Hundeschul-AGB in der Klauselkontrolle
Gericht
LG München I
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
15. 01. 1998
Aktenzeichen
7 O 15581–96
Die vorformulierte Fälligstellung des vereinbarten Honorars mit Durchführung der ersten Ausbildungsstunde stellt eine unangemessene Benachteiligung nach § 9 II Nr. 1 AGBG dar.
Eine Klausel, nach der der Verwender die Ausbildungsstunde absagen, abbrechen oder verlegen kann, wenn „sonstige Gründe es notwendig machen“, verstößt gegen §§ 9, 10 Nr. 4 AGBG, und eine Klausel, nach der eine vereinbarte Ausbildungsstunde als genommen gilt und ohne Anspruch auf einen Ersatztermin zu bezahlen ist, wenn der Hundehalter die Stunde nicht mindestens 24 Stunden vor Beginn absagt, ist gem. § 9 II Nr. 1 AGBG i.V. mit § 615 BGB unwirksam.
Eine Klausel, wonach kein Honorarrückzahlungsanspruch für nicht in Anspruch genommene Stunden besteht für den Fall, daß der Hundehalter die Ausbildung vorzeitig abbricht, verstößt gegen § 9 AGBG.
Eine formularmäßige Hundehalterhaftung für durch das Tier verursachte Schäden verstößt gegen § 11 Nr. 7 AGBG.
Zum Sachverhalt:
Der Kl. ist ein Verbraucherschutzverein, der 1966 von der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände und der Verbraucherzentralen der Bundesländer gegründet wurde und zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben nach seinen Angaben die Verbraucheraufklärung und -beratung gehört. Der Bekl. betreibt eine Hundeschule, die Hundeausbildungskurse durchführt und AGB in einem als Vereinbarung bezeichneten Schriftstück gegenüber ihren Kunden verwendet. Der Kl. ist der Auffassung, fünf der in diesem Schriftstück enthaltenen Klauseln verstießen gegen das AGB-Gesetz und hat am 25. 3. 1997 ein Versäumnisurteil gegen den Bekl. erwirkt.
Der Einspruch des Bekl. hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
Das Versäumnisurteil war aufrechtzuerhalten, da die Klage begründet ist.
1. Der Kl. ist aktivlegitimiert. (Wird ausgeführt.)
2. Die Kammer folgt dem Kl. auch in seiner Auffassung, es handele sich bei den streitgegenständlichen Klauseln um AGB: Die Ausführungen des Bekl. erscheinen insoweit unklar, nachdem er auf S. 2 der Klageerwiderung angibt, die Klauseln der Vereinbarung könnten als AGB gewertet werden, in seiner Stellungnahme zu jedenfalls der ersten Klausel aber davon spricht, die Klausel werde vom Bekl. zur Disposition gestellt. Inwieweit diese Tatsachenbehauptung geeignet, mit einer Auskunft bei der IHK oder der Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt ist, kann letztlich dahingestellt bleiben, nachdem das allgemeine äußere Bild der angegriffenen Vereinbarung das typische Bild von AGB bietet und auch der Bekl. nicht vorträgt, daß er sämtliche oder einzelne Klauseln jeweils ausdrücklich jedem Kunden gegenüber zur Disposition stelle.
3. Die Klauseln verstoßen auch sämtlich gegen das AGB-Gesetz:
a) Die
Klausel: „Das Honorar ist fällig mit der Durchführung der ersten
Ausbildungsstunde“ enthält eine unangemessene Benachteiligung nach der
Auslegungsregel von § 9 II Nr. 1 AGBG, da sie von der dispositiven Regelung des
§ 614 BGB abweicht. Soweit der Bekl. hierzu ausführt, es handele sich nur um
dispositives Recht und in der Anschauung der betreffenden Rechtskreise habe sich
durchgesetzt, daß diese Bestimmung abdingbar sei, verkennt der Bekl. die
Funktion des AGB-Gesetzes: Die Abweichung von zwingendem Recht bedürfte keiner
Regelung durch ein Gesetz wie das AGB-Gesetz, das ausschließlich nach
allgemeiner Rechtslage zulässige Abweichungen, also Abweichungen vom
dispositiven Recht sowie sonstige, den Vertragspartner unangemessen
benachteiligende Regelung in AGB für unwirksam erklärt. Dabei ist nicht die
Auffassung der Verkehrskreise, sondern die Frage maßgebend, ob die Abweichung
vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unzweifelhaft keine
unangemessene Benachteiligung darstellt. So ist bei Unterrichtsverträgen wie
auch dem streitgegenständlichen eine Vorleistungspflicht mit Abschluß des
Ausbildungsvertrags eine unangemessene Benachteiligung, da sich auch beim Bekl.,
wie etwa bei einer Fahrschule, der theoretische Unterricht über Monate
erstrecken kann (Wolf–Horn–Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 9 Rdnr. U 4). Daß der
Bekl. seine Argumentation gerade auf die - nach dem vorstehenden unerlaubte -
Praxis bei Fahrschulen stützt, belegt die Entfernung seiner Argumentation von
den tatsächlichen rechtlichen Gegebenheiten. Die Tatsache, daß Verstöße in
weitem Umfang vorkommen mögen, beseitigt deren Rechtswidrigkeit nicht.
b) Die Klausel: „Der Ausbilder hat das Recht, die Ausbildungsstunde abzubrechen, abzusagen oder zu verlegen, wenn die Wetterverhältnisse, eine Disposition des Hundes oder sonstige Gründe es notwendig machen“ verstößt gegen §§ 10 Nr. 4, 9 AGBG. Dies ergibt sich allein schon aus der „Generalklausel“, nach der der Bekl. bei „sonstigen Gründen“ die Ausbildungsstunde absagen, abbrechen oder verlegen kann. Bei der im Wege des Normenkontrollverfahrens nach § 13 AGBG zugrundezulegenden kundenfeindlichsten Auslegung (Palandt–Heldrich, BGB, 57. Aufl., § 13 AGBG Rdnr. 3) ergibt sich aus dem in der Klausel ebenfalls enthaltenen Begriff des „Notwendigmachens“ keine angemessene Interessenwahrung des Vertragspartners des Bekl. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß der Bekl. Fälle anführt, bei denen die Interessen seines Kunden gewahrt werden.
Der Bekl. räumt sich mit der Klausel eben nicht nur die Verantwortung darüber ein, ob unter bestimmten Umständen, die allein er bestimmen kann und die nicht genauer definiert sind, eine Ausbildung vorzunehmen oder abzubrechen ist, sondern das im Einzelfall nicht oder nur schwer nachprüfbare Recht hierzu.
c) Die Klausel: „Sagt der Hundehalter einen vereinbarten Termin nicht mindestens 24 Stunden vor Beginn der Ausbildungsstunde ab, gilt die Stunde als genommen. Ein Anspruch auf Ersatztermin besteht nicht. Die Stunde ist zu bezahlen“ , verstößt gegen § 9 II Nr. 1 AGBG i.V. mit § 615 BGB, da sie bei kundenfeindlichster Auslegung auch bei beiderseits verschuldeter Unmöglichkeit einen Vergütungsanspruch des Bekl. bestehen läßt. Ebenso wird die auch für den Fall des Verzugs in § 615 S. 2 BGB geregelte, angemessene Anrechnung von anderweitig Erworbenem etc. durch die Klausel ausgeschlossen.
Bei seiner Berufung auf § 284 BGB übersieht der Bekl. zunächst, daß diese Vorschrift gerade nicht den Fall des Annahme-, also des Gläubigerverzugs, sondern den des Schuldnerverzugs regelt. Darüber hinaus unterschlägt der Bekl. § 285 BGB, der selbstverständlich auch für § 284 II BGB gilt. Die Überlegung des Bekl. zur Abbedingung von § 615 S. 2 BGB durch die Schaffung eines Zeitrahmens anstelle einer Einzelfallprüfung ist mit den Grundgedanken des AGB-Gesetzes völlig unvereinbar.
d) Auch die Klausel: „Wird die Ausbildung des Hundes vom Hundehalter abgebrochen, bevor die vereinbarte Stundenzahl geleistet wurde, besteht kein Anspruch auf Honorarrückzahlung für die nicht in Anspruch genommenen Stunden“ verstößt gegen § 9 AGBG, da, wie der Kl. zutreffend ausführt, Fälle denkbar sind, in denen die Unterbrechung des Unterrichts auf ein Verschulden des Hundeführers zurückzuführen ist und daher dem Kunden ein außerordentliches Kündigungsrecht zusteht, sowie Gründe bestehen können, die Ausbildung des Hundes vor Ablauf der vereinbarten Stundenzahl abzubrechen, die nicht allein in der Risikosphäre des Hundehalters liegen. Hier ist etwa der Fall denkbar, daß auch ohne Verschulden des Bekl. eine Unverträglichkeit zwischen „Hundeführer“ und Hund zu Tage tritt. Soweit der Bekl. meint, Kritik an der Bezeichnung „Hundeführer“ anbringen zu müssen, mag die Berechtigung dieser Kritik aus fachlicher Sicht dahinstehen, entscheidend ist, daß sämtliche Parteien und das Gericht wissen, daß hiermit der Bekl. gemeint ist. Wenn der Bekl. ausführt, die Klausel solle die Fälle erfassen, in denen der Hundehalter ohne Darlegung der näheren Gründe die Ausbildung einfach abbricht, ist dies mit den Grundsätzen der kundenfeindlichsten Auslegung einer im Wege des Normenkontrollverfahrens zu überprüfenden Klausel nicht zu vereinbaren.
e) Auch die Klausel: „Für durch den Hund entstandene Schäden haftet der Hundehalter“ verstößt gegen das AGBG und zwar gegen § 11 Nr. 7, da sie eine Haftung absolut, d.h. also für jeden Fall postuliert. Die Klausel wiederholt auch nicht nur etwa die gesetzliche Regelung des § 833 BGB, weil sie schon die Ausnahme von § 833 S. 2 BGB nicht erwähnt, die z.B. für den Blindenhund gilt (Palandt–Thomas, § 833 Rdnr. 18). Die Meinung des Bekl., die Klausel verkürze den Gesetzestext, ohne sachlich inhaltlich hieran etwas zu ändern, kann die Kammer daher nicht nachvollziehen.
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