulässig, wenn die Kündigungstatsachen das Arbeitsverhältnis
unzumutbar belasten.
Sie kommt also nur in Betracht, wenn mildere Mittel wie eine
ordentliche Kündigung, Änderungskündigung, Versetzung,
Abmahnung oder Betriebsbuße nicht mehr genügen (BAG vom 30. Mai
1978 - 2 AZR 630/76 - AP Nr. 70 zu § 626 BGB).
1.2 Diese Voraussetzungen erfüllt das Verhalten des Klägers
hier nicht. Allerdings ist der Konsum von Alkohol im unstreitigen
Umfang durch den
Kläger während der Dauer seines Einsatzes im Zuge des
Flugauftrages München-Nizza-München vom 19./ 20. Juni 1995 nach
der Landung durchaus
geeignet, einen wichtigen Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden.
Sein Verhalten gegenüber der Copilotin rechtfertigt diese
Annahme jedoch nicht.
1.2.1 Sein Verhalten im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum
belastet das Arbeitsverhältnis sehr schwer, insbesondere auch
unter Berücksichtigung der ihm mit Schreiben der Beklagten vom
20. Oktober 1993 ausgesprochenen Abmahnung. Dennoch ist die
Berufungskammer unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalles und der Tatsache, daß eine außerordentliche
Kündigung die ultima ratio sein muß sowie der Abwägung der
beiderseitigen Interessen zur Überzeugung gelangt, es sei der
Beklagten nicht unzumutbar, die ordentliche Kündigungsfrist
einzuhalten. Im einzelnen gilt:
Was die Qualifikation des Alkoholkonsums des Klägers nach der
Landung am 19. Juni 1995 in Nizza als Tatsache, die überhaupt
geeignet ist, für die Annahme eines wichtigen Grundes
herangezogen zu werden, anbelangt, gilt folgendes:
Für das Arbeitsverhältnis gelten die Regeln des
Flugbetriebshandbuchs der Beklagten vom 1. Juni 1992 und damit
auch die Regeln dessen Kapitel 4 Abs. 3.2.7. Nach dessen Nr. 2
ist den Crew-Mitgliedern jeglicher Konsum von Rauschmitteln
(inkl. Wein und Bier) während des Dienstes untersagt, was den
Konsum alkoholischer Getränke während der Mahlzeiten
einschließt.
Nach seiner Nr. 1 dürfen Crew-Mitglieder bei Flugantritt nicht
unter Einfluß von Rausch-, Betäubungsmitteln oder Drogen stehen
und nach Nr. 3 sollten Betäubungsmittel nie zu sich genommen
werden, mit der dort genannten Ausnahme der ärztlichen Kontrolle
und außerhalb der Dienstzeit. Diese Formulierungen zeigen
beinahe typisch die Probleme, die immer dann entstehen, wenn
versucht wird, eine möglichst genaue Regelung festzulegen,
nämlich einerseits in Nr. 1 das Nebeneinander von untersagtem
Konsum von Rausch-, Betäubungsmitteln oder Drogen bei
Flugantritt, ohne daß die "Rauschmittel" näher
definiert werden und das Verbot jeglichen Konsums allein von
Rauschmitteln und deren Konkretisierung im Klammerzusatz
"(inkl. Wein und Bier)" während des Dienstes in Nr. 2
und schließlich der Appell, nie (mit gewissen Ausnahmen) - nur -
noch - Betäubungsmittel zu sich zu nehmen. Daraus kann jedoch
nicht der Schluß gezogen werden, Crew-Mitglieder, wozu auch der
Kläger gehört, dürften nur in der Zeit ihres tatsächlichen
fliegerischen Einsatzes vom Start bis zur Landung keine
Rauschmittel (inkl. Wein und Bier) konsumieren, wohl aber danach,
z. B. in der Zeit außerhalb dieses Zeitraums, aber durchaus noch
im Rahmen eines arbeitsvertraglichen Einsatzes, z. B. nach der
Landung in Nizza am 19. Juni 1995 bis zum Start am Folgetag.
Die entsprechende Regelung des Flugbetriebshandbuchs der
Beklagten ist nämlich auszulegen. Gem. § 133 BGB ist bei der
Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille zu
erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdruckes zu
haften und gem. § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu
und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Nach diesen Kriterien scheidet eine Beschränkung des Verbots des
Alkoholkonsums auf die Zeit des reinen fliegerischen Einsatzes
des Klägers vom Start bis zur Landung als dort genannter
"Dienstzeit" im Sinne des § 3.2.7 Nr. 2 des erwähnten
Flugbetriebshandbuchs aus. Dies kann zwar nicht daraus
geschlossen werden, daß nach der "Bemerkung" zu dieser
Regelung davon der "Konsum alkoholischer Getränke während
der Mahlzeiten" eingeschlossen werde, denn Mahlzeiten von
Flugpersonal können auch während des Fluges selbst eingenommen
werden. Dies ist nicht nur gerichts- sondern allgemeinbekannt.
Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr zum einen, daß die
Tätigkeit eines Flugkapitäns vom Start bis zur Landung auch
durch vor dem Start konsumierten Alkohol beeinträchtigt werden
kann und zu einer nicht hinzunehmenden Gefahr für sämtliche am
Flug selbst beteiligten, aber auch andere Personen werden kann.
Das kommt in aller Deutlichkeit in § 1 Abs. 3 LuftVO zum
Ausdruck, wonach derjenige, welcher "infolge des Genusses
alkoholischer Getränke ... in der Wahrnehmung der Aufgaben als
Führer eines Luftfahrzeuges ... behindert ist, ... kein
Luftfahrzeug führen darf". Nach Giemulla/Schmid (LuftVO §
1 Rdn. 14) erfordert das Führen eines Luftfahrzeuges "nicht
nur bei Start und Landung, sondern auch während des Fluges
ungleich höhere Aufmerksamkeit als das Führen eines
Kraftfahrzeuges. Erhöhte Anforderungen ergeben sich aus dem
Verarbeiten sämtlicher Sinneseindrücke, der Koordination von
Steuerbewegungen in mehreren Achsen, Interpretation von
Instrumenten, terrestrische Navigation, Führen des
Sprechfunkverkehrs etc.. Aus diesem Grund ist die vollständige
Leistungsfähigkeit des Luftfahrzeugführers unabdingbar.
Dies kann durch Alkohol ... eingeschränkt sein. Abgesehen davon,
daß Alkohol ohnehin die Leistungsfähigkeit einschränkt, kommt
beim Fliegen hinzu, daß bei einem Aufenthalt mit zunehmender
Höhe wegen des nachlassenden Drucks und der verringerten
Luftdichte die Wirkungen deutlicher werden." Deshalb sind
"nach Erkenntnissen der internationalen Flugmedizin ... bei
einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promill bereits meßbare,
bei 0,35 Promill eine deutliche Leistungsbeeinträchtigung
festzustellen (relative Fluguntauglichkeit). Bei 0,5 Promill ist
bereits eine absolute Fluguntauglichkeit anzunehmen (mit
zahlreichen Nachweisen). Die Abbauphase muß mit ca. 0,5 Promill
BAK in 12 Stunden, 1,2 Promill BAK in 24 Stunden veranschlagt
werden."
Ob und gegebenenfalls wann die Abbauphase für Alkohol im Blut
tatsächlich im Einzelfall beendet ist, kann dabei dahinstehen
und bedurfte im hier zu entscheidenden Fall keines
Sachverständigengutachtens. Angesichts der besonderen Gefahren
im Zusammenhang mit dem Führen von Luftfahrzeugen muß nämlich
nach Giemulla/Schmid (a. a. O., § 1 Rdn. 14) und Graumann (DDB,
Erl. zu § 1 LuftVO) "als Grundsatz ... gelten, daß 24
Stunden vor Antritt eines Fluges ein Mitglied der Besatzung
keinen Alkohol zu sich nehmen darf". der Direktor des
Luftfahrt- Bundesamtes, hat in den "Nachrichten für
Luftfahrer Teil II vom 2. März 1972 unter Nfl. 2-15/72
ausgeführt: "Nach Genuß alkoholischer Getränke ... sollte
jeder Luftfahrer zumindest eine fliegerische Sperrfrist von 24
Stunden einhalten. Bei fliegerischer Tätigkeit über mehrere
Tage hinweg (...) sollte auf jeglichen Alkoholgenuß verzichtet
werden". Ob diese Beiträge nur als Empfehlungen zu
qualifizieren sind, wie der Kläger dies annimmt, kann allerdings
genauso dahinstehen, wie die Frage ihrer Richtigkeit. Aus der
Gesamtregelung des Kapitel 4 Abs. 3.2.7 des Flugbetriebshandbuchs
der Beklagten läßt sich nämlich für jedermann - auch den
Kläger - erkennen, daß die Beklagte an einer umfassenden
Sicherung ihres Beitrags zum Luftverkehr interessiert ist und
nicht, gerade im Hinblick auf den Konsum von Alkohol durch
Besatzungsmitglieder vor einem Flug von z. B. "seitens eines
Direktors des Luftfahrt-Bundesamtes (vgl. die Nachrichten für
Luftfahrer vom 2. März 1972) oder namhafter Fachautoren
ausgesprochenen "Empfehlungen" abweichen wollte.
Immerhin handelte es sich beim Luftfahrt-Bundesamt um eine
Aufsichtsbehörde, die auch die Beklagte kontrolliert und von der
sie bei etwaigen Verstößen mit Sanktionen zu rechnen hat und
der entsprechende Appell ist nicht nur an sie, sondern
gleichermaßen an Luftfahrer wie den Kläger gerichtet. Dies gilt
insbesondere auch angesichts der auch und gerade ihm als einem
Berufsflugzeugführer bekannt seienden Gefahren im Flugverkehr im
Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol und der Aufmerksamkeit,
die dadurch verursachte eventuelle Unfälle durch eine breite
Öffentlichkeit zuteil wird, was insbesondere seiner
Arbeitgeberin in geschäftlicher Hinsicht erheblich schaden kann.
Daß die Beklagte durch die erwähnte Regelung in ihrem
Flugbetriebshandbuch jegliches Risiko im Zusammenhang mit dem
Konsum von Alkohol, auch außerhalb des Flugeinsatzes vom Start
bis zur Landung, ausschließen wollte, erhellt letztlich gerade
aus ihrem vom Kläger selbst vorgelegten Schreiben vom 14.
Oktober 1994, worin ein anderer Flugkapitän darauf verwiesen
wurde, daß er "grundsätzlich gesetzlich verpflichtet sei,
als Flugzeugführer 24 Stunden vor einem Flugeinsatz keinen
Alkohol mehr zu sich zu nehmen". Es ist daher davon
auszugehen, daß der Kläger das Alkoholverbot gemäß Kapitel 4
Abs. 7.2.3 des Luftbetriebshandbuchs der Beklagten auch so
verstanden hat, daß 24 Stunden vor einem Flug i. S. vom Start
bis zur Landung ein absolutes Alkoholverbot bestand.
Auch die ihm erteilte Abmahnung vom 20. Oktober 1993 mußte
ihn erkennen lassen, daß die Beklagte im Hinblick auf Alkohol
nicht bereit war, Arbeitspflichtverletzungen während eines
Einsatzes, auch wenn es dabei nicht um die Zeit vom Start bis zur
Landung ging, hinzunehmen. Die Berufungskammer vermag sich der
Wertung des angegriffenen Urteils nicht anzuschließen, die
Abmahnung habe den Eindruck erweckt, daß ein absolutes
Alkoholverbot während des gesamten Verlaufs der Dienstreise, um
die es bei der Abmahnung vom 20. Oktober 1992 ging, von der
Beklagten gar nicht gewollt oder zwar ausgesprochen, aber nicht
wirklich erst gewesen sei (vgl. dazu noch 1.2.2).
Da schließlich nach ihren Erklärungen in der
Berufungsverhandlung zwischen den Parteien unstreitig ist, daß
ein Pilot wie der Kläger durchaus bei einem Einsatz, der sich
über mehrere Tage hinweg erstreckt, sich in Bereitschaft halten
muß um für etwaige Nachrichten oder Anweisungen der Beklagten
zur Verfügung zu stehen, wobei es sich sowohl um Änderungen des
Flugeinsatzes, als auch um Probleme im Zusammenhang mit dem
Flugzeug auf dem jeweiligen Flughafen selbst handeln kann,
Piloten sogar über ein sogenanntes Handy seitens der Beklagten
erreichbar sein müßten, ist davon auszugehen, daß er durchaus
den erhöhten Stellenwert seiner Verfügbarkeit für die Beklagte
oder den jeweiligen Fluggast während eines zweitägigen
Einsatzes im Ausland, wie z. B. in Nizza am 19./20. Juni 1995
kannte. Daran ändert es auch nichts, daß er sich für die ganze
Zeit seines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten nur an einen
einzigen Fall erinnerte, in dem er nach einem z. T. bereits
erledigten sogenannten Ersteinsatz noch anders eingesetzt worden
sei, weshalb ihm derartige eventuelle Umdispositionen der
Beklagten als Ausnahmefall erschienen seien. Letztlich widerlegt
er sich durch seinen eigenen - allerdings von der Beklagten
bestrittenen - Sachvortrag, er habe sich am 19. Juni 1995 in
Nizza, nach der Landung, zweimal bei seinem Fluggast, zweimal bei
dem Agenten der Beklagten und einmal an der Hotelrezeption über
die vorgesehene Rückflugzeit bzw. etwaige Anweisungen der
Beklagten erkundigt. Behauptet er derartige Aktivitäten, deutet
dies klar darauf hin, daß er, um seine Verfügbarkeit für die
Beklagte und seinen Fluggast für die Zeit nach der Landung und
vor dem nächsten Start wußte.
Sein zugestandener Alkoholkonsum von ursprünglich drei - in der
Berufungsverhandlung dann reduziert auf zwei - Probierfläschchen
Whisky, ein Glas Sekt, eine hälftig geleerte Flasche Rotwein
sowie die Hälfte von zwei Drittel von 0,7 1 Champagner stellen
entgegen seiner eigenen Auffassung einen so eklatanten Verstoß
gegen das für ihn geltende Alkoholverbot während eines
zweitägigen Einsatzes im Rahmen eines Flugauftrages im Ausland -
auch zwischen Landung und Start - dar, daß darin ein Verhalten
liegt, das an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine
außerordentliche Kündigung zu bilden. 1.2.2 Entgegen der
Auffassung des Erstgerichtes erfüllt das Schreiben der Beklagten
vom 20. Oktober 1992 auch die Anforderungen an eine von der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei verhaltensbedingten
Kündigungen regelmäßig geforderte einschlägige Abmahnung
wegen Alkoholkonsums und hat darüberhinaus ihre Wirkung zum
Zeitpunkt der ausgesprochenen Kündigung noch nicht verloren. Der
Alkoholkonsum des Klägers bei seinem Einsatz im Jahre 1993 wird
in dieser Abmahnung "nicht nur am Rande" erwähnt. Aus
der Formulierung "so sollen Sie unter anderem unter
Alkoholeinfluß, der das übliche Maß überstiegen haben soll,
über unsere Gesellschaft negativ geäußert haben", kann
nicht geschlossen werden, diese Abmahnung habe bei ihm den
Eindruck erweckt oder erwecken können, daß ein absolutes
Alkoholverbot während des gesamten Verlaufs der Dienstreise von
der Beklagten gar nicht gewollt oder, zwar ausgesprochen aber
nicht wirklich ernst genommen werde. In dieser Abmahnung sind
auch die Folgen dieses Alkoholkonsums angesprochen worden, wenn
es darin heißt, daß er "als Folge dieses gelinde genannten
"Ausfalls" ... am folgenden Tag nicht in der Lage (war,
seinen) Copiloten und (...) bei der Arrangierung der notwendigen
Vorbereitungen für die notwendige technische Maßnahme zu
unterstützen." Zudem sei beim Kunden negativ aufgefallen,
daß er am Abend vor dem Abflug noch gegen 22.00 Uhr Alkohol zu
sich genommen haben solle. Der Kläger ist in diesem Schreiben
darauf hingewiesen worden, "daß der gesamte oben
geschilderte Sachverhalt gerade in der heutigen Zeit nicht
geeignet ist, einen bestehenden Kunden auch in der Zukunft zu
motivieren, unsere Dienste in Anspruch zu nehmen".
Bereits der Hinweis auf den "gesamten oben geschilderten
Sachverhalt" genügt, um den Anforderungen an die für eine
Abmahnung geforderte Rüge der Verletzung seiner
arbeitsvertraglichen Pflichten infolge Alkoholkonsums für ihn
deutlich zu machen und rechtfertigt nicht, daraus zu schließen,
es komme dabei auch auf den Umfang des Alkoholkonsums in einem
Maße, wie demjenigen während des Flugauftrags vom 19./20. Juni
1995 an. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 20. Oktober 1992
konnte und mußte der Kläger mit der geforderten Deutlichkeit
nämlich entnehmen, daß es der Beklagten zwar um ihr Ansehen bei
gegenwärtigen und künftigen Kunden, aber auch und in gleichem
Maße um seine sonstige Verfügbarkeit im Zuge eines
Flugauftrages ging, wobei beides durch Alkoholkonsum in dem von
ihm am 19. Juni 1995 zugestandenen Ausmaß gefährdet gewesen
sein könnte, unabhängig davon, ob er beim vereinbarten Start um
17.00 Uhr voll flugtauglich war. Die Abmahnung in diesem
Schreiben endet nämlich mit dem Satz, daß es an ihm liege,
ihrem Unternehmen nach wie vor "loyal zur Verfügung zu
stehen und stets im Kundeninteresse (seine) gegenüber (ihr)
bestehenden Arbeitspflicht (zu) erfüllen". Gerade auch
dieser Appell an seine arbeitsvertraglichen Pflichten ihr
gegenüber konnte der Kläger nicht zu seinen Gunsten dahin
verstehen, daß er Alkohol des Ausmaßes wie am 19. Juni 1995
konsumieren durfte, solange dies zum einen der Kunde nicht
bemerkte und er selbst versucht hatte, sich zu versichern, daß
sein nächster fliegerischer Einsatz für diesen Kunden vom Start
bis zur Landung erst am Folgetag um 17.00 Uhr stattfinden sollte.
Immerhin war eine entsprechende Umdisposition im Sinne eines
früheren Rückflugs durch diesen Kunden, von dem, wie von der
Beklagten unwidersprochen vorgetragen, und damit zugestanden
(gem. § 138 Abs. 3 ZPO) bekannt war, daß es zu kurzfristigen
Änderungen der geplanten Abflugszeiten kommen konnte, möglich
und darüberhinaus, davon unabhängig auch ein etwaiger Einsatz
durch die Beklagte, nicht ausgeschlossen. Auch, daß alleine
durch die Beklagte verursachte entsprechende Umdispositionen bei
ihm in der Vergangenheit den absoluten Ausnahmefall gebildet
hatten, wie er in der Berufungsverhandlung vortrug, vermag ihn
insoweit nicht zu entlasten.
1.3 Was das Verhalten des Klägers am 19. Juni 1995 gegenüber
der Copilotin anbelangt, so ist im Hinblick auf dessen
grundsätzliche
Geeignetheit, einen wichtigen Grund i. S. des § 626 Abs. 1 BGB
zu bilden, zu differenzieren zwischen der behaupteten sexuellen
Belästigung und seinen Verpflichtungen als deren Vorgesetzter
auch im Hinblick auf die Einhaltung des Alkoholverbotes durch sie
selbst.
1.3.1 Die von der Beklagten behaupteten Zudringlichkeiten des
Klägers, die dieser bestreitet, erfüllen diese Voraussetzungen
nicht. Unstreitig sollen sie während eines verabredeten
Abendessens und danach auf dem Weg zurück zum Hotel verbal und
tätlich dergestalt erfolgt sein, daß der Kläger seiner
Copilotin gegenüber auf seinen Versuch, sie zu küssen und zu
umarmen, gesagt haben soll: "Ach komm schon, du alter
Feigling, du traust dich ja bloß nicht". Der Copilotin sei
es auf ihre Frage, wie er dazu stehen würde, erführe er von
einem solchen Sachverhalt unter Beteiligung seiner Töchter,
gelungen, ihn von seinen Zudringlichkeiten langsam abzubringen.
Selbst wenn dieser Sachvortrag als wahr unterstellt würde,
ist er noch nicht grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund
gem. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Das gilt auch angesichts der
Regelung des Beschäftigtenschutzgesetzes, die es der
Arbeitgeberin nach dessen § 4 Abs. 1 Nr. 1 erlaubt, bei
sexuellen Belästigungen, "die im Einzelfall angemessenen
arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung,
Versetzung oder Kündigung zu ergreifen". Insoweit läßt
der Sachvortrag der Beklagten in seiner Gesamtschau durchaus
erkennen, daß der Kläger offenbar unter Alkohol stand. Weiter
lassen die behauptete Art und das Ausmaß der Zudringlichkeiten
sowie der Erfolg der Begründung der behaupteten Zurückweisung
erkennen, daß deren Intensität auch unter Berücksichtigung der
Tatsache, daß der Gesetzgeber eine bloße Belästigung bereits
sanktioniert und nicht einmal eine Gefährdung verlangt, nicht
als Grund für eine so strenge Maßnahme wie eine
außerordentliche Kündigung geeignet ist. Zwar ist der
Beklagten, wie auch der Copilotin zuzugestehen, daß auch ein
vereinbartes Abendessen zwischen dem Kläger und Frau, auch wenn
sein Zweck war, in der Vergangenheit aufgetretene Spannungen bei
der gemeinsamen Arbeit auszuräumen, keinesfalls die hier dem
Kläger angelastete Verhaltensweise rechtfertigt, doch können
diese Umstände und der Ausgang der ganzen Angelegenheit bei
ihrer Beurteilung als grundsätzlicher Geeignetheit, einen
wichtigen Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden, nicht
unberücksichtigt bleiben. Der Copilotin ist es immerhin
gelungen, den Kläger zur Einsicht zu bringen. Die Tatsache, daß
sie mit Schreiben vom 3. Juli 1995 selbst ihr Arbeitsverhältnis
mit der Beklagten kündigte, kann unter dem Gesichtspunkt, daß
darin die behauptete sexuelle Belästigung durch ihn gar nicht
erwähnt ist, insoweit für deren etwaige grundsätzliche
Geeignetheit, einen entsprechenden wichtigen Grund zu bilden,
nicht herangezogen werden. Außerdem kommt es für diese
Geeignetheit auch nicht auf die subjektive Wertung der
belästigten Person, sondern auf eine objektive Wertung, die zur
Überzeugung der Berufungskammer den hier geforderten Grad noch
nicht erreicht hat, an. Da es sich beim Kläger um einen offenbar
erstmals insoweit aufgetretenen (bestrittenen) Fall handelte,
hätte ein klärendes Gespräch hier wohl genügt.
1.3.2 Was den Alkoholkonsum der Copilotin selbst anbelangt, so
gilt für sie grundsätzlich das gleiche im Hinblick auf ein
arbeitsvertragliches Fehlverhalten, wie für den Kläger und es
wäre an sich gerade an ihm gelegen, dafür zu sorgen, daß auch
sie während des gesamten Flugauftrages vom 19. auf den 20. Juni
1995 keinen Alkohol zu sich nimmt. Insoweit hat er als ihr
Vorgesetzter daher seine Aufsichtspflicht verletzt, ohne daß
dies näher erörtert zu werden braucht, wenngleich ihr
Alkoholkonsum selbst nach seinem eigenen Sachvortrag erheblich
niedriger lag. Zusammen mit seinem eigenen Verhalten insoweit
erweist es sich deshalb als grundsätzlich geeignet, anzuerkennen
einen wichtigen Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden.
1.4 Dennoch war bei Abwägung der beidseitigen Interessen und
aller Umstände des Einzelfalles der Beklagten nicht unzumutbar,
den Kläger noch bis zum Ende der vertraglichen Kündigungszeit
von 6 Wochen zum Quartalsende, die länger und damit günstiger
als die ansonsten zwingend geltende Kündigungsfrist des § 622
Abs. 2 Nr. 1 BGB ist, zu beschäftigen.
Der Kläger vermittelte dem Gericht nämlich den Eindruck, daß
im Hinblick auf den Konsum von Alkohol im Zuge eines
Flugauftrages nach der Landung und dem erneuten Start in der
vereinbarten ordentlichen Kündigungsfrist, die Beklagte durchaus
durch geeignete Maßnahmen Vorsorge hätte treffen können, um
etwaige Gefahren für die allgemeine Sicherheit, die Sicherheit
des Bordpersonals und auch ihre geschäftlichen Interessen
auszuschließen. Dazu hätte zum einen ein ernsthaftes Gespräch
mit ihm beitragen können und zum anderen die Zuordnung insoweit
zuverlässigen, erfahrenen und tatkräftigen sowie
durchsetzungsfähigen Bordpersonals bis hin zu Copiloten, das
entsprechend informiert war sowie seine ständige aufmerksame
Kontrolle und sein ihr durchaus zumutbarer Einsatz im Rahmen
einer für sie relativ leicht zu bewältigenden Reichweite. Das
hätte zwar sicher zu einem erhöhten Aufwand bei ihren
Dispositionen geführt; dennoch darf nicht außer Acht gelassen
werden, daß der Kläger offenbar nicht ständig durch
Alkoholkonsum während seines Einsatzes im Zuge eines
Flugauftrages gefährdet ist und war, wobei die zweimalige
Verletzung seiner diesbezüglichen arbeitsvertraglichen Pflichten
in den drei Jahren seines Arbeitsverhältnisses nicht
herabgewürdigt werden soll und kann. Die ihm bereits erteilte
Abmahnung vom 20. Oktober 1992 steht dem nicht entgegen. Dies
beruht zwar nicht auf dem Zeitablauf von knapp zwei Jahren, denn
das Bundesarbeitsgericht hat sich sowohl in seiner Entscheidung
vom 21. Mai 1987 (2 AZR 313/86 - DB 1987/2367) als auch vom 18.
November 1986 (7 AZR 674/84 - DB 1987/1303) gegen die Anerkennung
einer Regelfrist für die Wirkungslosigkeit von Abmahnungen
ausgesprochen und insoweit gerade auf die Umstände des
Einzelfalles, insbesondere die Art der Verfehlung des
Arbeitnehmers und das Verhalten der Arbeitgeberin im Anschluß an
die Abmahnung abgestellt. Bei den hier dem Kläger angelasteten
Verhaltensweisen handelte es sich jeweils um besondere
Situationen, die nicht symptomatisch für eine
Wiederholungsgefahr während der noch verbleibenden Zeit seines
Einsatzes im Rahmen einer ordentlichen Kündigungsfrist sind.
Immerhin hat die Abmahnung vom 20. Oktober 1993 doch für die
Zeit bis 19. Juni 1995 gefruchtet, wenngleich der neuerliche
Anlaß die Gefährdung des Klägers insoweit durchaus erkennen,
aber auch vorsorglich begrenzen, läßt. Diese Unberechenbarkeit
des Klägers kann von der Beklagten für die vereinbarte
ordentliche Kündigungsfrist durch entsprechende
Vorsorgemaßnahmen, wie geschildert, gesichert werden und ist ihr
damit zumutbar.
2. Da die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich zugleich
unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist fristgemäß
zum 30. September 1995 gekündigt hat, kann die Frage einer
etwaigen Umdeutung der außerordentlichen Kündigung zum 30. Juli
1995 gem. § 140 BGB in eine ordentliche offenbleiben. Diese
ordentliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis des Klägers
zum 30. September 1995 aufgelöst, denn sie war nicht sozial
ungerechtfertigt. Insoweit ist die Berufung deshalb begründet.
Es handelt sich nämlich um eine verhaltensbedingte Kündigung
gem. § 1 Abs. 2 KSchG, dessen allgemeine Voraussetzungen gem. §
1 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 S. 2 - 4 KSchG erfüllt sind.
Das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit seinem
Alkoholgenuß vom 19. Juni 1995 steht seiner Weiterbeschäftigung
bei der Beklagten entgegen. Hinsichtlich der vorliegenden
Arbeitspflichtverletzungen wird insoweit auf oben 1.2 und 1.3.2
verwiesen; dies gilt auch hinsichtlich der Wirkungen der ihm
ausgesprochenen Abmahnung vom 20. Oktober 1993. Der Beklagten ist
es nicht zumutbar, den Kläger über die Zeit der ordentlichen
Kündigungsfrist hinaus weiter zu beschäftigen, in dem sie ihm
nur noch Flugaufträge erteilt, in denen er ständig in ihrer
unproblematischen Reichweite ist, um gegebenenfalls eingreifen zu
können und ihn entsprechend zuverlässiges,
durchsetzungsfähiges Bordpersonal bis hin zu Copiloten zur Seite
zu stellen, um eventuellen neuerlichen unerlaubten Alkoholkonsum
im Zuge eines Flugauftrages zu verhindern. Es kann nämlich nicht
unberücksichtigt bleiben, daß er immerhin der jeweilige
Flugkapitän ist, der gerade für die Einhaltung der Disziplin
insoweit auch gegenüber nachgeordneten Bordmitgliedern
verantwortlich ist, und nicht umgekehrt.
Eine Versetzung oder Umsetzung des Klägers scheidet daher
genauso aus, wie eine etwaige Änderungskündigung, z. B. im
Sinne eines Einsatzes als Copilot. Dadurch wird die bei ihm
auftretende Problematik für die Beklagte letztlich nicht
befriedigend gelöst. Ihr kommt es nämlich darauf an, im
Hinblick auf Alkohol zuverlässiges Personal zum Einsatz zu
bringen und nicht, wie beim Kläger, durchaus damit rechnen zu
müssen, daß es insoweit zu Arbeitspflichtverletzungen kommt.
Er kann dem nicht entgegenhalten, daß die Beklagte in seinem
Verhalten letztlich einen sogenannten vorgeschobenen oder
gesuchten Grund sieht, um eine sozial ungerechtfertigte
betriebsbedingte Kündigung zu kaschieren, weil sie ihm bei einem
vorausgegangenem sogenannten Captains nahegelegt habe, er solle
in den Vorruhestand treten, da personelle Maßnahmen im Hinblick
auf die Verjüngung der Gruppe der Flugkapitäne und eine
eventuelle Rationalisierung anstehe. Welche von grundsätzlich
kündigungsgeeigneten Gründen die Arbeitgeberin letztlich
bestimmt, ist unerheblich, wenn deren Qualifikation ausreicht.
Allein die Tatsache, daß es sich auch um einen sogenannten
vorgeschobenen oder gesuchten Grund handelt, macht diese
Kündigung noch nicht sozial ungerechtfertigt.
Es ist dem Kläger zwar einzuräumen, daß er aufgrund seines
Alters auf dem Arbeitsmarkt nur noch sehr geringe Chancen hat,
eine entsprechende Stelle als Flugkapitän zu finden und ihn
wegen seiner Unterhaltspflichten die Kündigung besonders trifft,
doch vermag sich dies nicht vor dem unzumutbar weit höherem
Risiko der Beklagten zu seinen Gunsten auszuwirken. Besondere
Verdienste um die Beklagte hat er sich, jedenfalls soweit
erkennbar, nicht erworben. Deshalb ist die ihm ausgesprochene
Kündigung zum 30. September 1995 gerechtfertigt und die seitens
der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil insoweit
eingelegte Berufung begründet.
3. Die Berufung ist unter Berücksichtigung der Tatsache, daß
die ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis des Klägers
zum 30. September 1995 aufgelöst hat, auch insoweit begründet,
als die Beklagte zu seiner Weiterbeschäftigung verurteilt worden
ist. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.
Februar 1995 (GS 1/84 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB
Beschäftigungspflicht) besteht für einen Arbeitnehmer kein
Beschäftigungsanspruch, wenn die Wirksamkeit der ihm
ausgesprochenen Kündigung feststeht, wie nunmehr hier. Die Klage
ist daher insoweit unbegründet und die gegen das entsprechende
Urteil eingelegte Berufung folglich begründet.
4. Hinsichtlich des Leistungsanspruchs hat das Arbeitsgericht
richtig entschieden. Die dagegen eingelegte Berufung, die
erkennbar im wesentlichen auf den Erfolg im Hinblick auf die
ausgesprochene außerordentliche und ordentliche Kündigung
ausgelegt war, ist unbegründet. Die Berufungskammer folgt den
Entscheidungsgründen des Ersturteils und sieht daher von deren
Darstellung gem. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i. V. mit § 543 Abs. 1,
2. Alt. ZPO ab.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Gegen dieses Urteil wird die Revision nicht zugelassen (§ 72 Abs. 1 ArbGG). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht ersichtlich (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird verwiesen (§ 72 a ArbGG).
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