Gleichbehandlung beim Arbeitsentgelt für Teilzeitnebentätigkeit

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

01. 11. 1995


Aktenzeichen

5 AZR 880/94 (Bremen)


Leitsatz des Gerichts

Als sachlicher Grund für eine schlechtere Bezahlung eines Teilzeitarbeitnehmers genügt es nicht, daß er aufgrund seiner früheren hauptberuflichen Betätigung Altersruhegeld bezieht.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. verlangt für ihre Tätigkeit als teilzeitbeschäftigte Musikschullehrerin eine höhere Vergütung. Die 1920 geborene Kl. war viele Jahre als teilzeitbeschäftigte Klavierlehrerin an der Musikschule der Bekl. in B. beschäftigt. Auf eigenen Wunsch schied sie am 31. 3. 1980 aus, um vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen. Dieses betrug zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LAG (Juli 1994) monatlich 1259,01 DM zuzüglich 62,20 DM für Kindererziehungszeiten; es resultiert aus der früheren Teilzeittätigkeit der Kl. bei der Bekl., die stets weniger als 3/4 der Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten in Anspruch genommen hat. Die Beiträge zur Rentenversicherung hat die Bekl. aufgebracht. Bei ihrem Ausscheiden bat die Kl. darum, ihre Tätigkeit als Musiklehrerin mit einer geringeren, für den vorzeitigen Rentenbezug unschädlichen Stundenzahl fortsetzen zu dürfen. Damit war die Bekl. einverstanden. Die Kl. setzte ihren Unterricht zunächst mit fünf Jahreswochenstunden fort. Am 11. 3. 1985 schlossen die Parteien einen „Arbeitsvertrag“, worin es auszugsweise heißt:


§ 1. Frau O erteilt in der Jugendmusikschule B. (JMS) Unterricht im Fach Klavier.
§ 2. Der Vertrag wird für die Zeit vom 1. 1. 1985 bis 31. 12. 1985 abgeschlossen. Er verlängert sich um jeweils ein weiteres Unterrichtsjahr, wenn nicht von einem der Vertragspartner mindestens 3 Monate vor Ablauf der genannten Zeit eine schriftliche Erklärung über die Beendigung des Vertragsverhältnisses vorliegt. ...
§ 5. Die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden beträgt zur Zeit 5 Stunden. Änderungen sind schriftlich zu vereinbaren. Die Höchstzahl der zu unterrichtenden Stunden wird auf 14 Wochenstunden festgesetzt.
§ 6. Der Anspruch auf Urlaub wird durch die Einhaltung der Ferien an den allgemeinbildenden Schulen abgegolten. Für Unterrichtsausfälle durch Jahreserholungsurlaub außerhalb der Ferien der allgemeinbildenden Schulen und sonstigen Verhinderungen, die nicht krankheitsbedingt sind, wird keine Vergütung gezahlt. Die Rückrechnung wird nach Einzelstundensätzen vorgenommen.
§ 7. Im Krankheitsfall wird die Vergütung für die Dauer bis zu sechs Wochen weitergezahlt. Die Lehrkraft ist verpflichtet, die Erkrankung unverzüglich der Jugendmusikschule mitzuteilen und durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung zu belegen.
§ 8. Die Tätigkeit schließt die Verpflichtung ein, außerhalb der regelmäßigen Lehrtätigkeit an Konferenzen, Arbeitsbesprechungen und Arbeitsgemeinschaften des Lehrkörpers sowie an Veranstaltungen der Jugendmusikschule teilzunehmen bzw. an diesen mitzuwirken. Diese Tätigkeit wird durch die Vergütung gem. § 3 dieses Vertrags abgegolten. ...
§ 11. Frau O verpflichtet sich zur Einhaltung der für die Lehrkräfte der Jugendmusikschule B geltenden Dienstanweisung in der jeweils geltenden Fassung.
§ 12. Auf diesen Vertrag finden die Bestimmungen des BGB Anwendung. Der Vertrag kann unabhängig von § 2 jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Schluß eines Kalendermonats gekündigt werden.


Zur Zeit des Abschlusses des Vertrages galten die „Dienstanweisungen für Lehrkräfte der Jugendmusikschule B." in der Fassung vom 27. 8. 1964 sowie die „Richtlinien für die Jugendmusikschule des Jugendamtes“ vom 20. 10. 1982. Sie wurden durch die Dienstanweisung vom 30. 10. 1991 und die Richtlinien vom 30. 10. 1991 ersetzt. In der Jugendmusikschule finden zweimal im Jahr mehrstündige Gesamtkonferenzen statt. In ihnen werden die im Frühjahr und im November stattfindenden Vorspieltage der unteren Ausbildungsstufen und die Hausmusiktage der höheren Ausbildungsstufen mit jeweils acht bis zehn Veranstaltungsabenden vorbereitet. Auf diesen Veranstaltungen wird gezeigt, was im Unterricht erarbeitet wurde. Auf den Konferenzen geht es ferner um die zu erarbeitende Literatur sowie um methodische und didaktische Fragen. Die Leitung der Musikschule greift ein, wenn Lehrinhalt und Anspruchsniveau verbessert oder vereinheitlicht werden müssen. Auf diesen Konferenzen werden auch organisatorische Fragen behandelt, etwa die Vergabe der Unterrichtsräume, die Überprüfung der Anwesenheit der Schüler, Vertretungen, Nebenarbeiten und Beanstandungen von Erziehungsberechtigten. Außer den Gesamtkonferenzen gibt es Fachkonferenzen und andere Arbeitsbesprechungen je nach Bedarf. Weiter gibt es eine Fortbildungsveranstaltung, die in der Regel einmal im Jahr durchgeführt wird. Die Teilnahme an den Konferenzen und Veranstaltungen ist für die Lehrer verbindlich. Die Kl. begehrt ab 1. 10. 1990 eine zeitanteilige Bezahlung ihrer Tätigkeit gem. Vergütungsgruppe Vb BAT, nach der die hauptberuflichen Musikschullehrer der Jugendmusikschule vergütet werden. Mit Schreiben vom 27. 9. 1990 hat sie diese anteilige Vergütung geltend gemacht. Der Unterschiedsbetrag zwischen der tatsächlich gezahlten Vergütung und der begehrten Vergütung beträgt für die Zeit vom 1. 10. 1990 bis zum 31. 3. 1991 2209,44 DM; zusätzlich verlangt die Kl. als Weihnachtsgeld ein Monatseinkommen in Höhe von 868,22 DM.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat entsprechend den - eingeschränkten - Berufungsanträgen der Kl. erkannt. Die Revision der Bekl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das LAG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kl. steht als Arbeitnehmerin der Bekl. eine zeitanteilige Bezahlung in Höhe der Vergütungsgruppe Vb BAT (Endstufe) unter dem Gesichtspunkt der üblichen Vergütung (§ 612 II BGB) zu. Die vertragliche Vereinbarung der niedrigeren Stundenvergütung ist wegen Verstoßes gegen § 2 I BeschFG nach § 134 BGB nichtig.

1. Die Kl. ist Arbeitnehmerin der Bekl. Dies hat das LAG zutreffend erkannt. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind unbegründet.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können Musikschullehrer, zumindest dann, wenn sie teilzeitbeschäftigt sind, sowohl als freie Mitarbeiter beschäftigt werden als auch als Arbeitnehmer. Als Arbeitnehmer werden sie beschäftigt, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben oder aber - falls es an einer solchen Vereinbarung fehlt - im Einzelfall festzustellende Umstände ergeben, daß der für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Grad persönlicher Abhängigkeit gegeben ist (BAG, NZA 1993,171 = NJW 1993, 679 = AP Nr. 102 zu § 242 BGB Gleichbehandlung (unter II 1) m.w.Nachw.).

b) Die von der Revision hiergegen herangezogene Rechtsprechung des Senats, nach der im Ergebnis erkannt worden ist, daß aufgrund der tatsächlichen Umstände im jeweiligen Einzelfall teilzeitbeschäftigte Musiklehrer keine Arbeitnehmer waren, steht dem nicht entgegen. In jenen Fällen waren keine Arbeitsverhältnisse vereinbart worden. Vorliegend ist indessen ein „Arbeitsverhältnis“ ausdrücklich vereinbart worden. Zudem enthält der Vertrag vom 11. 3. 1985 Bestimmungen, die dessen ungeachtet den Schluß auf ein Arbeitsverhältnis rechtfertigen. Dies gilt vor allem für die Verpflichtung der Kl. zur Einhaltung der Dienstanweisung (§ 11 des Arbeitsvertrags), aber auch für die Anordnung, an Konferenzen, Arbeitsbesprechungen und Arbeitsgemeinschaften sowie an Veranstaltungen der Jugendmusikschule teilzunehmen und daran mitzuwirken (§ 8 des Arbeitsvertrags). Auch die praktische Durchführung des Vertrags weist nach den insoweit nicht angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LAG (§ 561 ZPO) auf ein Arbeitsverhältnis hin und nicht auf das Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters. Die Bekl. verfügt in einem nicht unerheblichen Umfang über die Arbeitszeit der Kl., auch über die festgelegten Unterrichtsstunden hinaus.

2. Nach § 2 I BeschFG darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Wäre die Kl. als Musikschullehrerin an der Jugendmusikschule der Bekl. vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin der Bekl., so erhielte sie unstreitig eine Bezahlung entsprechend der Vergütungsgruppe Vb BAT. Diese Feststellung des LAG beruht auf einer entsprechenden Einlassung der Bekl. Die Bekl. stellt dies auch in der Revision nicht in Abrede. Die mit der Kl. vereinbarte Stundenvergütung liegt jedoch erheblich unter dem Stundensatz, der sich aus der Vergütungsgruppe Vb BAT ergibt. Während die Kl. 1991 monatlich 472 DM ausgezahlt erhielt, hätte die anteilige Bezahlung entsprechend der Vergütungsgruppe Vb BAT monatlich 868,22 DM betragen. Hinzu käme ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttomonatsbezugs.

3. Die unterschiedliche Bezahlung ist sachlich nicht gerechtfertigt und verstößt deshalb gegen § 2 I BeschFG. Als einziger Umstand, der eine unterschiedliche Bezahlung rechtfertigen könnte, kommt in Betracht, daß die Kl. Altersruhegeld aufgrund ihres früheren Teilzeitarbeitsverhältnisses bezieht. Damals hat die Kl. stets in einem Umfang von weniger als 3/4 der Vollzeitbeschäftigung gearbeitet. Dieser Umstand rechtfertigt jedoch die schlechtere Bezahlung der Kl. in ihrem jetzt bestehenden Teilzeitarbeitsverhältnis nicht. Dabei kann zugunsten des Bekl. davon ausgegangen werden, daß ein aus früherer hauptberuflicher Tätigkeit erzieltes Altersruhegeld in vergleichbarer Weise wie das Erwerbseinkommen aus dieser Tätigkeit als Grundlage der Existenzsicherung geeignet ist.

a) Der Senat hat bisher angenommen, der nebenberuflich tätige Teilzeitarbeitnehmer dürfe für seine Arbeit gegenüber mit gleichen Arbeiten beschäftigten Vollzeitarbeitnehmern schlechter bezahlt werden, wenn er aus seiner hauptberuflichen Betätigung eine für sich und seine Familie auskömmliche und gesicherte Existenzgrundlage gewinnt (grundlegend: BAGE 66,17 (21) = NZA 1991, 107 = AP Nr. 8 zu § 2 BeschFG 1985, (zu II 2) = EzA § 2 BeschFG 1985 Nr. 4 = SAE 1991, 114 m. Anm. Schüren/Kirsten).

b) Die Unterscheidung zwischen Teilzeitarbeitnehmern mit und ohne ausreichendem Einkommen aus eigener anderweitiger hauptberuflicher Tätigkeit zur sachlichen Rechtfertigung ihrer schlechteren Bezahlung verstößt nicht gegen Art. 3 I GG, wie das BVerfG zur Begründung der Nichtannahme eines Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BAG v. 7. 8. 1991 (5 AZR 88/91 unveröff.) ausgeführt hat (BVerfG, NZA 1993,741 = AP Nr. 25 zu § 2 BeschFG 1985). Es verstößt auch nicht gegen den Grundsatz gleichen Entgelts für Männer und Frauen (Art. 119 EGV; Richtlinie 75/117/EWG), wenn der Bezug einer Rente dem Fall gleichgestellt wird, daß Einkünfte aus einer hauptberuflich gesicherten Position zur sachlichen Rechtfertigung einer schlechteren Bezahlung herangezogen werden, selbst wenn die Rente aufgrund Erwerbsausfalls durch Kindererziehung gemindert ist (EuGH, NZA 1995, 217 = EuZW 1995, 118 = EuroAS 1995, 12 - Grau-Hupka, m. Anm. Colneric).

c) Der Senat hält nach erneuter Prüfung nicht mehr daran fest, im Rahmen des § 2 I BeschFG als sachlichen Grund für eine schlechtere Bezahlung eines Teilzeitarbeitnehmers anzuerkennen, daß er aufgrund eines Hauptberufs eine für sich und seine Familie gesicherte Existenzgrundlage hat. Seine gegenteilige Rechtsprechung hat der Senat in seinem gleichzeitig verkündeten Urteil vom 1. 11. 1995 (NJW 1996, 2812 (in diesem Heft)) aufgegeben.
(1) Zur Begründung seiner bisherigen Ansicht hat sich der Senat auf die amtliche Begründung zu § 2 II BeschFG gestützt. Hiernach ist zwar grundsätzlich eine unterschiedliche Behandlung eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers gegenüber einem Vollzeitarbeitnehmer verboten, zulässig ist danach aber eine unterschiedliche Behandlung, die nicht wegen der Teilzeitarbeit, sondern aus anderen Gründen erfolgt, etwa wegen der Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung, unterschiedlicher Arbeitsplatzanforderungen oder der „sozialen Lage“ (BT-Dr 10/2102, S. 24 rechte Spalte). Unter Hinweis auf Hanau(NZA 1984, 345 (347)) hat der Senat angenommen, eine geringere Bezahlung von Teilzeitarbeitnehmern könne unter dem Gesichtspunkt ihrer soziale Lage gerechtfertigt sein, soweit aus der Tätigkeit typischerweise nur ein Nebenverdienst erzielt werde, von dem nicht die ganze Existenz abhänge (im einzelnen BAGE66, 17 (21) = NZA 1991,107 = AP Nr. 8 zu § 2 BeschFG 1985, (zu II 1) = EzA § 2 BeschFG 1985 Nr. 4 = SAE 1991, 114 m. Anm. Schüren/Kirsten).

(2) Geht es - wie hier - um eine unterschiedliche Bemessung des Stundensatzes des Arbeitsentgelts, so ist eine Ungleichbehandlung nur zu rechtfertigen, soweit sachliche Gründe aus dem Bereich der Arbeitsleistung vorliegen. Das Arbeitsentgelt entspricht - im Rahmen des vertraglichen Synallagma - der Arbeitsleistung. Es ist die Gegenleistung (Äquivalent) für die Arbeit. Es kann z.B. bei einer Lehrtätigkeit unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob z.B. von Teilzeitarbeitnehmern derselbe Leistungsumfang (Unterrichtsvorbereitung, Teilnahme an Konferenzen oder Prüfungen) verlangt wird wie von Vollzeitkräften. Auch soziale Gesichtspunkte können in die Bemessung des Arbeitsentgelts einfließen, in Form von Familienzuschlägen, Staffelung des Arbeitsentgeltes nach Lebens- oder Berufsalter. Soweit dies regelhaft, z.B. in Tarifverträgen, betrieblichen Entgeltordnungen oder -übungen geschieht, ist eine unterschiedliche Behandlung am allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz oder entsprechenden spezielleren Gleichbehandlungsgeboten zu messen. Derartige Zuschläge stehen dann grundsätzlich aber auch Teilzeitbeschäftigten anteilig zu (vgl. Schüren, in: Festschr. f. Gnade, 1992, S. 161 (166); ders.,SAE 1991, 114 (117)).

(3) Für die Teilzeitbeschäftigung ist eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich des Arbeitsentgeltes gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern nur wegen der unterschiedlichen Arbeitsmenge sachlich nicht gerechtfertigt (BAG in st. Rspr., vgl. statt vieler BAG, NZA 1995, 936 = AP Nr. 39 zu § 2 BeschFG 1985). Allein der Umstand, daß sie einen Hauptberuf ausüben, rechtfertigt nicht, den Stundensatz geringer zu bemessen als in den Fällen, in denen die Teilzeittätigkeit allein ausgeübt wird (BAGE 66, 314 (319) = NZA 1991, 350 = NJW 1991, 1974 = AP Nr. 12 zu § 2 BeschFG 1985 (zu II 1b (4))). Die Nebenberuflichkeit ist insoweit ein sachfremdes Kriterium (so Wank, Schriften zur AR-Blattei, Bd. 1, Nebentätigkeit Rdnr. 403; ähnlich Richardi, NZA 1992, 625 (628)). Auf die Gesetzesbegründung kann nicht zurückgegriffen werden. Die dort erwähnte „soziale Lage“ (BT-Dr 12/2102, S. 24 rechte Spalte) mag zwar in anderen Zusammenhängen eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen, etwa bei der Vergabe von Plätzen im Betriebskindergarten oder beim Essenszuschuß (Schüren, in: Festschr. f. Gnade, S. 166; ders., SAE 1991,114 (117)). Für die Bemessung des Stundensatzes des Arbeitsentgeltes kann die soziale Lage dagegen nicht erheblich sein. Die Arbeitsleistung verändert ihren Wert nicht durch die soziale Lage des Arbeitnehmers, der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer keinen „Soziallohn“ oder dessen Alimentation nach beamtenrechtlichen Grundsätzen (vgl. Wank, Schriften zur AR-Blattei, Bd. 1, Nebentätigkeit Rdnr. 401). Soweit bei der Lohnfindung die soziale Lage berücksichtigt wird, gilt sie gleichermaßen für Teilzeit- wie für Vollzeitarbeitnehmer, d.h. die Bemessung des Arbeitsentgeltes muß dann sowohl für Vollzeit- als auch für Teilzeitarbeitnehmer von deren sozialer Lage abhängig gemacht werden (Schüren, SAE 1991, 114 (118)).

d) Eine unterschiedliche Bemessung des Stundensatzes für sozial durch eigene Erwerbseinkünfte abgesicherte, nebenberuflich beschäftigte Teilzeitkräfte läßt sich auch nicht mit der Erwägung rechtfertigen, daß sie weniger sozial schutzbedürftig sind als die Teilzeitkräfte, die (auch) auf die Einkünfte aus ihrer Teilzeittätigkeit angewiesen sind. Zwar mag der für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Grad der persönlichen Abhängigkeit zu verneinen sein, wenn und weil der Nebentätige in einem Hauptberuf seine Existenzgrundlage hat (vgl. insoweit Richardi,NZA 1992, 625 (628); ähnlich Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im ArbeitsR, S. 314 (315)). Indessen können derartige Nebentätigkeiten durchaus in einem Arbeitsverhältnis ausgeübt werden. Werden sie aber in einem Arbeitsverhältnis ausgeübt, so ist § 2 I BeschFG uneingeschränkt anwendbar.

4. Die schlechtere Bezahlung der Kl. ist auch nicht aus anderen sachlichen Gründen des § 2 I BeschFG gerechtfertigt. Damit erweist sich die Entgeltvereinbarung der Parteien wegen des Verstoßes gegen § 2 I BeschFG entsprechend § 134 BGB als insgesamt nichtig. Nach § 612 II BGB hat die Kl. Anspruch auf die übliche Vergütung (BAG, NZA 1995, 936 = AP Nr. 39 zu § 2 BeschFG 1985 (zu III) m.w.Nachw.). Die Bekl. schuldet als übliche Vergütung eine anteilige Bezahlung, wie sie vollzeitbeschäftigte Musiklehrer an der Musikschule der Bekl. erhalten.

5. Im übrigen wäre die schlechtere Bezahlung auch nach der bisherigen Rechtsprechung nicht sachlich gerechtfertigt. Das auf der früheren Teilzeitarbeit der Kl. von stets weniger als 3/4 der Vollarbeitszeit beruhende Altersruhegeld stellt keine hinreichende, auskömmliche Existenzsicherung i.S. der bisherigen Rechtsprechung des Senats dar. Dies zeigt auch ein Vergleich mit den Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags und den dazu ergangenen Richtlinien der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände über die Vergütung nebenberuflich tätiger Musikschullehrer. Die Bekl. verfährt ohne Rücksicht auf die Frage der Tarifbindung hinsichtlich der Bezahlung ihrer Musikschullehrer nach diesen Regelungen. Hieran muß sich die Bekl. messen lassen, denn insoweit hat sie allgemeine Regeln aufgestellt (vgl. BAG, NZA 1995, 936 = AP Nr. 39 zu § 2 BeschFG 1985). Die Vergütung vollzeitbeschäftigter Musikschullehrer bemißt sich nach Vergütungsgruppe Vb BAT, nicht aber die nur nebenberuflich tätiger Musikschullehrer. Nach § 3n BAT ist der BAT nicht auf Arbeitnehmer anzuwenden, die die Tätigkeit als Nebenbeschäftigung ausüben. Nach der Protokollnotiz zu § 3n BAT liegt eine Nebenbeschäftigung vor, wenn der Arbeitnehmer auch einer Hauptbeschäftigung nachgeht, wobei unter Hauptbeschäftigung eine Tätigkeit von mindestens 3/4 der tariflichen Vollarbeitszeit verstanden wird.

Schon diese Voraussetzung liegt hier nicht vor, selbst wenn man die Regelung entsprechend für den Fall des Bezugs von Altersruhegeld aus einer früheren beruflichen Tätigkeit anwendet.

Das Altersruhegeld der Kl. beruht auf ihrer beruflichen Betätigung als Teilzeitarbeitnehmerin, bei der die Arbeitszeitmenge stets unter 3/4 der Vollarbeitszeit gelegen hat. Demgegenüber kann sich die Bekl. nicht darauf berufen, das monatliche Altersruhegeld selbst - es betrug im Juli 1994 1259,01 DM zuzüglich 62,20 DM für Kindererziehungszeiten - biete der Kl. schon eine hinreichende Existenzgrundlage, so daß es nicht darauf ankomme, daß die Kl. früher nur als Teilzeitarbeitnehmerin tätig gewesen sei. Nicht der Rentenbetrag nach § 3n BAT ist entscheidend, sondern der Umfang der früheren hauptberuflichen Arbeit.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BeschFG § 2 I; BGB §§ 134, 612 II; EGV Art. 119; Richtlinie 75/117/EWG