Lohngleichheit - Teilzeit

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

21. 06. 2000


Aktenzeichen

5 AZR 806/98


Leitsatz des Gerichts

Der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit” ist in der deutschen Rechtsordnung keine allgemeingültige Anspruchsgrundlage, sondern bedarf der Umsetzung in Anspruchsgrundlagen wie § 612 III BGB.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. begehrt gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Der Kl. ist Diplom-Ingenieur und war Beschäftigter der Deutschen Reichsbahn. Er lebt im Beitrittsgebiet. Die Bekl. ist die Rechtsnachfolgerin der Planungsgesellschaft Schnellbahnbau Hannover-Berlin mbH (fortan P). Die P unterhielt Büros in Hannover und Berlin. Gesellschafter der P waren die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn. Weder die P noch die Bekl. war oder ist tarifgebunden. Die P beschäftigte vor allem beurlaubte Beamte und Angestellte der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn. Auch der Kl. wurde von der Deutschen Reichsbahn beurlaubt und von der P mit Anstellungsvertrag vom 8. 11. 1990 befristet ab dem 1. 11. 1990 für das Büro Hannover als Leiter des Bereichs Streckenplanung/Ausrüstung eingestellt. Das letzte Bruttoeinkommen des Kl. bei der Deutschen Reichsbahn betrug ca. 3370 DM. § 4 des Anstellungsvertrags enthält folgende Gehaltsregelung:

§ 4. Der Arbeitnehmer erhält für jeden Kalendermonat ein Gehalt in Höhe von 4800 DM. Das Gehalt wird zum 15. des laufenden Monats unbar gezahlt. Die Fortentwicklung des Gehaltes orientiert sich an der Entwicklung der Gehälter für Angestellte der Deutschen Reichsbahn.

Die P erhöhte das Gehalt entsprechend den Tarifabschlüssen des Baugewerbes. Darüber hinaus wurde das jeweils erreichte Gehalt prozentual entsprechend der Anpassung der Bezüge der Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn an das Westniveau erhöht. Bei Vertragsschluss waren sich der Kl. und die P darüber einig, dass in dem Monatsgehalt von 4800 DM ein Betrag von 750 DM brutto als Zulage für doppelte Haushaltsführung enthalten war. Eine entsprechende Zulage erhielten die aus den alten Bundesländern kommenden Beschäftigten der P, die im Büro Hannover eingesetzt wurden, nicht. Mitarbeiter der P aus den alten Bundesländern, die in Berlin eingesetzt waren, erhielten eine Zulage für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 1500 DM bzw. 2000 DM. Ab Juli 1991 wurde die Zulage gesondert ausgewiesen und auf 1000 DM brutto aufgestockt. Ende 1993 bezog der Kl. ein Gehalt von 7676 DM brutto und eine Zulage von 1500 DM brutto. Andere Mitarbeiter der P aus den alten Bundesländern wurden wie folgt vergütet: Herr E, Leiter des Bereichs Projektmanagement, Dipl.-Ing., Gehalt Ende 1990 ca. 9700 DM. Herr F, Streckenplaner im Baubereich, Dipl.-Ing., nachgeordnet dem Leiter Streckenplanung/Bau, Gehalt Ende 1992 7700 DM. Herr H, Mitarbeiter des mittleren Dienstes, Gehalt Mitte 1990 5500 DM. Der Kl. hat geltend gemacht, die Bekl. schulde für gleiche Arbeit gleichen Lohn. Im Vergleich zu Mitarbeitern aus den alten Bundesländern sei er nur deshalb geringer vergütet worden, weil er Angehöriger der Deutschen Reichsbahn gewesen sei und aus dem Beitrittsgebiet stamme. Die Bekl. habe ihm deshalb für den Zeitraum von 1. 1. 1991 bis zum 31. 12. 1993 die Vergütung auf der Basis eines Ausgangsgehalts von 8100 DM brutto, jeweils erhöht um die Tarifsteigerungen im Baugewerbe in rechnerisch unstreitiger Höhe von 105162,83 DM brutto nachzuzahlen. Der Kl. hat beantragt, die Bekl. zu verurteilen, an ihn 105162,83 DM brutto zu zahlen nebst 4% Zinsen auf die sich ergebenden Nettobeträge aus 4050 DM brutto seit dem 10. 9. 1993, aus 42061,98 DM brutto seit dem 1. 1. 1992, aus 34850,85 DM brutto seit dem 1. 1. 1993, aus 24200 DM brutto seit dem 1. 1. 1994. Die Bekl. hat geltend gemacht, sie schulde allein die individuell vereinbarte Gehaltshöhe.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat auf die Berufung des Kl. der Klage im Umfang des wiedergegebenen Antrags stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Bekl. die Zurückweisung der Berufung des Kl. mit Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das LAG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Kl. hat keinen Anspruch auf Vergütungsnachzahlung für den Zeitraum vom 1. 1. 1991 bis zum 31. 12. 1993 in einer Gesamthöhe von 105162,83 DM brutto nebst Zinsen.

I. Der Anspruch des Kl. folgt nicht aus dem Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit”. Eine allgemeingültige Anspruchsgrundlage dieses Inhalts kennt die deutsche Rechtsordnung nicht. Dies wird besonders deutlich an § 612 III BGB. Danach darf bei einem Arbeitsverhältnis für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers eine geringere Vergütung vereinbart werden als bei einem Arbeitnehmer des anderen Geschlechts. Diese Art. 3 II GG und Art. 141 EGV konkretisierende Bestimmung des BGB wäre bedeutungslos, wenn es einen den Grundsatz der Vertragsfreiheit einschränkenden überpositiven Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit” gäbe. Vielmehr besteht in Fragen der Vergütung Vertragsfreiheit, die lediglich durch verschiedene rechtliche Bindungen wie Diskriminierungsverbote und tarifliche Mindestentgelte eingeschränkt ist. Da weder die P noch die Bekl. tarifgebunden war oder ist und kein gesetzliches Diskriminierungsverbot eingreift, konnte die P mit dem Kl. ein Anfangsgehalt in Höhe von 4800 DM brutto frei vereinbaren. Dass die P mit anderen Beschäftigten andere Anfangsgehälter vereinbarte, hat auf die Wirksamkeit der Vergütungsvereinbarung mit dem Kl. keinen Einfluss.

II. Der Anspruch des Kl. folgt auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (st. Rspr. BAG [17. 11. 1998], NZA 1999, 606 = NJW 1999, 2062 L = AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 162). Auch wenn die Herleitung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im einzelnen umstritten ist (vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rdnr. 836), besteht doch Einigkeit darüber, dass er inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG bestimmt wird (BAG [17. 11. 1998], NZA 1999, 606; ErfK/Dieterich, Art. 3 GG Rdnr. 32). Trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auch im Bereich der Vergütung anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistung nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (BAG [17. 11. 1998], NZA 1999, 608). Liegt ein sachlicher Grund nicht vor, so kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden. Entscheidend für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist somit die Bildung einer vom Arbeitgeber gesetzten Regelung der Vergütungsfindung (BAG, Urt. v. 27. 2. 1987 - 5 AZR 680/85 JURIS). Eine solche Regelung ist auch als Vergütungssystem bezeichnet worden (BAG [19. 8. 1992], NZA 1993, 171 = NJW 1993, 679 = AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 102).

2. Das LAG hat angenommen, die P habe ihren Mitarbeitern Vergütung nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt. Sie habe die Gehälter der neu einzustellenden Angestellten auf der Basis der bisherigen Vergütung gefunden, indem sie die bisherige Vergütung mit Zuschlag als neues Gehalt vereinbarte. Damit habe die P das Reichsbahngehalt bzw. das Bundesbahngehalt mit der Vergütung bei der P verknüpft.

3. Diese vom LAG ausdrücklich festgestellte Regel der Gleichbehandlung ist mangels hinreichender Bestimmtheit ungeeignet, einen Anspruch auf Gleichbehandlung zu begründen. Besteht die Regel darin, jedem neu eingestellten Mitarbeiter das frühere Gehalt zuzüglich Zuschlag als neue Vergütung anzubieten, ohne dass die Höhe des Zuschlags durch die Regel selbst fixiert ist, bleibt ungewiss, welchen Inhalt die Gleichbehandlung haben könnte. Wird aber das Berufungsurteil dahingehend verstanden, dass die P bei der Gehaltsfindung nach der selbstgesetzten Regel vorgegangen sei, jeweils die Vergütung beim früheren Arbeitgeber zuzüglich eines 20%igen Zuschlags als neue Vergütung anzubieten, ist diese Regel zwar i.S. der Gleichbehandlung anwendbar, doch im Falle des Kl. gewahrt worden. Wird zudem berücksichtigt, dass dem Kl. anders als den von der P angestellten Bundesbahnbeamten und -angestellten für den Einsatz in Hannover eine weitere Steigerung des Gehalts um zunächst 750 DM brutto monatlich gewährt wurde, kann der Kl. aus dieser Regel keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung herleiten. Im Ergebnis hat dies auch das BerGer. erkannt, denn es hat dem Kl. weitere Vergütungsansprüche auf der Basis eines Anfangsgehaltes in Höhe von 8100 DM brutto (exklusive Zuschlag für doppelte Haushaltsführung) zugesprochen, also angenommen, dem Kl. gebühre ein Anspruch auf Vergütung in Höhe eines bei der Deutschen Bundesbahn beschäftigt gewesenen Angestellten zuzüglich 20% Zuschlag. Damit hat das LAG nicht eine vom Arbeitgeber gesetzte Regelung auf alle Beschäftigten und damit auch auf den Kl. angewandt, sondern eine eigene Regel geschaffen, aus der es den Anspruch des Kl. abgeleitet hat. Dies ist ein unzulässiger Eingriff in die Vertragsfreiheit und durch den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht mehr gerechtfertigt. Darüber hinaus hat das LAG damit unberücksichtigt gelassen, dass aus der Höhe der früheren Vergütung des jeweils neu einzustellenden Beschäftigten zwar Rückschlüsse auf die Wertigkeit dieser früheren Tätigkeit gezogen werden können, jedoch jeder Zusammenhang mit der bei der P zu leistenden Tätigkeit eher zufälliger Natur wäre.

III. Der Anspruch des Kl. folgt auch nicht aus § 612 II BGB, etwa weil die mit der P getroffene Vergütungsvereinbarung gem. § 138 I oder II BGB wegen Sittenwidrigkeit (Wucher) nichtig wäre und deshalb die Bekl. dem Kl. die übliche Vergütung schuldete.

1. Nach § 138 II BGB ist eine Vereinbarung wegen Sittenwidrigkeit nichtig, wenn zwischen Arbeitsleistung und Lohn ein auffälliges Missverhältnis besteht und der Arbeitgeber die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche des Arbeitnehmers ausgebeutet hat. Zur Beurteilung des auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung ist nach der Rechtsprechung des BAG (22. 3. 1989 - 5 AZR 151/88, Juris) nicht nur auf den Vergleich mit den Tariflöhnen des jeweiligen Wirtschaftszweiges, sondern dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet abzustellen. Wird ein „Hungerlohn” vereinbart, ist diese vertragliche Abrede wegen Sittenwidrigkeit nichtig (BAG [10. 3. 1960], AP BGB § 138 Nr. 2; LAG Bremen [3. 12. 1992], AiB 1993, 834).

2. Im Falle der Vereinbarung eines ab November 1990 wirksam gewordenen Anfangsgehaltes in Höhe von 4800 DM brutto monatlich ist die Annahme eines „Hungerlohnes” nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die vereinbarte Vergütung dynamisiert war. Das Gehalt sollte bei In-Kraft-Treten der Steigerungsstufen der Bezüge im Bereich der Deutschen Reichsbahn angehoben werden. Zudem wurde es entsprechend den allgemeinen Tariferhöhungen im Bereich der Bauwirtschaft nach oben angepasst. Deshalb kann ein auffälliges Missverhäldnis von Leistung und Gegenleistung nicht angenommen werden.

Vorinstanzen

LAG Niedersachsen, 13 Sa 2362/97, 25.8.1998

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB §§ 242 Gleichbehandlung, 612 II, III, 138; GG Art. 3 II; EGV Art. 141