Bankentgelt für Nichtausführung des Kundenauftrags mangels Deckung
Gericht
BGH
Datum
21. 10. 1997
Aktenzeichen
XI ZR 5/97 (KG)
Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach denen die Bank für die Nichtausführung eines Dauerauftrags oder einer Überweisung sowie für die Rückgabe eines Schecks oder einer Lastschrift wegen fehlender Deckung ein Entgelt fordert, verstoßen gegen § 9 AGBG. Sie stellen im Hinblick auf § 11 Nr. 5b AGBG auch keine wirksamen Schadenspauschalierungen dar.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der kl. Verbraucherschutzverein hat nach seiner Satzung die Aufgabe, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Die bekl. Bank verwendet gegenüber ihren Kunden AGB mit dem Hinweis auf ein Preisverzeichnis. Unter der Überschrift „Preisverzeichnis Preise für Dienstleistungen im normalen Geschäftsverkehr mit Privatkunden“ heißt es u.a.:
Dauerauftrag
– Nichtausführung mangels Deckung 3 DM
Überweisung
– Nichtausführung mangels Deckung 3 DM
Scheck
– Scheckrückgabe bis 100 DM 5 DM
– Scheckrückgabe über 100 DM 10 DM
Lastschrift
– Lastschriftrückgabe bis 100 DM 5 DM
– Lastschriftrückgabe über 100 DM 10 DM
Im Verfahren nach § 13 AGBG verlangt der Kl. von der Bekl., die Verwendung dieser Entgeltklauseln zu unterlassen. Das LG und das BerGer. (WM 1997, 60 = WRP 1997, 457) haben der Klage stattgegeben. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgte die Bekl. ihren Klageabweisungsantrag weiter und hatte damit keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
I. Das BerGer. hält alle angesprochenen Vergütungsklauseln für unwirksam (§ 9 I AGBG). Zur Begründung hat es im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Bei den streitigen Klauseln handele es sich um nach § 8 AGBG kontrollfähige (Preis–)Nebenabreden für irreguläre Geschäftsvorfälle innerhalb der zwischen den Parteien bestehenden Geschäftsbeziehung. Soweit die Störungen des Zahlungsverkehrs auf einem vertragswidrigen Verhalten des Kunden (z. B. Ausstellung von Schecks ohne ausreichendes Guthaben oder Erteilung ungedeckter Überweisungsaufträge) beruhten, seien die Formularabreden nicht zu beanstanden, da der bekl. Bank insoweit ohnehin ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung oder ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB zustehe. Ihrem weiten Wortlaut nach erfaßten die Klauseln aber auch die Fälle, in denen die Bank die fehlende Deckung durch Fehlbuchungen selbst verursacht habe. Das bei der Verbandsklage gem. § 13 AGBG geltende Prinzip der kundenfeindlichsten Auslegung führe deshalb zu der Annahme, daß die Bekl. aufgrund der Klausel den Kunden sogar dann mit einem Entgelt belasten könne, wenn sie für die Deckungslücke allein verantwortlich sei. Daß völlig fernliegende Auslegungsmöglichkeiten selbst im Verfahren nach § 13 AGBG außer Betracht zu bleiben hätten, rechtfertige keine andere Beurteilung, weil das Fehlbuchungsrisiko insgesamt gesehen keine zu vernachlässigende Größe darstellte.
Zudem seien die beiden Scheckklauseln nicht transparent, da weder eine Eingrenzung auf eine mangelnde Deckung noch auf zu Lasten des Kontoinhabers gezogene Schecks vorgenommen worden sei. Auch Fälle der Rückgabe von zur Gutschrift auf das Konto eingereichter Schecks könnten durch die Klauseln erfaßt werden und u.a. dann eine Vergütungspflicht des Kunden auslösen, wenn die Bekl. den Formfehler der Scheckurkunde schon am Schalter hätte erkennen müssen. Darüber hinaus nehme die für den Lastschriftverkehr geschaffene Regelung auf das dem Kunden im Bereich des Einzugsermächtigungsverfahrens zustehende Widerspruchsrecht keine Rücksicht.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung zwar in wesentlichen Punkten nicht stand; das Ergebnis ist aber nicht zu beanstanden.
1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des BerGer., es handele sich bei den angegriffenen Klauseln um preisregelnde Bestimmungen, die trotz § 8 AGBG der Inhaltskontrolle unterlägen. Der Verwender von AGB kann nach allgemeinen Grundsätzen Entgelte nur für Leistungen verlangen, die er auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den einzelnen Kunden erbringt. Jede Entgeltregelung, die sich nicht auf eine solche Leistung stützt, sondern die Aufwendungen für die Erfüllung eigener Pflichten oder für Zwecke des Verwenders abzuwälzen versucht, stellt deshalb eine Abweichung von Rechtsvorschriften dar. Der BGH hat sich demgemäß bisher in ständiger Rechtsprechung (BGHZ 114, 330 [333] = NJW 1991, 1953 = LM § 369 BGB Nr. 1; BGHZ 124, 254 [256ff.] = NJW 1994, 318 = LM H. 4/1994 § 8 AGBG Nr. 22; Senat, BGHZ 130, 10 = NJW 1996, 2032 = LM H. 9/1996 § 8 AGBG Nr. 25 = WM 1996, 1080 [1082]; NJW 1997, 2752 = LM H. 11/1997 § 8 AGBG Nr. 28 = ZIP 1997, 1638, z. Veröff. in BGHZ bestimmt) durch § 8 AGBG nicht gehindert gesehen, Preisklauseln daraufhin zu überprüfen, ob ihnen eine echte (Gegen–) Leistung zugrunde liegt. Daß für die vorliegenden Gebührenklauseln andere Grundsätze gelten, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
2. Nicht gefolgt werden kann dagegen dem BerGer., soweit es der Ansicht ist, die streitigen Bestimmungen entsprächen bei einer Deckungslücke oder der Einreichung eines formungültigen Schecks entweder dem haftungsrechtlichen Verschuldensprinzip oder der in § 670 BGB normierten Aufwendungsersatzregelung.
a) Bei der den Gegenstand der Vergütungsregelungen bildenden Prüfung ausreichender Deckung wird die bekl. Bank ausschließlich im eigenen Interesse tätig. Die Bank ist zur Ausführung von Daueraufträgen und Überweisungen sowie zur Einlösung einer Lastschrift oder eines auf das Konto ihres eigenen Kunden gezogenen Schecks aus dem Girovertrag, einem Geschäftsbesorgungsvertrag, nur verpflichtet, wenn ausreichende Deckung in Form eines entsprechenden Giroguthabens oder einer offenen Kreditlinie vorhanden ist. Sie ist andererseits nicht gehindert, eine durch die Belastungsbuchung eintretende Überziehung des Kontos hinzunehmen (s. dazu Schimansky, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR–Hdb. I, 1997, § 49 Rdnr. 11). Entscheidet sie sich bei fehlender Deckung für die Nichtausführung, so liegt in ihrer berechtigten Weigerung, die entsprechende girovertragliche Weisung des Kunden gem. §§ 665, 675 BGB zu erfüllen, keine Leistung und folglich kein eine Vergütungspflicht auslösender Tatbestand. Bei der Nichteinlösung von Lastschriften kommt hinzu, daß die Bank in dem die Regel bildenden Einzugsermächtigungsverfahren die Kontobelastung ohne eine entsprechende Einzelweisung ihres Kunden vornimmt (s. dazu Senat, NJW 1989,1672 = LM § 684 BGB Nr. 5 = WM 1989, 520 [521]; van Gelder, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rdnr. 53 m.w.Nachw.), ihre Erfüllungsverweigerung sich also als die Nichtausführung eines Auftrags der Gläubigerbank im Rahmen des Lastschriftabkommens (vgl. auch dazu van Gelder, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 58 Rdnrn. 115ff. m.w.Nachw.) darstellt. Die bei der Prüfung ausreichender Dekung entstehenden Aufwendungen kann sie deshalb auch nicht nach § 670 BG von dem Kunden ersetzt verlangen, da der gesetzliche Anspruch auf Wertersatz (s. etwa Staudinger/Wittmann, BGB, 13. Bearb., § 670 Rdnr. 8) ein für den Beauftragten erbrachtes Vermögensopfer voraussetzt. Ob das von der bekl. Bank berechnete Entgelt den einzelnen Kunden mehr oder weniger stark belastet, ist im Rahmen der Verbandsklage nach §§ 13ff. AGBG, die dem Rechtsverkehr im ganzen dient, ohne Belang (BGHZ 124, 254 [260] = NJW 1994, 318 = LM H. 4/1994 § 8 AGBG Nr. 22).
Für den Fall, daß die Bekl. aufgrund der beanstandeten Scheckklausel – wie vom BerGer. angenommen – ein pauschaliertes Entgelt für die Rückgabe eines formungültigen Schecks berechnen sollte, so liegt auch dieser Regelung keine Geschäftsbesorgung oder Dienstleistung zugrunde.
b) Ob die durch eine im Einzelfall erforderliche Benachrichtigung des betroffenen Kunden über die Nichteinlösung (s. dazu BGH, NJW 1989, 1671 = LM § 662 BGB Nr. 40 = WM 1989, 625) entstehenden Aufwendungen eine Leistung darstellen und demzufolge ersatzfähig sind, kann offenbleiben, da es nach dem Vorbringen der Bekl. bei den vorliegenden Klauseln nicht um den Ersatz dieser Auslagen geht.
3. Die angegriffenen Bestimmungen lassen sich auch nicht als wirksame Schadenspauschalierungen halten. Dabei bedarf die Frage, ob der Kunde, der eine General– oder Einzelweisung erteilt und nicht rechtzeitig für ausreichende Deckung gesorgt oder einen formungültigen Scheck zur Gutschrift auf sein Konto eingereicht hat, wegen Verletzung seiner girovertraglichen Pflichten gegenüber der kontoführenden Bank schadensersatzpflichtig wäre, keiner Entscheidung. Jedenfalls wären die von der Bekl. verwendeten Klauseln, wenn man in ihnen eine pauschalierte Schadensersatzregelung sehen wollte, wegen Verstoßes gegen § 11 Nr. 5b AGBG unwirksam.
Gem. § 11 Nr. 5b AGBG dürfen Pauschalierungsklauseln dem Kunden nicht den Nachweis eines überhaupt nicht oder wesentlich niedriger eingetretenen Schadens abschneiden. Zwar verlangt das Gesetz nicht, daß die Klauseln den besonderen Hinweis enthalten, dem Kunden bleibe der Nachweis eines wesentlich geringeren Schadens vorbehalten. Der Nachweis wird jedoch abgeschnitten, wenn der rechtsunkundige Durchschnittskunde nach der Fassung der AGB–Regelung davon ausgehen muß, daß er sich nicht auf einen im Einzelfall wesentlich niedrigeren Schaden des Verwenders berufen kann. Infolgedessen sind alle Pauschalierungsklauseln nach § 11 Nr. 5b AGBG unzulässig, die dem Kunden für den Fall der schuldhaften Vertragsverletzung eine Schadensersatzleistung in fester Höhe befehlen (s. etwa BGH, NJW 1987, 2220 [2222] = LM § 138 [Bc] BGB Nr. 49) oder ihm auf andere Weise den Weg zur Einwendung eines wesentlich niedrigeren Schadens (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 7. Aufl., § 11 Nr. 5 Rdnr. 18 m.w.Nachw.) verschließen. Für die vorliegenden Klauseln ergäbe sich nichts anderes. Denn da sie dem eindeutigen Wortlaut nach Gebühren für „Dienstleistungen“ festsetzen, wird für den Kunden nicht einmal deutlich, daß die Bekl. eine der Höhe nach pauschal erhobene Schadensersatzforderung oder einen Anspruch in Höhe des gewöhnlich entstehenden bzw. des durchschnittlichen Schadens geltend machen will.
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