Verbindlichkeit von Gewinnzusagen in Massensendungen

Gericht

LG Wuppertal


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

19. 02. 2001


Aktenzeichen

3 O 358/00


Leitsatz des Gerichts

Ein werbetreibendes Unternehmen, das mittels Massendrucksachen das Interesse potentieller Kunden wecken will, muss sich an darin enthaltenen Gewinnankündigungen festhalten lassen und ist zur Leistung des in Aussicht gestellten Gewinns verpftichtet.

Tatbestand

Aus dem Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte, die einen Versandhandel betreibt, einen Anspruch aus einer Gewinnzusage geltend.

Anfang September 2000 erhielt der Kläger eine in Frankreich aufgegebene und an ihn persönlich adressierte Postkarte, durch welche ihm mitgeteilt wurde, dass er "der glückliche Gewinner eines nagelneuen VW Beetle" sei. Die Karte trug die Faksimileunterschrift der Geschäftsführerin der Beklagten und kündigte an, dass dem Kläger in den nächsten Tagen weitere Dokumente übersandt würden. Zwischen den Parteien ist streitig, ob diese Postkarte von der Beklagten stammt.

Einige Tage später erhielt der Kläger einen Katalog der Beklagten, dem ein Anschreiben mit identischer Faksimileunterschrift, dem Muster eines auf den Kläger ausgestellten Fahrzeugscheins und dem Text "Vielleicht sind Sie ja schon der glückliche Gewinner eines nagelneuen VW Beetle ..." beigefügt war. Diese Sendung stammt unstreitig von der Beklagten und war von deren Niederlassung abgesandt worden.

Der Kläger behauptet, die Postkarte stamme von der Beklagten und sei von dieser abgesandt worden.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Klage ist begründet.

Der Kläger kann gemäß § 661a BGB die Übereignung eines neuen Pkw VW Beetle verlangen.

Die Kammer ist davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass die streitgegenständliche Postkarte entsprechend der Behauptung des Klägers von der Beklagten stammt und von ihr auch abgesendet wurde. Diese Überzeugung hat sich die Kammer aufgrund der nachstehenden Erwägungen gebildet.

Zunächst erweckt die Postkarte nach ihrem gesamten Inhalt und ihrer Aufmachung - z.B. Faksimileunterschrift der Geschäftsführerin der Beklagten; Angabe Absender; Absenderkennung, wobei zugleich die Postfachnummer der Beklagten angegeben ist - den Eindruck, von der Beklagten zu stammen, was auch die Beklagte selbst einräumt. Hinzu kommt maßgeblich, dass - wie auf der Postkarte angekündigt - tatsächlich wenige Tage nach Erhalt der Karte und damit in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dieser eine diesmal unstreitig von der Beklagten stammende Postsendung mit dem neuen Katalog der Beklagten bei dem Kläger eintraf. In dem Anschreiben zu diesem Katalog wiederum wurde der Gewinn eines VW Beetle in Aussicht gestellt. Neben dem zeitlichen besteht damit auch ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen Postkarte und Katalog, der auch nicht dadurch in seiner Bedeutung gemindert wird, dass auf der Postkarte ein "vertraulicher Umschlag" mit "wichtige(n) Unterlagen" angekündigt wird, wovon bei dem nachfolgenden, in einer Versandhülle verschickten Katalog im eigentlichen Wortsinn sicherlich nicht die Rede sein kann. Die Verwendung solcher und ähnlicher Floskeln ist nach der privaten Kenntnis sämtlicher Kammermitglieder bei Versandhandels- und sonstigen Unternehmen, die (potentielle) Kunden mit Massendrucksachen zu Werbezwecken anschreiben, durchaus üblich, um deren Interesse zu wecken und um zu verhindern, dass solche Anschreiben sogleich ungelesen und ungeöffnet in den Papierkorb geworfen werden. Der Kläger ist im Übrigen nicht der einzige, der eine persönlich adressierte Postkarte dieses Inhalts wenige Tage vor Zusendung des Katalogs durch die Beklagte erhielt, wie der Kammer aus mehreren Verfahren - u.a. den beigezogenen Akten 3 O 318/99, 3 O 336/00 sowie 3 O 360/00, aber auch aus weiteren Verfahren - bekannt ist. Insgesamt ist hierdurch zunächst der Anschein entstanden, dass auch die Postkarte von der Beklagten herrührt.

Dass die Postkarte anders als der nachfolgende Katalog nicht in (...), sondern in (...) Frankreich aufgegeben wurde und dass weiterhin die Beklagte nicht als Kundin der Post (...) erfasst ist, spricht nicht maßgeblich gegen die Urheberschaft der Beklagten. Die Beklagte kann sich bei der Versendung ohne weiteres einer anderen beauftragten Person bedient haben. Im Übrigen sind verschiedene Gründe denkbar, warum ein Postversand aus dem Ausland sinnvoll sein könnte, nicht zuletzt derjenige, angesichts der neu geschaffenen Vorschrift des § 661a BGB den Nachweis der Urheberschaft erschweren zu wollen, ohne aber auf die aufmerksamkeitssteigernde und damit werbewirksame Wirkung solcher Gewinnankündigungen verzichten zu wollen.

Dies alles schließt freilich nicht denknotwendig aus, dass eine dritte Person unabhängig von der Beklagten diese Postkarte (und die weiteren) mit einer reproduzierten Faksimileunterschrift der Geschäftsführerin der Beklagten hergestellt und sodann von Frankreich aus versandt haben konnte, was die Kammer nach Aktenlage aber für äußerst unwahrscheinlich hält. Denn diese Person müsste zum einen die Adressenliste mit den potentiellen Kunden der Beklagten kennen und zum anderen auch wissen, dass die Beklagte tatsächlich "in den nächsten Tagen" genau diese potentiellen Kunden anschreibt und dabei ein Gewinnspiel veranstaltet, bei dem ein VW Beetle ausgelobt wird. Über diese Informationen kann grundsätzlich nur jemand aus der Sphäre der Beklagten selbst verfügen. Des Weiteren fragt es sich, welche Person überhaupt ein Interesse daran haben könnte, die Beklagte durch ein solches Verhalten vorsätzlich zu schädigen. Und selbst wenn man sich eine solche Person vorstellen könnte, die über die erforderlichen Informationen verfügte und die Beklagte schädigen wollte, wäre es immer noch merkwürdig, dass diese Person dann die Postkarten in Frankreich aufgegeben haben sollte, denn - abgesehen von dem Mehraufwand - wäre die Schädigung wirkungsvoller durch Versendung von einem der Niederlassungsorte der Beklagten zu verwirklichen gewesen.

Vor dem Hintergrund dieser gesamten Umstände ist die Kammer mit dem erforderlichen Grad von Gewissheit davon überzeugt, dass die Beklagte die Versendung der Postkarte veranlasste. Ihr bloßes Bestreiten ist unzureichend, ihre Bemühungen um Aufklärung, die sich nach Aktenlage darauf beschränkten, sich von der Post bescheinigen zu lassen, dass man dort nicht Kunde sei, erscheinen halbherzig und scheinen auch die vorhandenen weitergehenden Möglichkeiten nicht auszuschöpfen.

Im Übrigen sind die Voraussetzungen von § 661a BGG erfüllt: Dass die Formulierung auf der Postkarte, der Kläger sei der glückliche Gewinner eines nagelneuen VW Beetle, eine Gewinnzusage im Sinne dieser Vorschrift darstellt, ist zwischen den Parteien nicht streitig und liegt angesichts der Klarheit dieser Formulierung und des Fehlens inhaltlicher Einschränkungen auch auf der Hand.

Ferner unterfallen die Parteien auch dem persönlichen Anwendungsbereich dieser Norm. Die Beklagte ist Unternehmerin im Sinne von § 14 BGB, da sie in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit handelte, und der Kläger ist Verbraucher im Sinne von § 13 BGB. Dem steht nicht entgegen, dass §§ 13, 14 BGB die Verbraucher- bzw. Unternehmereigenschaft im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts definieren, welches hier nicht vorliegt. Denn eine solche Beschränkung auf abgeschlossene Rechtsgeschäfte würde die Vorschrift des § 661a BGB und den dahinterstehenden gesetzgeberischen Willen, solchen unerwünschten Geschäftspraktiken entgegenzuwirken, ins Leere laufen lassen. Der angestrebte Verbraucherschutz soll - wie beispielsweise auch bei § 241a BGB - nicht erst nach Abschluss eines Rechtsgeschäfts, sondern schon bei dessen Vorbereitung eingreifen. Nur in diesem Sinne kann § 661a BGB vernünftigerweise ausgelegt werden.

Rechtsfolge des § 661a BGB ist, dass der zugesagte Preis zu leisten ist. Das bedeutet hier, dass der Kläger die Übergabe und Übereignung eines Pkw VW Beetle verlangen kann. Die umgangssprachliche Bezeichnung "nagelneu" ist dabei im Sinne von frabrikneu auszulegen. Denn mit "nagelneuen", d.h. nach ursprünglicher Herkunft dieser Bezeichnung neu genagelten Sachen, sind neu hergestellte und noch nicht benutzte bzw. nicht gebrauchte Sachen gemeint. (...)

Rechtsgebiete

Allgemeines Zivilrecht

Normen

§ 661a BGB