Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei Einstellung
Gericht
LAG Köln
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
08. 11. 2000
Aktenzeichen
3 Sa 974/00
Müssen an einem Arbeitsplatz schwere körperliche Arbeiten geleistet werden - unter anderem gelegentliches Tragen von 50-kg-Säcken - so liegt in der körperlichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers ein Einstellungskriterium, nicht aber per se in der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht. Die Beweislast dafür, dass die Einstellung einer Bewerberin auch ohne Diskriminierung nicht erfolgt wäre, trägt der Arbeitgeber.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl. ist etwa 30 Jahre alt. Sie ist diplomierte Diplomchemikerin. Nach Abschluss des Studiums und der Promotion arbeitet sie gegenwärtig in einem befristeten Arbeitsverhältnis im Universitätsinstitut Fachbereich Chemie der R. Die Befristung lief zunächst bis zum 31. 12. 1999. Ab Januar 2000 wurde eine weitere Befristung bis zum 31. 12. 2000 vereinbart. Sie ist zu einer Arbeitszeit von 25 Stunden wöchentlich mit Vergütung nach BAT IIa tätig. Im Frühjahr 1999 suchte die Kl. eine Festanstellung. Sie gab eine geschlechtsneutrale Bewerbungsanzeige auf, mit der sie „eine interessante und anspruchsvolle Tätigkeit in Industrie, Verlag oder im öffentlichen Dienst“ suchte. Auf Grund dieser Anzeige meldete sich die Bekl. mit Schreiben vom 28. 10. 1999 und teilte ihr Interesse an der Bewerbung mit. Sie bat um Übermittlung der vollständigen Bewerbungsunterlagen. Die Kl. übersandte daraufhin mit Schreiben vom 8. 11. 1999 diese Unterlagen. Mit Schreiben vom 11. 11. 1999 teilte die Bekl. ihr mit, sie habe die Unterlagen erhalten, könne die Bewerbung aber nicht berücksichtigen. Dabei führte sie aus: „Der zu besetzende Arbeitsplatz fordert jedoch neben den Fachkenntnissen auch, bedingt durch interne Betriebsabläufe, teilweise Arbeiten im betriebstechnischen Maßstab, die wir von einer weiblichen Angestellten einfach nicht verlangen können. Wir müssen daher einem männlichen Bewerber den Vorzug geben“. Mit Schreiben vom 16. 11. 1999 fordert die Kl. von der Bekl. Zahlung einer Entschädigung von vier Bruttomonatsgehältern gem. § 611a BGB in Höhe von insgesamt 27000 DM. Da die Bekl. das ablehnte, machte die Kl. die Forderungen mit der vorliegenden Klage bei dem ArbG Köln geltend.
Das ArbG Köln hat die Bekl. mit Urteil vom 25. 5. 2000 verurteilt, an die Klägerin 14000 DM brutto nebst 4% Zinsen seit dem 26. 11. 1999 zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Mit eingehender, zutreffender Begründung, der das BerGer. in allen Punkten zustimmt, hat das ArbG dargelegt, dass der Kl. nach § 611a II BGB ein Entschädigungsanspruch in einem Betrag von 14000 DM zusteht. Das BerGer. kann weitgehend auf die Ausführungen des ArbG Bezug nehmen. Denn das ArbG hat sich bereits mit den Einwendungen, mit denen die Bekl. auch im zweiten Rechtszug die Forderung der Kl. zurückzuweisen versucht, auseinandergesetzt. Dies gilt insbesondere für die Behauptung der Bekl., die im Betrieb der Bekl. zu besetzende Stelle habe nur von einem Mann ausgefüllt werden können. Nach § 611a I BGB ist eine unterschiedliche Behandlung eines Bewerbers - konkret also seine a limine-Zurückweisung - nur dann nicht diskriminierend, „wenn ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung“ für die Tätigkeit ist. Selbst wenn man mit der Bekl. annimmt, dass der Stelleninhaber im ersten Beschäftigungsjahr einer „extrem hohen körperlichen Belastung“ ausgesetzt ist, weil es innerhalb des Betriebs der Bekl. unabdingbare Voraussetzung ist, regelmäßig „harte und gefahrgeneigte Arbeiten“ zu verrichten, liegt in der Begründung, mit der die Bekl. die Bewerbung der Kl. zurückwies, eine geschlechtsbezogene Benachteiligung. Denn eine „unverzichtbare Voraussetzung“ für die Ausübung der konkreten Tätigkeit liegt nur dann vor, wenn die Arbeitsleistung nach Gegenstand und Funktion nur von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts erbracht werden kann. Die Tatsache, dass eine Tätigkeit große physische Anstrengungen verlangt, berechtigt nicht dazu, Frauen von vornherein von der Beschäftigung auszuschließen, weil sie zu solchen Leistungen biologisch nicht in der Lage seien (Soergel/Raab, BGB, 12. Aufl. [1998], § 611a BGB Rdnr. 35). Es liegt auf der Hand, dass dies auch für die Stelle gilt, um die die Kl. sich beworben hatte. Muss an diesem Arbeitsplatz wirklich schwere körperliche Arbeit geleistet werden, so liegt in der körperlichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers ein Einstellungskriterium, nicht aber per se in der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht. Mögen auch Frauen im Allgemeinen körperlich schwächer als Männer sein, so gibt es durchaus auch Frauen, die in ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit nicht hinter Männern zurückstehen. Die körperliche Kraft eines Bewerbers kann nicht bereits auf Grund seiner Geschlechtszugehörigkeit, sondern nur auf Grund seiner individuellen Konstitution beurteilt werden. Mit anderen Worten: Es gibt auch Frauen, die Fässer von der Laderampe zu den Reaktoren rollen und dort einkippen und an jedem zweiten Tag 50 kg-Säcke mit Chemikalien auf Schultern eine Treppe höher tragen können.
Auch wenn es zutrifft, dass diese Anforderungen wirklich mit dem zu besetzenden Arbeitsplatz verbunden waren, kann keine Rede davon sein, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung eine Frau dazu von vornherein nicht in der Lage ist. Das gilt um so mehr, als die körperliche Belastung, die die Bekl. ins Feld führt, offenbar nur im ersten Beschäftigungsjahr besteht.
Die der Kl. zustehende Entschädigung ist nach § 611a II BGB zu bemessen. Denn auch die Berufungskammer geht davon aus, dass die Kl. bei beanstandungsfreier Auswahl eingestellt worden wäre. Die Beweislast dafür, dass die Einstellung der Bewerberin auch ohne Diskriminierung nicht erfolgt wäre, trägt der Arbeitgeber (ErfK/Schlachter, 1998, § 611a BGB Rdnr. 35). Denn nur der Arbeitgeber ist auf Grund seiner Sachnähe in der Lage, die Umstände darzulegen und gegebenenfalls auch unter Beweis zu stellen, die ihn - abgesehen von der Geschlechtszuhörigkeit - davon abgehalten hätten, den Bewerber einzustellen. Insofern hat die Bekl. sich erneut nur darauf berufen, dass die Kl. auf Grund ihrer Eigenschaft als Frau den körperlichen Belastungen der in Betracht kommenden Stelle nicht gewachsen sei.
Zu Recht hat das ArbG die Entschädigung auf den Betrag von zwei Monatsverdiensten bemessen, die sie bei beanstandungsfreier Auswahl bei der Bekl. erhalten hätte. Die Bekl. behauptet zwar, dass es sich dabei nur um einen monatlichen Bruttobetrag von 4200 DM gehandelt hätte. Sie hat aber keine Umstände dargelegt, aus denen hervorgeht, dass und warum die als Maßstab heranzuziehende tarifliche Durchschnittsvergütung eines diplomierten und promovierten Chemikers im zweiten Berufsjahr für die freie Stelle so deutlich unterschritten werden sollte. Es war Sache der Bekl., dazu nähere Ausführungen zu machen. Mit dem ArbG legt das BerGer. daher den als Durchschnittswert anzusehenden tariflichen monatlichen Bruttobetrag von 7000 DM zu Grunde.
Auch was die Zahl der Monatsverdienste angeht, folgt das BerGer. dem angefochtenen Urteil. Das Gesetz verlangt eine angemessene Entschädigung, ohne einen Bemessungsmaßstab festzulegen. Die konkrete Höhe richtet sich nach der Art und Schwere des Verstoßes gegen § 611a I BGB sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers, zu der die Bekl. allerdings nichts vorgetragen hat. Die zuzusprechende „angemessene“ Entschädigung ist an den Gesichtspunkten zu orientieren, die zum Ausgleich der Diskriminierung wesentlich sind, insbesondere am Alter und Arbeitsplatz des Bewerbers, und der ihm entgangenen Position (Palandt/Putzo, BGB 59. Aufl. [2000], § 611a Rdnr. 19). Vor diesem Hintergrund hat das ArbG zu Recht auf den diskriminierenden Effekt hingewiesen, den die Bekl. durch die Zurückweisung der Bewerbung bewirkt hat.
Zum anderen hat es zu Recht berücksichtigt, dass die Kl. seinerzeit zwar noch in einem Arbeitsverhältnis stand, das aber bis zum Ende des Jahres 2000 befristet ist und nur eine Teilzeitbeschäftigung darstellt. Demgegenüber wäre die Anstellung bei der Bekl. für die Kl. mit einer höheren Vergütung verbunden gewesen. Berücksichtigt man, dass die Entschädigung i.S. des § 611a II BGB Sanktionscharakter hat und über einen rein symbolischen Schadensersatz hinaus gehen muss (BAG, EzA § 611a BGB Nr. 4), so hält auch das BerGer einen Betrag in Höhe von zwei Monatsbezügen für angemessen.
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