Aufklärungspflicht eines öffentlich bestellten und vereidigten Grundstücksauktionators
Gericht
KG
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
15. 01. 2001
Aktenzeichen
12 U 4687/99
Kennt der Auktionator Umstände, die gegen den Vollzug des Grundstückskaufvertrages zwischen dem Einlieferer und dem Ersteigerer (§ 433 BGB) sprechen, hat er diese in der öffentlichen Versteigerung mitzuteilen. Anderenfalls haftet der Auktionator dem Ersteigerer wegen der Verletzung der Aufklärungspflicht bei der Anbahnung des Vertragsverhältnisses (c.i.c.).
Zum Sachverhalt:
Die Kl. fordert von dem Bekl., einem öffentlich bestellten und vereidigten Grundstücksauktionator, Schadensersatz wegen eines gescheiterten Grundstückserwerbs in Höhe von 21481,62 DM. Sie hatte in dem von dem Bekl. geleiteten Versteigerungstermin vom 17. 12. 1996 den Zuschlag für das Grundstück D-Straße in A. erhalten und unter Bezugnahme auf den Auktionskatalog, in dem das Objekt im Einzelnen beschrieben wurde, noch an demselben Tag den notariellen Kaufvertrag mit dem Einlieferer, Frau Dr. S abgeschlossen, in dem dem Bekl. eine Courtage von 4692 DM zugesagt wurde. Frau Dr. S war jedoch noch nicht Eigentümerin des Grundstücks; sie hatte sich aber in dem mit dem Bekl. geschlossenen Einlieferungsvertrag verpflichtet, ihrerseits ihre Zahlungspflicht aus dem Ankaufvertrag vom 27. 4. 1995 zu erfüllen und dem Bekl. noch vor dem Versteigerungstermin eine beglaubigte Abschrift der Auflassungsverhandlung auszuhändigen. Obwohl sie dies nicht tat, sondern dem Bekl. nur mit wiederholten Versprechungen hinhielt, hat jener im Versteigerungstermin auf den fehlenden Eigentumsnachweis der Grundstücksverkäuferin nicht hingewiesen. Die Kl. erfuhr davon erst durch ein Schreiben vom 15. 7. 1997 und auch von Problemen mit der vermessenen Grundstücksgröße erstmals Mitte Januar 1997. Die Erwerbshindernisse wurden in der Folgezeit nicht beseitigt.
Das LG hat die Klage mit Rücksicht darauf abgewiesen, dass die Haftung des Bekl. für die Richtigkeit der Angaben über das Objekt sowie Bewertungsfragen ausgeschlossen und im Übrigen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt worden war. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kl. hatte im Wesentlichen Erfolg: Das KG hielt den Bekl. - unbeschadet einer daneben bestehenden Haftung von Frau Dr. S aus positiver Forderungsverletzung - für verpflichtet, die Kl. so zu stellen, als hätte sie am 17. 12. 1996 kein Gebot abgegeben.
Aus den Gründen:
Trotz dieses umfassenden Haftungsausschlusses musste die Kl. nicht von vornherein Zweifel an einer üblichen Abwicklung eines Grundstückskaufvertrages hegen.
Doch trotz dieses umfassenden Haftungsausschlusses war sich der Bekl. als öffentlich bestellter vereidigter Grundstücks-Auktionator der Situation bewusst - er konnte sich einer derartigen Einsicht nicht verschließen -, dass die Kl. als Ersteigerer nicht in der Lage war, die Prüfungen anzustellen, wie sie einem Kaufinteressenten im Falle eines üblichen Nachweismaklers möglich gewesen wären. Der Bekl. konnte und musste erkennen, dass die Kl. als Ersteigerer wegen des Hinweises auf die lfd. Nr. 1 unter Abt. II des Grundbuchs „Auflassungsvormerkung zu Gunsten des Einlieferers“ von vornherein grundsätzlich das Risiko eingehen wollte, auch dann an der Versteigerung teilzunehmen, wenn der Einlieferer nicht in der Lage war, seinerseits seine Kaufpreisverpflichtungen gegenüber seinem Verkäufer zu erfüllen. Die Kl. hat nicht erwarten können, dass zuvor der Bekl. als Auktionator und der für ihn tätige Personenkreis insoweit jedes Risiko hätte überprüfen müssen und - falls er die Nachprüfung versäumt hätte - hierfür hätte einstehen müssen. Doch hat die Kl. erwarten können, dass der Bekl. eigene Kenntnisse über evtl. Risiken spätestens während der Versteigerung mitteilt. Diese Nebenpflicht ergibt sich aus seiner herausgestellten Position eines öffentlich bestellten vereidigten Grundstücks-Auktionators, die ihn von der Stellung eines üblichen Maklers unterscheidet.
Insoweit braucht nicht auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Haftung desjenigen abgestellt zu werden, der - ohne Vertragspartner bezüglich des Grundstückskaufvertrages zu sein - am Vertragsschluss ein unmittelbares eigenes Interesse hat oder ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt und hierdurch die Vertragsverhandlungen beeinflusst hat (vgl. BGH, NJW 1990, 1907 = LM § 276 [Fa] BGB Nr. 110; BGH, NJW-RR 1991, 1241ff. [1242] = LM § 276 [Fa] BGB Nr. 118; BGH, NJW-RR 1992, 605 = LM § 276 [Fa] BGB Nr. 122; KG, Urt. v. 6. 5. 1996 - 12 U 8616/95; zur Haftung aus c.i.c. bei Verstoß gegen aus besonderen Umständen herzuleitenden Aufklärungspflichten, die im Vertrauen auf den Vertragsabschluss zur Vornahme von Aufwendungen geführt haben, vgl. BGH, NJW 1975, 43 = LM § 313 BGB Nr. 64/65; OLG Hamm, NJW-RR 1991, 1043; KG, Urt. v. 19. 7. 1999 - 12 U 452/97).
Vielmehr hat der Bekl. durch seine Tätigkeit als öffentlich bestellter vereidigter Grundstücks-Auktionator zum Ausdruck gebracht, nicht Interessenvertreter einer Partei zu sein und sich von dem Makler i.S. des § 652 BGB dadurch zu unterscheiden, dass er zwar nicht die Realisierbarkeit von Grundstückskaufverträgen garantiert, aber ihm bekannte Zweifel mitteilt. So entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass es sich bei der Unechtheit eines Kunstwerkes um einen Fehler i.S. des § 459 I BGB handelt, der Gewährleistungsansprüche auslösen kann, der Auktionator aber gehindert ist, sich auf die formularmäßige Freizeichnungsklausel zu berufen, wenn er selbst bei der Annahme des gefälschten Werkes die ihm gegenüber dem Ersteigerer obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat. Dies gilt sowohl für grobe als auch für leichte Fahrlässigkeit. Dabei handelt es sich um die sich aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergebende Begrenzung der Befugnis, sich im Einzelfall auf einen formularmäßigen Ausschluss des Wandelungsrechts zu berufen (BGH, NJW 1980, 1619 [1620f.] = LM § 9 [Cf] AGBG Nr. 3; vgl. auch OLG Hamm, NJW 1994, 1967).
Es wird nicht übersehen, dass sich diese Rechtsprechung auf die Versteigerung von Kunstwerken bezieht, die eine Verpflichtung des Versteigerers zur Nachprüfung der Echtheit in bestimmten Grenzen postuliert. Allerdings ist aus dieser Rechtsprechung herzuleiten, dass auf Grund der Besonderheit des Einzelfalles ein Auktionator verpflichtet ist, von sich aus im Interesse des Ersteigerers tätig zu werden, also jedenfalls Kenntnisse zu vermitteln, die die Abwicklung eines durch den Zuschlag zu Stande kommenden Vertrages erheblich beeinträchtigen können.
Die Kl. hat erkennbar dem Bekl. bezüglich seiner Angaben und deren Vollständigkeit wegen der nachfolgend aufgeführten Umstände vertraut. Im Hinblick auf dieses Vertrauen hat der Bekl. bei Anbahnung des Vertragsverhältnisses seine Aufklärungspflicht verletzt, so dass er das negative Interesse zu ersetzen hat (culpa in contrahendo).
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen