Widerrufbarkeit eines Realkreditvertrags als Haustürgeschäft
Gericht
EuGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
13. 12. 2001
Aktenzeichen
Rs. C-481/99 (Georg und Helga Heininger/Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG)
Die Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. 12. 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ist dahin auszulegen, dass sie auf einen Realkreditvertrag wie den im Ausgangsverfahren fraglichen anwendbar ist, so dass der Verbraucher, der einen derartigen Vertrag in einem der in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Fälle geschlossen hat, über das Widerrufsrecht nach Art. 5 der Richtlinie verfügt.
2. Der nationale Gesetzgeber ist durch die Richtlinie 85/577/EWG daran gehindert, das Widerrufsrecht nach Art. 5 dieser Richtlinie für den Fall, dass der Verbraucher nicht gem. Art. 4 dieser Richtlinie belehrt wurde, auf ein Jahr nach Vertragsabschluss zu befristen.
Der BGH (NJW 2000, 521 = LM H. 4/2000 HWiG Nr. 33a = NZM 2000, 205 L) hat dem EuGH gem. Art. 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. 12. 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABlEG Nr. L 372, S. 31, nachfolgend: Haustürgeschäfterichtlinie) und der Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. 12. 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABlEG Nr. 1987, L 42, S. 48) i.d.F. der Richtlinie 90/88/EWG des Rates vom 22. 2. 1990 (ABlEG Nr. L 61, S. 14) (nachfolgend: Verbraucherkreditrichtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn und Frau Heininger (nachfolgend: Kl.) und der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG (nachfolgend: Bekl.) wegen des Widerrufs eines grundpfandrechtlich abgesicherten Kreditvertrags.
Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen
Zur Finanzierung des Kaufpreises für eine Wohnung nahmen die Kl. mit Vertrag vom 28.4./7. 5. 1993 (nachfolgend: Darlehensvertrag) bei der Bekl. ein Darlehen über 150000 DM auf. Dieses wurde durch eine Grundschuld in derselben Höhe abgesichert. Mit im Januar 1998 erhobener Klage haben sie gem. § 1 HWiG ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung widerrufen. Sie behaupten, ein ihnen bekannter, freiberuflich auch für die Bekl. tätiger Immobilienmakler habe sie mehrmals unaufgefordert zu Hause aufgesucht. Er habe sie zum Kauf der fraglichen Wohnung und zur Darlehensaufnahme überredet, ohne sie über das Widerrufsrecht zu belehren. Die Kl. verlangen von der Bekl. Rückzahlung von Tilgungs- und Zinsleistungen sowie Erstattung von Aufwendungen bei der Durchführung eines Darlehensvertrags in Höhe von insgesamt 118443,81 DM. Ferner beantragen sie die Feststellung, dass der Bekl. keine Ansprüche aus dem Darlehensvertrag zustehen. Das LG München hat die Klage am 26. 5. 1998 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das OLG München am 1. 2. 1999 zurückgewiesen. Die Kl. haben daraufhin Revision beim BGH eingereicht.
In seinem Vorlagebeschluss weist der BGH darauf hin, dass es für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits darauf ankomme, ob ein Widerrufsrecht nach § 1 HWiG nicht besteht, weil das Verbraucherkreditgesetz, das auf Realkreditverträge anwendbar sei, die Regelungen des Haustürwiderrufsgesetzes verdränge. Die Antwort auf diese Frage hänge davon ab, ob die Haustürgeschäfterichtlinie auch Realkreditverträge erfasse und ihr in Bezug auf das in ihrem Art. 5 vorgesehene Widerrufsrecht der Vorrang vor der Verbraucherkreditrichtlinie einzuräumen sei. Nach Ansicht des BGH besitzen die Kl. erstens kein Widerrufsrecht nach § 7 VerbrKrG, weil dieser nach § 3 II Nr. 2 VerbrKrG nicht für Realkreditverträge gelte. Zweitens sei ein Widerrufsrecht nach § 1 HWiG grundsätzlich ausgeschlossen, da nach § 5 II HWiG nur das Verbraucherkreditgesetz zur Anwendung komme, wenn ein Geschäft i.S. des § 1 I HWiG wie im vorliegenden Fall zugleich unter das Verbraucherkreditgesetz falle. Der BGH ist der Auffassung, die gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften erforderten keine andere Auslegung von § 5 II HWiG, ersucht aber den EuGH darum, sich zu diesem Punkt zu äußern, da Zweifel bestehen könnten. Sollte nach der Haustürgeschäfterichtlinie ein Widerrufsrecht der Kl. anzunehmen sein, so komme es für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits darauf an, ob dieses Widerrufsrecht in entsprechender Anwendung von § 7 II 3 VerbrKrG mit Ablauf eines Jahres nach Abgabe der auf den Abschluss des Realkreditvertrags gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers erlösche oder ob die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes anzuwenden seien, die gem. Art. 5 I Haustürgeschäfterichtlinie für den Fall, dass die erforderliche Belehrung nicht erteilt worden sei, eine Befristung des Widerrufsrechts nicht vorsähen. Vor diesem Hintergrund hat der BGH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Der EuGH entscheidet zu Gunsten der Anwendung der Haustürgeschäfterichtlinie.
Zur ersten Frage
25. Angesichts der Ausführungen der Bekl., dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht in den Anwendungsbereich der Haustürgeschäfterichtlinie, wie er in deren Art. 1 abgegrenzt werde, falle, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die dem EuGH vom BGH vorgelegte Frage davon ausgeht, dass der Realkreditvertrag zwischen den Kl. und der Bekl. unter den in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Tatbestandsvoraussetzungen geschlossen wurde.
26. Die erste Frage ist daher ausgehend von dieser Prämisse zu beantworten. Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Haustürgeschäfterichtlinie dahin auszulegen ist, dass sie auf einen Realkreditvertrag wie den im Ausgangsverfahren fraglichen anwendbar ist, so dass der Verbraucher, der einen derartigen Vertrag in einem der in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Fälle geschlossen hat, über das Widerrufsrecht nach Art. 5 Richtlinie 85/577/EWG verfügt.
27. Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Haustürgeschäfterichtlinie nach ihrem Art. 1 grundsätzlich für jeden Vertrag gilt, der in einem der in diesem Artikel genannten Fälle, unter anderem im Fall eines Besuchs des Gewerbetreibenden beim Verbraucher, geschlossen wird. Außerdem bestimmen die vierte und die fünfte Begründungserwägung dieser Richtlinie Folgendes:
4. Verträge, die außerhalb der Geschäftsräume eines Gewerbetreibenden abgeschlossen werden, sind dadurch gekennzeichnet, dass die Initiative zu den Vertragsverhandlungen in der Regel vom Gewerbetreibenden ausgeht und der Verbraucher auf die Vertragsverhandlungen nicht vorbereitet ist. Letzterer hat häufig keine Möglichkeit, Qualität und Preis des Angebots mit anderen Angeboten zu vergleichen. Dieses Überraschungsmoment gibt es nicht nur bei Haustürgeschäften, sondern auch bei anderen Verträgen, die auf Initiative des Gewerbetreibenden außerhalb seiner Geschäftsräume abgeschlossen werden.
5. Um dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, die Verpflichtungen aus dem Vertrag noch einmal zu überdenken, sollte ihm das Recht eingeräumt werden, innerhalb von mindestens sieben Tagen vom Vertrag zurückzutreten.
28. Ferner zählt die Haustürgeschäfterichtlinie in ihrem Art. 3 eine Anzahl von Vertragstypen abschließend auf, für die sie nicht gilt.
29. Im Ausgangsverfahren stellt sich die Frage, ob ein Realkreditvertrag wie der im Ausgangsverfahren fragliche von Art. 3 II lit. a Haustürgeschäfterichtlinie erfasst wird, der Verträge über den Bau, den Verkauf und die Miete von Immobilien sowie Verträge über andere Rechte an Immobilien vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausschließt.
30. Die Kl., die französische, die italienische und die österreichische Regierung sowie die Kommission sind der Ansicht, dass diese Vorschrift für Realkreditverträge nicht gelte, während die Bekl. sowie die deutsche und die spanische Regierung im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass ein Realkreditvertrag ein Vertrag über Rechte an Immobilien sei, da er ein dingliches Recht an der Immobilie entstehen lasse, die die Grundlage für die Kreditsicherung darstelle.
31. Dazu ist erstens festzustellen, dass Ausnahmen von gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften nach ständiger Rechtsprechung eng auszulegen sind (siehe u.a. EuGH, Slg. 2001, I-3569 = NJW 2001, 2781 = EuZW 2001, 378 [m. Anm. Geiger] Rdnr. 15 - Veedfald).
32. Wenn zweitens ein Realkreditvertrag wie der im Ausgangsverfahren fragliche an ein Recht an einer Immobilie anknüpft, weil das gewährte Darlehen durch ein Grundpfandrecht abgesichert sein muss, so reicht dieser Gesichtspunkt des Vertrags nicht dafür aus, diesen Vertrag als Vertrag über ein Recht an einer Immobilie i.S. von Art. 3 II lit. a Haustürgeschäfterichtlinie anzusehen.
33. Für die Verbraucher, die mit der Haustürgeschäfterichtlinie geschützt werden sollen, und für die Darlehensgeber liegt der Gegenstand eines Kreditvertrags der im Ausgangsverfahren fraglichen Art nämlich in der Überlassung von Kapital, verbunden mit der Verpflichtung der Gegenseite zur Rückerstattung und zur Zahlung von Zinsen.
34. Der Schutz, der dem Verbraucher gewährt wird, der einen solchen Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Gewerbetreibenden geschlossen hat, wird aber nicht dadurch entbehrlicher, dass der Kreditvertrag durch ein Grundpfandrecht abgesichert wird.
35. Für alle Fälle sei hinzugefügt, dass zwar ein Kreditvertrag wie der im Ausgangsverfahren fragliche somit unter die Haustürgeschäfterichtlinie fällt, sich die Folgen eines gemäß dieser Richtlinie erfolgten etwaigen Widerrufs dieses Vertrags für den Kaufvertrag über die Immobilie und für die Bestellung des Grundpfandrechts aber nach dem nationalen Recht richten.
36. Schließlich ist zu prüfen, ob der Anwendungsbereich der Haustürgeschäfterichtlinie durch die später erlassene Verbraucherkreditrichtlinie in Bezug auf Realkreditverträge eingeschränkt worden ist.
37. Nach Ansicht der deutschen Regierung wird die Haustürgeschäfterichtlinie gemäß dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali durch die Verbraucherkreditrichtlinie verdrängt. Darin, dass die Verbraucherkreditrichtlinie abweichend von der Haustürgeschäfterichtlinie die Einführung eines Widerrufsrechts für Kreditverträge nur empfehle, nicht aber vorschreibe, komme zum Ausdruck, dass die Verbraucherkreditrichtlinie in Bezug auf Realkreditverträge der speziellere Gemeinschaftsrechtsakt sei. Die Verbraucherkreditrichtlinie habe damit dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die Einführung eines Widerrufsrechts bei bestimmten Kreditverträgen, insbesondere bei Realkreditverträgen, als problematisch erweisen könnte.
38. Hierzu genügt der Hinweis, dass zum einen die Haustürgeschäfterichtlinie wie gerade dargestellt worden ist, den Verbraucher vor den Gefahren schützen soll, die sich aus den Umständen eines Vertragsschlusses außerhalb der Geschäftsräume des Gewerbetreibenden ergeben, und dass zum anderen der Verbraucherschutz in dieser Richtlinie durch die Einführung eines Widerrufsrechts verwirklicht wird.
39. Weder die Präambel noch der normative Teil der Verbraucherkreditrichtlinie enthalten aber Anhaltspunkte dafür, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber mit dem Erlass dieser Richtlinie den Anwendungsbereich der Haustürgeschäfterichtlinie dahin gehend begrenzen wollte, dass deren spezifischer Schutz nicht für Realkreditverträge gilt.
40. Deshalb ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Haustürgeschäfterichtlinie dahin auszulegen ist, dass sie auf einen Realkreditvertrag wie den im Ausgangsverfahren fraglichen anwendbar ist, so dass der Verbraucher, der einen derartigen Vertrag in einem der in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Fälle geschlossen hat, über das Widerrufsrecht nach Art. 5 Richtlinie 85/577/EWG verfügt.
Zur zweiten Frage
41. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der nationale Gesetzgeber durch die Haustürgeschäfterichtlinie daran gehindert ist, das Widerrufsrecht nach Art. 5 dieser Richtlinie für den Fall, dass der Verbraucher nicht gem. Art. 4 dieser Richtlinie belehrt worden ist, auf ein Jahr nach Vertragsabschluss zu befristen.
42. Die Kl., die französische Regierung und die Kommission machen geltend, dass die Haustürgeschäfterichtlinie das Widerrufsrecht bei fehlender Belehrung darüber nicht befriste. Art. 5 dieser Richtlinie stehe einer nationalen Maßnahme entgegen, die das Widerrufsrecht eines Verbrauchers, der nicht über dieses belehrt worden sei, auf ein Jahr nach Vertragsabschluss befriste. Die in dieser Bestimmung für den Widerruf vorgesehene Mindestfrist von sieben Tagen müsse nämlich ab dem Zeitpunkt gerechnet werden, zu dem der Verbraucher schriftlich über das Widerrufsrecht belehrt worden sei.
43. Nach Ansicht der Bekl. sowie der deutschen, der italienischen und der österreichischen Regierung kann der nationale Gesetzgeber das Widerrufsrecht nach Art. 5 Haustürgeschäfterichtlinie auf ein Jahr befristen, da die Mitgliedstaaten nach Art. 4 dieser Richtlinie dafür zu sorgen hätten, dass ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften geeignete Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers vorsähen, wenn dieser nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei. Zwar ordne die Haustürgeschäfterichtlinie eine Befristung des Widerrufsrechts nicht ausdrücklich an, doch sei dessen zeitliche Begrenzung durch den Grundsatz der Rechtssicherheit geboten.
44. Dazu ist zunächst festzustellen, dass Art. 4 I Haustürgeschäfterichtlinie bestimmt, dass „[d]er Gewerbetreibende … den Verbraucher … schriftlich über sein Widerrufsrecht innerhalb der in Art. 5 festgelegten Fristen zu belehren [hat]“ …, und dass es in Art. 4 III dieser Richtlinie heißt, dass „[d]ie Mitgliedstaaten [dafür] sorgen …, dass ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften geeignete Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers vorsehen, wenn die in diesem Artikel vorgesehene Belehrung nicht erfolgt“. Nach Art. 5 I dieser Richtlinie „[besitzt d]er Verbraucher … das Recht, von der eingegangenen Verpflichtung zurückzutreten, indem er dies innerhalb von mindestens sieben Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem ihm die in Art. 4 genannte Belehrung erteilt wurde, entsprechend dem Verfahren und unter Beachtung der Bedingungen, die im einzelstaatlichen Recht festgelegt sind, anzeigt“.
45. Die Haustürgeschäfterichtlinie bestimmt somit ausdrücklich, dass die für den Widerruf vorgesehene Mindestfrist von sieben Tagen ab dem Zeitpunkt zu rechnen ist, zu dem dem Verbraucher die Belehrung über sein Widerrufsrecht erteilt wurde, und dass es dem Gewerbetreibenden obliegt, diese Belehrung zu erteilen. Diese Bestimmungen erklären sich dadurch, dass der Verbraucher das Widerrufsrecht nicht ausüben kann, wenn es ihm nicht bekannt ist.
46. Angesichts des Wortlauts und des Zwecks von Art. 5 Haustürgeschäfterichtlinie kann Art. 4 III dieser Richtlinie nicht dahin ausgelegt werden, dass der nationale Gesetzgeber vorsehen kann, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers auf jeden Fall innerhalb eines Jahres ausgeübt werden muss, selbst wenn der Verbraucher vom Gewerbetreibenden nicht über dieses Recht belehrt worden ist.
47. Zu dem Vorbringen, dass eine Befristung des Widerrufsrechts aus Gründen der Rechtssicherheit unerlässlich sei, ist schließlich zu bemerken, dass solche Gründe zurücktreten müssen, soweit sie eine Einschränkung der Rechte implizieren, die dem Verbraucher mit der Haustürgeschäfterichtlinie ausdrücklich verliehen worden sind, um ihn vor den Gefahren zu schützen, die sich daraus ergeben, dass Kreditinstitute bewusst Realkreditverträge außerhalb ihrer Geschäftsräume abschließen. Wenn die Kreditinstitute nämlich so verfahren, um ihre Dienste zu vermarkten, so können sie sowohl den Verbraucherinteressen als auch ihrem eigenen Bedürfnis nach Rechtssicherheit ohne Schwierigkeit dadurch Rechnung tragen, dass sie ihrer Obliegenheit zur Belehrung des Verbrauchers nachkommen.
48. Deshalb ist auf die zweite Frage zu antworten, dass der nationale Gesetzgeber durch die Haustürgeschäfterichtlinie daran gehindert ist, das Widerrufsrecht nach Art. 5 dieser Richtlinie für den Fall, dass der Verbraucher nicht gem. Art. 4 dieser Richtlinie belehrt wurde, auf ein Jahr ab Vertragsschluss zu befristen.
Zur zeitlichen Wirkung des vorliegenden Urteils
49. Die Bekl. hat in ihren Erklärungen darauf hingewiesen, dass der EuGH die Wirkungen dieses Urteils zeitlich beschränken könne, falls er der Ansicht sein sollte, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende deutsche Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sei.
50. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang insbesondere darauf, dass die Anwendung des in der Haustürgeschäfterichtlinie vorgesehenen Widerrufsrechts auf Realkreditverträge ein erhebliches finanzielles Risiko für die Kreditinstitute begründe.
51. Es ist daran zu erinnern, dass sich der EuGH bei der Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts darauf beschränkt, die Bedeutung und Tragweite dieser Vorschrift, so wie sie seit ihrem In-Kraft-Treten zu verstehen und anzuwenden gewesen wäre, zu erläutern und zu verdeutlichen (EuGH, Slg. 1998, I-5325 Rdnr. 46 - Kommission/Frankreich).
52. Im Einklang mit einer ständigen Rechtsprechung, nach der sich der EuGH in Anwendung des der Rechtsordnung der Gemeinschaft innewohnenden allgemeinen Grundsatzes der Rechtssicherheit mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Störungen, zu denen sein Urteil bei gutgläubig begründeten Rechtsverhältnissen für die Vergangenheit führen könnte, ausnahmsweise dazu veranlasst sehen kann, die Möglichkeit für die Betroffenen zu beschränken, sich auf eine von ihm ausgelegte Bestimmung zu berufen, um diese Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen, hat der EuGH die Vornahme einer solchen Beschränkung von der Prüfung des Vorliegens zweier grundlegender Kriterien abhängig gemacht, nämlich des guten Glaubens der Betroffenen und des erheblichen finanziellen Risikos (in diesem Sinn EuGH, Slg. 1994, I-4583 Rdnr. 18 = NJW 1995, 123 L = EuZW 1994, 731 - Fisscher).
53. Dazu genügt der Hinweis, dass die Bekl. keinen konkreten Gesichtspunkt vorgebracht hat, der ihr Vorbringen stützen könnte, dass dieses Urteil, falls seine Wirkungen nicht zeitlich begrenzt würden, erhebliche finanzielle Folgen für die Kreditinstitute hervorzurufen drohe, die Realkreditverträge unter den in Art. 1 Haustürgeschäfterichtlinie genannten Tatbestandsvoraussetzungen geschlossen hätten.
54. Daher besteht kein Anlass, die Wirkungen dieses Urteils zeitlich zu beschränken.
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